In Lostorf SO ist es ruhig nach dem Mittagessen. Vielleicht machen gerade einige seiner knapp 4000 Einwohner ein Mittagsschläfchen. Ganz am Dorfende, sozusagen im Schatten des über dem Dorf thronenden Schlosses Wartenfels, liegt der Pachtbetrieb der Familie Lisser-Béguelin. Es ist ein Zucht- und Milchviehbetrieb mit Futter- und Ackerbau. Beim Klingeln an der Haustür öffnet Jeannette Lisser. Die 36-jährige Bäuerin hat den Kuchenwettbewerb der BauernZeitung gewonnen.
Nichts gewusst
Bei Lissers ist es nicht ganz so ruhig wie im Dorf unten. Zu Besuch ist nämlich Anna Béguelin mit Familie. Sie ist die Schwägerin der Gewinnerin und sozusagen verantwortlich dafür, dass Jeannette Lisser den ersten Preis gewonnen hat. Anna Béguelin ist gelernte Köchin und Landwirtin und bewirtschaftet mit dem Bruder der Gewinnerin einen Betrieb mit Mutterkuhhaltung in Welschenrohr SO. Sie hat der BauernZeitung ein Bild des Geburtstagskuchens ihres Sohnes Michel eingeschickt. Michel wiederum ist der Gottibub von Jeannette Lisser. Diese hat ihm zum
fünften Geburtstag im letzten Oktober ihre Spezialität, eine garnierte Schwarzwäldertorte, geschenkt. Das Grundrezept der Torte ist ein Familienrezept. Jeannette Lissers Mutter, Verena Béguelin, hat es ihrer Tochter weitergegeben. Auf die Frage, was denn das Geheimnis dieser Torte ist, meint die Hobbybäckerin: «Das Biskuit, es ist nämlich ein Rouladenbiskuit. Zudem besteht die unterste Schicht Füllung aus Schokoladencreme statt Schlagrahm.» Dass ihre Schwägerin Anna Béguelin das Kuchenbild für den Wettbewerb einsandte, davon wusste Lisser nichts. «Ich habe die Familie via Whatsapp informiert und gebeten, nichts zu sagen. Tatsächlich haben alle bis zum Schluss dichtgehalten», so Anna Béguelin. Sie wollte sich auf diese Weise bei ihrer Schwägerin für all die lieben Dinge bedanken, die sie immer wieder tut. «Jeannette ist ein herzensguter Mensch.»
Backen kam später
Jeannette Lisser bäckt nicht schon seit jeher. Da sie als Bauerntochter grosse Freude an Tieren hatte, wollte sie Tierpflegerin werden. Dieser Berufswunsch erfüllte sich dann aber nicht. Deshalb schnupperte sie als Hundecoiffeuse. Der Betrieb war so begeistert von der Schnupperstiftin, dass kurzerhand eine zweite Lehrstelle geschaffen wurde. Die Lehre dauerte drei Jahre und machte der jungen Frau Spass. Auf die Frage, ob sie ihr Tier-Stylingwissen bei den Kühen einfliessen lasse, kommt es von Bauer Roland Lisser wie aus der Kanone geschossen: «Nein, das muss ich immer noch selber machen.» Lachend entgegnet seine Frau darauf: «Tatsächlich hat Roland recht. Ich pflege höchstens noch unseren Hund Belle. Ansonsten bin ich beim Kuchenbacken kreativ.» Zum Backen kam sie eigentlich erst nach der Geburt ihrer Kinder Ronny (10), Gianna (7) und Julia (12). Für deren Geburtstage wurde sie erstmals in der Backstube aktiv. Backkurse oder eine spezielle Ausbildung hat sie nicht gemacht. Ihre Mutter Verena Béguelin, die gelernte Bäckerin und Konditorin ist, war ihr Vorbild.
Mittlerweile wird in der Küche von Lissers mit Moscato und Kaffee auf den Gewinn angestossen. Aus dem Kühlschrank taucht eine fast identische Kopie der Gewinnertorte auf. Jetzt wird es hektisch. Die Torte wird bestaunt und kommentiert. Das Wasser läuft allen im Mund zusammen. Jeannette Lissers Torten sind bekannt und sehr beliebt. Und das nicht nur in der Familie. Meist bringt Roland Lisser bei Vereinsanlässen eine Tortenkreation seiner Frau mit. Die Basis besteht entweder aus Schwarzwäldertorte oder aus Cremeschnitte. Die Kuchen sind immer ein lisserisches Gemeinschaftsprojekt. Zuerst findet ein Ideensammeln in der Familie statt. Der Dekoration sind keine Grenzen gesetzt. Dann wird die Idee skizziert, diskutiert, verbessert und wenn der Entwurf für alle stimmt, wird die Kreation in der Küche auch wieder im Familienverbund umgesetzt. Deswegen wird auch immer etwas mehr Dekorationsmasse gekauft. Denn sollte einmal etwas schieflaufen, wandern die «abverheiten» Elemente schnurstracks in den Mund. Unterdessen gibt es eine beachtliche Bildersammlung aller bereits umgesetzten Kuchenprojekte; sicherlich über 25 verschiedene Sujets sind es bis jetzt. Der Hausherr kommt übrigens ganz ins Schwärmen, wenn er von den Kuchen seiner Frau erzählt, und seine Augen bekommen dabei ein intensives Funkeln.
Esther Thalmann
Videobericht mit der Preisübergabe
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