GastbeitragSolche Ideen gehören besser auf den MiststockSonntag, 4. Februar 2024 In meinem Umfeld haben die Klassenzusammenkünfte aktuell Hochsaison. Das Vorher und das Nachher ist in etwa überall gleich und höchst amüsant. In der Regel hat man sich ein bis zwei Jahrzehnte nicht mehr gesehen und ist gespannt wie ein Flitzbogen, wie sich das Schulschätzli, der Klassenstreber, die Täderlitasche, der dicke Toni und die verträumte Bertha (Namen frei erfunden) entwickelt haben. Da kann es dann zu wahren Aha-Momenten kommen.

Als Prügelknabe hergehalten

Beim Schulschätzli sind einige froh, dass nichts draus geworden ist. Beim Klassenstreber hat es doch nicht für einen Doktortitel gereicht, die verträumte Bertha steht mit beiden Beinen auf dem Boden und ist als CEO eines internationalen Konzerns tätig. Es wird festgestellt, dass die Faltenneigung bei einigen Gschpänli sehr fortgeschritten ist und das Gesicht etlicher «Buben» viel Platz braucht (tschüss Haarpracht). Und dann schwirrt da noch ein fremder Schönling (Typ George Clooney) mit dem Apéroglas herum, der vermutlich zum anderen Klassentreffen gehört, das im Gewölbekeller einquartiert ist. Doch weit gefehlt, der Clooney sei bis zum Schluss geblieben, hat mir Bertha verschmitzt erzählt. Den Faltigen und Haarlosen habe es fast die Sprache verschlagen, als sich dieser als der dicke Toni zu erkennen gab, der damals regelmässig als Prügelknabe herhalten musste.

Als Prügelknabe muss aktuell auch mal wieder die Landwirtschaft herhalten, wenn am 22. September 2024 über die Biodiversitäts-Initiative abgestimmt wird. Bei Annahme würde eine Fläche, die knapp der Grösse des Kantons Freiburg entspricht, nicht mehr für die Lebensmittelproduktion zur Verfügung stehen. Die heimische Produktion von Kartoffeln, Brotgetreide oder Raps würde um etwa 15 Prozent zurückgehen, was z. B. dem Kartoffelverbrauch von 1,3 Millionen Menschen pro Jahr entspricht. Dass die Schweizer Bauern bereits heute rund ein Fünftel ihrer Flächen für die Biodiversität ausscheiden, wird ignoriert. Wir haben es definitiv satt, dass 3,1 Prozent aller Erwerbstätigen (mit 60 Std./Woche und mehr) in der Schweiz für den Rest als Prügelknaben herhalten sollen.

Geschichten aus dem Bauernleben

Jetzt mögen Sie, liebe Leser(innen) der BauernZeitung, denken, «gut gebrüllt Löwe». Aber eigentlich sind wir das falsche Publikum für diese Zeilen, denn die nichtbäuerliche Bevölkerung ist hier ganz klar angesprochen. Richtig – und exakt dies tut der kleine Schaffhauser Bauernverband jeden Donnerstag und übers ganze Jahr. Jede Woche erscheinen in unserer Tageszeitung, die rund 37 000 grossmehrheitlich nichtbäuerliche LeserInnen erreicht, zwei ganze Seiten zur regionalen Landwirtschaft: vom Hofporträt über die Landfrauenspalte bis hin zu Kulturen, Technik, Politik, Verbänden usw.

Die Kolumne auf der ersten Seite, die jeweils von unserer Redaktorin Nici Peter und mir im Wechsel geschrieben wird, ist sozusagen das Leckerli, um die Leserschaft gwundrig und gluschtig auf den kompletten Lesestoff zu machen. Dass wir mit dieser Form von Öffentlichkeitsarbeit auf dem richtigen Weg sind, wurde uns anlässlich der kürzlich gemachten Umfrage bei der Leserschaft mit überwältigender Rückmeldung bestätigt. Zudem dürfen wir auch jede Woche etliche «Whatsapp-Blumensträusse» in Empfang nehmen. Landwirtschaft interessiert die Menschen, man muss sie aber regelmässig miteinbeziehen und daran teilhaben lassen.

Ich bin überzeugt, dass wenn jede Bäuerin und jeder Bauer übers ganze Jahr Geschichten aus dem Leben erzählt, am Feldrand, im Laden, am Chränzli, am Elternabend und wo auch immer, dies nicht nur das Tragen des Edelweisshemdes, sondern auch die produzierende Landwirtschaft «attraktiv» macht. Gut, gibts die Schweizer Bauern.

Zur Person
Virginia Stoll ist Sekretärin des Schaffhauser Bauernverbands. Sie schreibt für die Rubrik «Arena» im Regionalteil Ostschweiz/Zürich der BauernZeitung.