«Fünf Töchter – und wer übernimmt den Hof?» Solche Bemerkungen hört Familie Rüttimann immer mal wieder. Die Schwestern nerven sich nicht darüber, sondern halten sich den Kopf frei für Ideen, wie es auf dem elterlichen Betrieb einmal weitergehen könnte.
Die Männer sind schon da
Für das Gespräch mit der BauernZeitung haben sie sich in ihrem Elternhaus in Abtwil AG getroffen. Die gemütliche Bauernstube ist jetzt noch voller als früher, zwei der Frauen haben bereits eigene Kinder dabei. Judith hat vorher noch den Traktor zum Service in die Garage gefahren, Mutter Helena übernimmt nach der Begrüssung das Kinderhüten, Vater Bruno ist draussen am Holzen. Auf die Kommentare zu seinen fünf Töchtern pflegte er jeweils zu sagen: «Die Männer kommen dann von selber.» Und da hatte er recht. Drei Schwiegersöhne und ein potenzieller künftiger sind schon da. Gerne trinkt er mit ihnen ab und zu ein Bier nach der Arbeit und meldet sich im Familienchat, wenn er froh um Unterstützung wäre.
Die Rüttimann-Töchter
- Ursula Elmiger, Jahrgang 1991, Fachfrau Gesundheit und Fachfrau Hauswirtschaft, Ermensee.
- Judith Konrad, Jahrgang 1993, Köchin, Auw.
- Priska Rüttimann, Jahrgang 1998, Bäckerin-Konditorin, Abtwil und Rain.
- Esther Brem, Jahrgang 1996, Detailhandelsfachfrau, Rudolfstetten.
- Sonja Rüttimann, Jahrgang 2003, Abtwil. Sie ist die einzige der Schwestern, die nicht dabei ist an der Bäuerinnenschule - ihre Ausbildung zur Milchtechnologin hat Vorrang.
Spinnereien im Kopf
Die Konzentration an Fachkompetenz ist hoch in der Abtwiler Bauernstube. Die Rüttimann-Töchter haben Berufe gelernt, die in Kombination mit Landwirtschaft die Fantasie anregen. Schön wäre zum Beispiel ein Hofladen mit Hofbäckerei oder Hofmetzgerei. «Aber das sind erst Spinnereien», kommentiert Priska Rüttimann, die künftige Hofnachfolgerin nach heutigem Wissensstand. Ihr Partner ist in der Ausbildung zum Landwirt und hat keinen Familienbetrieb im Rücken. Esther und Ursula sind mit Bauernsöhnen mit eigenen Höfen verheiratet. Da würden sich Synergien zwischen den Betrieben anbieten, überlegt Esther, etwa die Abnahme von Tränkern zur Rindermast.
Alle sind in der Trachtengruppe
Fünf Kinder, keines hat Landwirtin gelernt, und doch hat das Thema richtig Fahrt bekommen in der Familie Rüttimann: Die Inspiration kommt vom Fachkurs Bäuerin am Landwirtschaftlichen Zentrum Liebegg in Gränichen AG, den die vier älteren Töchter gemeinsam besuchen. «Es hat einfach gerade für uns alle gepasst», kommentieren die Frauen die ungewöhnliche Konstellation. Auf den Geschmack hatte sie Mutter Helena gebracht, eine begeisterte Absolventin der Bäuerinnenschule am Kloster Fahr, die immer mal wieder davon schwärmte. Und so setzten sich ihre vier älteren Töchter eines Tages in ein Auto und besuchten den Infoanlass an der Liebegg. Auch das passte gerade, weil der Skitag der Trachtengruppe ausgefallen war, wo sie gemeinsam aktiv sind.
Das tönt nach sehr engen Familienbanden. «Wir sind schon Familienmenschen und gerne zusammen», erklärt Ursula, «aber wir haben auch alle unser eigenes Leben.» Priska ergänzt mit einem Lächeln: «Wenn wir einen ganzen Tag zusammen gewesen sind, tut danach etwas Luft schon gut.»
Hochschwanger an Prüfung
Anita und Linus, die beiden jüngsten in der Stube, waren in ihren ersten Lebenswochen mit an der Bäuerinnenschule, da zeigten sich weder die Lehrpersonen noch die Mütter kompliziert. Esther absolvierte hochschwanger Modulprüfungen, bügelte im Angesicht der Expertinnen Hemden und kochte Apfelmus ein, eine Woche später hielt sie Anita in den Armen. Auch Ursula setzte vor der Geburt keinen Schultag aus, dafür musste sie danach einen Gang zurückschalten wegen einer Lungenentzündung. «Da war es praktisch, dass meine Schwestern mir die Unterlagen mitbrachten und mich auf dem Laufenden hielten.» Regelmässig treffen sich die Frauen zum gemeinsamen Lernen im Elternhaus. Es geht an den Endspurt, diesen Sommer schliessen sie den Fachkurs Bäuerin ab. Danach haben alle die Berufsprüfung als Ziel.
Die Töchter sind diplomatisch
Und was sagen die Eltern Rüttimann zu ihren unternehmungslustigen Töchtern? Die beiden sind noch nicht parat fürs Altenteil, bis zum AHV-Alter dauert es zehn Jahre. «Sie hören uns einfach zu», erklärt Priska Rüttimann und stellt klar, bei einer allfälligen Übernahme würde sie den Betrieb ja nicht auf den Kopf stellen. Die Schwestern fallen mit neuen Ideen nicht mit der Tür ins Haus, sondern sind diplomatisch, wie sie es spätestens im Modul «Familie und Gesellschaft» gelernt haben. «Könnte man das eigentlich nicht auch so machen …?», tönt es in solchen Fällen.