Am Donnerstag um 10 Uhr war es so weit. Im Sitzungszimmer 439 des Konkursamts Bern-Mittelland in Ostermundigen wurde das Baurecht mit 9 Gebäuden der Bio Schwand AG versteigert. Das Prozedere dauerte rund eine Viertelstunde. Am Schluss erfolgte der Zuschlag überraschend an eine bisher völlig unbekannte Firma namens WBS AG.
Kanton Bern sieht keinen Bedarf
Gemeinhin war mit einem Rückkauf der Gebäude durch den Kanton Bern gerechnet worden. Der Vertreter des Kantons an der Steigerung verzichtete aber auf sein Vorkaufsrecht. Er verwies auf Nachfrage auf eine Mitteilung des Kantons. «Aus Sicht des Regierungsrates besteht kein nachweislicher Bedarf für langfristige kantonale Nutzungen auf dem Schwand-Areal», heisst es darin. Dies, obwohl ein Postulat des Grossen Rats den Kanton ausdrücklich zu einer Übernahme der Liegenschaften aufgefordert hatte.
Zudem werde eine nachhaltige Entwicklung des Areals durch den Kanton wegen der geltenden raumplanerischen Rahmenbedingungen stark erschwert, und die Gebäude müssten für die Wiedervermietung und Zwischennutzung instandgesetzt werden, so der Kanton. Er verweist auch auf die Finanzlage: «Schliesslich ist die finanzielle Lage des Kantons Bern angespannt. Es besteht kein Spielraum für den Erwerb von Liegenschaften, die nicht unmittelbar und zwingend benötigt werden».
Der Zuschlag in Ostermundigen erfolgte zu einem Preis von 5 Mio Fr. Damit können die auf der konkursiten Bio Schwand AG lastenden Verbindlichkeiten von rund 6,3 Mio Fr. also nicht gedeckt werden.
Betreuung und Wohnen für Kinder geplant
Die WBS AG verschickte anschliessend an den Entscheid ein Communiqué. Darin erklärt sie, dass auf dem Schwand ein Wohn- und Bildungszentrum entstehen soll. Das Areal mit seinen strengen Zonenplan-Vorgaben eigne sich perfekt für ein «visionäres Wohn- und Bildungszentrum für Menschen mit unterschiedlichstem Bedarf», so der Initiant und Gründer der Firma WBS, Stephan Zihler: «Hier könnte man dank der vielseitigen Infrastruktur eine kindgerechte Betreuung und Unterbringung anbieten und gleichzeitig gute Rahmenbedingungen für eine berufliche Integration schaffen», heisst es in der Mitteilung.
Gespräche mit den bisherigen Nutzer(innen)
Wichtig sei der WBS AG nun, die verschiedenen bestehenden und zukünftigen Bedürfnisse zu evaluieren. So soll ein koordiniertes und vielfältiges Nutzungskonzept erstellt werden. Geplant ist, dass insbesondere Unternehmen und Organisationen aus den Bereichen Bildung und Landwirtschaft in das neue Konzept eingebaut werden.
Man werde in den kommenden Wochen und Monaten mit allen bestehenden Nutzerinnen und Nutzern Gespräche führen, verspricht Stephan Zihler. «Wir sind aber selbstverständlich auch offen für neue Interessenten.»
Aktuell sind im Schwand eine Saatgutproduzentin, eine Gartenbaufirma, ein Treuhandunternehmen sowie die Wildhut des Kantons Bern, das Amt für Landwirtschaft und Natur, das Amt für Wald und Naturgefahren sowie die Waldorganisation Woka eingemietet. Auch führt das Inforam hier eine Bio-Schule.
Schwand dank Flüchtlingen kennengelernt
Zihler zeigte sich überrascht über den Zuschlagsentscheid. Man werde die Öffentlichkeit gegen Mitte des nächsten Jahres über die detaillierte Nutzung informieren.» Das nötige Eigenkapital für die Bankenfinanzierung habe er selbst aufgebracht und mit Freunden zusammengetragen.
Zum Finanzierungsdossier gehöre auch ein professionell ausgearbeiteter Businessplan über sechs Jahre. Der Käufer leitet Zihler leitet laut der Mitteilung ein Netzwerk von Organisationen, die viel Erfahrung in den Bereichen Sport, Bildung und Betreuung haben.
Das Areal Schwand habe er im Rahmen seiner Funktion als Stiftungsratspräsident der Stiftung Zugang B kennengelernt, die derzeit 50 ukrainische Kinder aus einem Kinderheim untergebracht hat, die mit ihren Betreuungspersonen in die Schweiz geflüchtet sind und zum Teil auch auf dem Schwand zur Schule gehen.
Sehr überrascht zeigte sich an der Versteigerung Beat Moser, Geschäftsleiter der Treuhand und Beratung Schwand. Die Firma, welche den Zuschlag erhielt, kenne er bis anhin nicht. «Wir haben damit gerechnet, dass es der Kanton übernehmen würde», sagte Moser. Seine Firma habe kein Interesse gehabt, mitzusteigern. Seit langem möchte die Firma aber weitere Räumlichkeiten mieten, es bleibe jetzt abzuwarten, was aus den Gesprächen mit der Firma WBS resultiere, sagte Moser.
Neun Gebäude mit einer Nutzfläche von 10'600 m2
Es ging beim Verkauf um neun Gebäude mit einer Nutzfläche von total 10'600 m2 auf einer Parzellenfläche von 22'932m2. Dazu gehören unter anderem das Hauptgebäude, die Gärtnerei, zwei Maschinenhallen, ein Gastrobereich und weitere Nebengebäude. Nicht zu den versteigerten Gebäuden gehören der Biobetrieb der Familie Siegenthaler im Schwand 18 sowie der Therapiehof im Schwand 6.
Kein Verständnis beim Berner Bauernverband
Insbesondere angesichts der gegenteiligen Aufforderung aus dem Grossen Rat kann der Berner Bauernverband (BEBV) den Entscheid des Kantons gegen den Schwand nicht verstehen. «Mit dem Ausbau des Schwands hätte Platz geschaffen werden können, ohne zusätzliches Kulturland zu verbauen», gibt der BEBV in einer enttäuschten Mitteilung zu bedenken. Mehrmals habe man Ideen zur Weiterentwicklung und Auslastung dargelegt und seine Mitarbeit angeboten. Nun entlasse der Kanton Bern trotz allem den Schwand aus der Berner Land- und Ernährungswirtschaft und verschärfe damit den Platzmangel am Inforama und in der landwirtschaftlichen Verwaltung.
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