Zwei Wochen sind bei unserem Besuch in Sörenberg vergangen, seit er im Baselbiet zum Schwingerkönig gekrönt wurde. Er wirkt ein wenig müde, aber trotz seines hochtourig laufenden Smartphones recht entspannt. Es ist einiges zusammengekommen für Joel Wicki. Nebst dem Spitzensport und der enormen Nachfrage nach seiner Person seit dem grossen Sieg, ist er bekanntlich auch daran, ausserfamiliär und früher als geplant einen Hof zu übernehmen, die Nachholbildung Landwirt EFZ zu absolvieren, sich um das Bagger-Geschäft zu kümmern und die Jagdsaison steht auch vor der Tür.
Die Tage sind durchgetaktet
Natürlich braucht es da eine gute Organisation. «Ich muss bereits im Voraus wissen, was nächste Woche ansteht», so Joel Wicki. Das nehme dem Leben zwar leider ein wenig die Spontaneität, etwa für einen «Ausgang» abends, gehe aber aktuell nicht anders.
Unterstützt wird er dabei von seiner Familie, einem Sport-Management, Trainern und in der Landwirtschaft von seinem Firmgötti und Berufskollegen. Er versucht, sich trotz allem nicht zu verzetteln und möglichst Blöcke zu konstruieren. Etwa einen halben Tag Bereitschaft für Interviews, dann ist ein Tag reserviert fürs Güllen. Höchstleistungen sind nur möglich mit ausreichend Erholung. Im Fall von Wicki sind dies siebeneinhalb, besser acht Stunden Schlaf.
«Das entspricht nicht meinem Naturell.»
Der umtriebige Wicki sitzt nicht gerne in der guten Stube.
Kraft gibt ihm auch die Natur. «Etwas nehmen von ihr und wieder etwas zurückgeben», sagt er mehrmals im Gespräch, und es wirkt nicht aufgesetzt. Dies macht er als Landwirt und als Jäger, so ist er aufgewachsen. Jede freie Minute verbrachte er auf dem Hof seines Onkels in Sörenberg, dem Tourismusort in der Gemeinde Flühli, Biosphäre Entlebuch, nahe dem oberen Ende des Waldemmentals.
Bauern und Schwingen geht
Er könnte es hier oben auch gemütlicher haben, oder? «Das entspricht nicht meinem Naturell», sagt der 55-fache Kranzgewinner. In der Stube hocken mag er nicht. Er ist schliesslich auch nicht der erste Schwingerkönig, der im Entlebuch einen Hof übernimmt. Kollege Matthias Sempach hat es vorgemacht. Die beiden treffen sich ab und zu im Schwingkeller des Entlebucher Verbands. Mit den bäuerlichen Schwingern pflege er ein speziell gutes Verhältnis, es gebe immer einiges zu besprechen, sagt er. Allerdings fehle die Zeit für vertiefte Diskussionen. Nicht nur bei ihm. Ins Training gehen Spitzenschwinger, um zu trainieren. Dass seine sportliche Leistung leiden könnte, weil er vermehrt physisch arbeiten wird, das glaubt Wicki nicht.
Mensch wie jeder andere
Auch wenn der 25-jährige Sennenschwinger und Jungbauer in den nächsten Jahren verdientermassen auf ein schönes Nebeneinkommen als Werbeträger zählen kann, denkt er nicht, dass ihn seine Berufskollegen kritisch beäugen werden. Als Person habe er sich nicht verändert, sagt er, während er beinahe im Minutentakt vorbeifahrende Auto- und Traktorfahrer freundlich grüsst. Er sieht sich als «Mensch wie jeder andere, im Moment einfach ein wenig populärer». Nebst dem Zeitmanagement sieht er aber auch für die Berglandwirtschaft einige Herausforderungen. Etwa die Grossraubtiere und die Schwierigkeiten beim Herdenschutz. Als passionierter Holzer verfolgt er die Ausbreitung des Borkenkäfers kritisch wie auch die Auswirkungen der Klimaveränderung auf den Wald oder die Wasserversorgung der Alpweiden und Höfe ganz allgemein.
Joel Wicki, der gelernte Baumaschinenmechaniker, wählt seine Worte mit Bedacht.
Anspruch auf Privatsphäre
Er sei Schwinger und kein Politiker. Und seine Arbeit als Landwirt auf dem Hof eigentlich privat. Das musste er auch Fans geduldig erklären, die einige Tage nach seinem grossen Sieg bereits vor der Stalltür standen und schauen wollten, was denn der Wicki Joel so tue. Aber natürlich hat er eine Meinung. «Die Nutztierhaltung in der Schweiz ist auf einem sehr hohen Standard», sagt er. Und die strengen Vorschriften würden auch kontrolliert. Auf seinem künftigen Betrieb mit angrenzender Sömmerung wird er auf Mutterkuhhaltung setzen. Seine Partnerin wird ihn dabei unterstützen. In welcher Form, das solle sie selber entscheiden.
Eine gewisse Gelassenheit
Trotz aller Privatsphäre wird man ihn künftig auch als Bauer wahrnehmen. Werbemässig ist nichts angedacht. Dies müsste auch zu ihm und zu seiner Region passen.
«Die beste Betreuung beim Züchter.»
Wicki über die Zukunft von Siegermuni Magnus.
Bereits vor dem Eidgenössischen bekam er von Tierschützern besorgte E-Mails, er solle doch im Falle eines Falles den Siegermuni auf einen Gnadenhof verstellen. Joel Wicki antwortete, dass er den Muni bei seinem Züchter lassen werde und dieser dort die professionellste Betreuung erfahre. Manchmal, gerade in den Sozialen Medien, brauche es eine gewisse Gelassenheit. Noch mehr Nebenschauplätze liegen auch nicht drin – dazu sind auch des Schwingerkönigs Tage zu kurz.
Der König hat die Wahl
Heu oder Silo?
Beides. Im Herbst machen wir vor allem Grassilage. Oft reichen dann bei uns im Berggebiet die Schönwetter-Zeitfenster nicht mehr für Dürrfutter. Der Boden muss erst abtrocknen und morgens hat es schweren Tau. Auch bezüglich Gehalte und vom Fressen her macht ein Mix Sinn, finde ich.
Holstein oder Braunvieh?
Eher Braunvieh in unserer Region. Je nachdem, wo man «daheim» ist und welche Zuchtziele man verfolgt, wählt man halt die Rasse. Und dann müssen sie dem Besitzer ja auch ein wenig gefallen (lacht).
Schellen oder Trycheln?
Eher Trycheln. Damit bin ich aufgewachsen. Vor allem mit den «Bissen». Auch Schellen haben ihren Reiz, vor allem im Stall, da sie weniger laut sind.
Fondue oder Raclette
Fondue.
Fitnessstudio oder Interviewtermin
Fitnessstudio. Hier weiss ich, was mich erwartet. Es gibt einen klaren Ablauf und ich habe ein Ziel vor Augen. Interviews sind immer eine Überraschung, auch die Reaktionen darauf.
Ländler oder Rockmusik?
Beides.
Bier, Most oder Mineral?
Most, dann Mineral. Bier eher weniger.
Meer oder Berge?
Berge. So bin ich aufgewachsen und dort wohne ich. Ich mag aber auch das Meer. Man fühlt sich dann viel mehr weg von zu Hause und kann gut abschalten.