1/0
Lange befürchtet, und nun Realität: Der Berner Regierungsrat hat seine Nutzerstrategie vorgestellt, welche die Schliessung von vier der sieben Inforama-Standorten vorsieht. Das Inforama beherbergt die landwirtschaftliche und die haus­wirtschaftliche Aus- und Weiterbildung sowie Beratungs­angebote im Bereich Landwirtschaft im Agrarkanton Bern. Für die Neuausrichtung wurden die Varianten «Weiterführung wie bisher», «Konzentra­tion auf einen Standort» und «Kompetenzzentrum» überprüft. Letztere wurde zuhanden des Grossen Rates verabschiedet. Sie sieht die Kon­zentration auf drei Standorte mit jeweils einem klaren Profil vor.

Viele Gebäude sind veraltet

Fusionen von Gemeinden, Übernahmen wie diejenige der Grossbank Credit Suisse durch die UBS sowie Standortbereinigungen sorgen in den betroffenen Regionen und teils schweizweit für Schlagzeilen. Der Aufschrei ist auch deshalb gross, weil alle sieben Inforama-Ausbildungsstätten gut in ihren Regionen vernetzt sind. Laut den Verantwortlichen spielen veraltete, sanierungsbedürftige Gebäude und Infrastrukturen eine Rolle. Der Stall auf dem Pachtbetrieb des Inforama Rütti, Zollikofen, wurde für über 4 Millionen neu gebaut, ansonsten wurde sichtlich wenig in die Inforamas investiert.

Die Mitarbeitenden nicht vergessen

Betroffen von den Schliessungen sind auch die Mitarbeitenden, die wohl meist aus der Region des jeweiligen Inforama stammen. Es kann davon ausgegangen werden, dass die viel bemühte Floskel zum Zuge kommt, ihnen an einem anderen Standort einen Job anzubieten. In der Wirtschaft wird von zumutbaren Pendelzeiten von rund zwei Stunden gesprochen. Die Strecke etwa von Bärau im Emmental nach Ins ins Seeland dauert mit öV oder Auto nicht ganz so lange. Dennoch dürfte es für einige unzumutbar sein. Dies besonders, wenn es sich um Teilzeitmitarbeitende handelt, die zu Hause noch pflegebedürftige Personen wie Kinder, Eltern oder Schwiegereltern betreuen.

Eine Schwand-Schliessung wurde noch vergangenen September verneint

AboDie Bio-Schule auf dem Schwand kommt nicht zur Ruhe.InforamaEine Petition will die Bio-Schule Schwand rettenSonntag, 11. September 2022 Befremdend mutet die Schlies­sung der Bio-Schule Schwand in Münsingen an. Sie ist auf einem Areal eingemietet, das letztes Jahr verkauft wurde. Schon länger gab es Gerüchte über eine Schliessung. Diese Zeitung hatte mehrfach nachgefragt, ob eine Schliessung zu erwarten sei. Kevin Koch, bis Ende 2022 Inforama-Direktor und damit dem Berner Amt für Landwirtschaft und Natur (Lanat) unterstellt, reagierte von dieser Frage noch vergangenen September überrascht. Er antwortete unmissverständlich: «Es gibt keine Absicht, die Bio-Schule auf dem Schwand zu schliessen.» Warum liess der Kanton die landwirtschaft­lichen Medien und damit deren Leserschaft, also die Bauernfamilien, klar auflaufen und kommunizierte nicht ehrlich? Eine solche Neuausrichtung ist kein Entscheid, der hurti am Mittwoch gefällt und am Donnerstag den Medien präsentiert wird. So was wurde von langer Hand geplant.

Das Unverständnis ist gross

Weiter erwähnte Kevin Koch im erwähnten Artikel die vom Kanton Bern lancierte Bio-Offensive 2025, welche die Nachfrage nach Bioprodukten steigern soll. Der Kanton brüstet sich immer wieder mit seiner Offensive, die eine erste, erfolgreiche Bio-Offensive ablöste. Dass dennoch die einzige von der öffentlichen Hand geführte Bio-Schule der Schweiz geschlossen werden soll, ist unverständlich. Sie bietet eine praxisbezogene Ausbildung, die auf der Rütti in Zollikofen nie so praxisnah angeboten werden könne, heisst es vonseiten Biobauern. Der Kanton Bern hat es verpasst, mit seiner Bio-Schule eine schweizweite Ausbildungsstätte für den Biolandbau aufzubauen.

Die Unterschiede zwischen Bern und Zürich

Besser wurde das im Kanton Zürich im Bereich Nutztierhaltung gelöst. Dort haben im Jahr 2017 die ETH Zürich, die Universität Zürich und das Zürcher Amt für Landschaft und Natur am Standort des landwirtschaft­lichen Kompetenzzentrums Strickhof in Lindau ein gemeinsames Bildungs- und Forschungszentrum für Nutztiere in Betrieb genommen. Dass auch der Kanton Bern durchaus Forschung mit Ausbildung vereinen kann, zeigt das Beispiel der Zusammen­arbeit des Inforama mit der Berner Fachhochschule (BFH-HAFL). Schade, wurde das bei der Bio-Schule versäumt.

Die Akteure müssen mit einbezogen werden

Noch ist aber nicht aller Tage Abend und es hätte mit der Variante «Konzentration auf einen Standort» noch schlimmer kommen können. Bevor nun die vier Inforama-Schlies­sungen zur Realität werden, müssen die Pläne des Regierungsrates die Mühlen der Politik durchlaufen. Der Kanton täte gut daran, bei allen künftigen Überlegungen und Entscheidungen die Akteure aus der Berner Landwirtschaft mit ins Boot zu holen und deren Meinung auch ernst zu nehmen. Denn das ist bislang nicht geschehen.