Seitan-Schnitzel, Tofu und Rote-Bohnen-Burger – diese und weitere pflanzenbasierte Fleischersatzprodukte sind aufgrund neuer Ernährungstrends aus den Regalen der Detailhändler nicht mehr wegzudenken. Rund 20 Prozent der Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten greifen vor allem aus Abwechslungsgründen immer häufiger zu pflanzlichen Alternativen, heisst es im kürzlich publizierten Bericht «Potenzial der Ackerkulturen» des Schweizer Bauernverbands (SBV). Im Bereich der Eiweisspflanzen ergeben sich für Schweizer Produzenten daher vielversprechende Absatzchancen. Bisher wird die Nachfrage überwiegend noch mit Importprodukten gedeckt.

Pflanzenzucht wurde bisher vernachlässigt

Zu den Eiweisspflanzen, auch bekannt als Körnerleguminosen oder Hülsenfrüchte, gehören etwa Sojabohnen, ­Eiweisserbsen, Lupinen, Kichererbsen und Linsen – typische Rohstoffe für Fleischersatzprodukte. In Europa und der Schweiz werden sie immer noch wenig angebaut und zählen ausser Soja zu den Nischenkulturen. «Das hat vielerlei Gründe», sagt Agata Leska, Pflanzenzüchterin der Getreidezüchtung Peter Kunz (GZPK), anlässlich der 8. Nationalen Ackerbautagung – vom nationalen Kompetenznetzwerk Plattform Ackerbau Schweiz (PAG-CH) gemeinsam mit Agroscope, HAFL, Swiss Granum und der Agridea organisiert.

Geringe Sortenauswahl: Die Leguminosen wurden lange Zeit züchterisch vernachlässigt. Die Auswahl an geeigneten Sorten für Schweizer Klima- und Bodenbedingungen ist daher mager.

Einsatz von ausländischem Saatgut: Saatguthändler kaufen ihr Saatgut deshalb im Ausland ein, was jedoch nicht für den Schweizer Anbau geprüft wurde.

Instabile Erträge: Die Erträge könnten demzufolge enttäuschend ausfallen. Bei Hülsenfrüchten sind sie generell über die Jahre ungleichmässig, so Leska.

Schwierige Unkrautbekämpfung: Auch sind die späte Verunkrautung und die damit verbundenen Schwierigkeiten bei der Ernte noch ein grosses Problem.

Schweizer Sorten ab 2023 verfügbar

«Wir arbeiten aber daran», gibt die Pflanzenzüchterin Hoffnung. Denn Hülsenfrüchte sind nicht nur aufgrund ihrer Nachfrage attraktiv, in ihrer Fruchtfolge sind sie längst für ihren Beitrag zur Diversifizierung des Schweizer Ackerbaus bekannt. «Die Vielfalt von Kulturpflanzen kann die Ausbreitung von Krankheiten und Schädlingen verlangsamen und die Biodiversität fördern», so Agata Leska.

Die GZPK hat mit der Erbsenzüchtung vor rund zehn Jahren begonnen. In der Regel vergehen 12 bis 15 Jahre bis zur Marktreife. Leska geht deshalb davon aus, dass bis 2023 standortangepasste Sorten zur Verfügung stehen werden. Unter anderem werden sie über

  • Ertragsstabilität,
  • Standfestigkeit
  • und Mischkultureignung verfügen.

Anbau mit Mischpartner hat mehrere Vorteile

Erbsen sind vor allem als Mischkultur mit Getreide attraktiv. «In Zeiten des Klimawandels und zunehmender Wetterextreme zeigt sich, dass Mischkulturen im Vergleich mit Reinsaaten durchschnittlich stabilere Erträge erbringen», so Leska. Die höhere Standfestigkeit des Gemenges vermeidet die Lagerung, d. h. an den Boden gedrückte Pflanzen, was sich positiv auf die Erntbarkeit auswirkt. Das Anbaurisiko verteilt sich zudem auf zwei Kulturen. Bei Totalausfall der Körnerleguminose kann sich das Getreide noch entfalten und einen guten Ertrag liefern. Mischkulturen mit Hülsenfrüchten brauchen zudem keine Düngung und benötigen durch die schnelle und dichte Bodenbedeckung keine oder nur eine minimale mechanische Unkrautregulierung.

 

Linsen – Anbau in Mischkultur

In Mischkultur kann das Unkraut beim Auflaufen wie auch in der Begrenzung der Spätverunkrautung – behindert die Ernte – besser unterdrückt werden. Die Ernte ist einfacher, da die Stützfrucht die Linsenpflanzen vom Boden wegbringt. Ernteverluste werden minimiert, möglichst alle Schoten können vom Mähdrescher erfasst werden.

Mischpartner: Bewährt hat sich Leindotter – er unterdrückt das Unkraut gut und kann bei der Reinigung problemlos von den Linsen getrennt werden. 

Sorten: Für Schweizer Bedingungen geeignet sind grüne Linsen vom sog. Puy-Typ (Sorte Anicia), kleine schwarze Beluga-Linsen und braune Berglinsen, die auch geschält werden können.

Standorte: Leichte, sich schnell erwärmende Böden. Standorte mit eher wenig Niederschlag.

Zu vermeiden: Vorfrüchte mit hoher Stickstoff-Nach-
lieferung (Kunstwiese); Nach Sommerkulturen mit vielen Unkräutern.

Anbaupause: mindestens vier Jahre oder mehr.

Aussaat: Mitte März bis 20. April. Früher säen verbessert den Ertrag und  verringert das Risiko für Spätverunkrautung. 

Ernte:Mitte Juli bis Mitte August.

Wirtschaftlichkeit: Linsen 450.–/dt, Leindotter 240.–/dt. Durchschnittlicher Ertrag bei 800–1200 kg/ha. ke/Quelle Biofarm

 

Konsument muss bereit sein, mehr zu zahlen

Dass die Produktion von Hülsenfrüchten eine Chance für die Schweizer Branche ist, hat auch Landwirt und Gründer der Dicifood GmbH, Julien Bugnon aus Cottens VD, erkannt. Auf 50 Hektaren baut er nach IP-Suisse-Richtlinien unter anderem Kichererbsen und Linsen an und vermarktet diese mit weiteren Waadtländer Landwirten lokal über Dicifood. «Die Arbeitskosten in der Schweiz sind viel höher als in z. B. Kichererbsen-produzierenden Ländern. Dies bedeutet dreimal so hohe Produzentenpreise wie für importierte Kichererbsen. Das schmälert natürlich die Attraktivität für den Anbau», weiss Bugnon. Eine Chance habe der Anbau lokaler Hülsenfrüchte nur dann, wenn die Konsumenten auch bereit sind, dafür etwas mehr zu bezahlen. Auch müssen Strukturen für die Abnahme, Aufbereitung, Verarbeitung und Vermarktung gestärkt und ausgebaut werden.

 

Kichererbsen – in Reinsaat

Die Kichererbse ist an mitteleuropäische Standort- und Klimaverhältnisse weniger angepasst, da sie frostempfindlich ist und ein sonniges und warmes Klima benötigt. Bei kühleren und feuchten Bedingungen kann sie ungleichmässiger wachsen und mögliche Probleme bei Reife
und Ernte verursachen.

Standorte: Sonnenexponierte Parzellen mit guter Drainage, Lehm- und Kalkböden. PH-Wert zwischen sieben und neun.

Zu vermeiden: Hydromorphe Böden, kalte und verschlämmte Lehmböden, saure und sandige Böden, Parzellen mit ausgeprägtem Vorrat an Unkrautsamen. 

Anbaupause: Fünf bis sechs Jahre zwischen Anbau von Kichererbsen oder anderen Leguminosen auf derselben Fläche.

Aussaat: Ab Mitte April auf gut abgetrocknetem Boden.

Unkrautbekämpfung: Herbizidstrategie im Vorauflauf, da die Kultur nur wenig konkurrenzstark gegen Unkraut ist. Kaum Bekämpfungsmöglichkeiten im Nachauflauf.

Ernte: Ende August bei 16  Feuchtigkeit (begrenzte Verluste durch Kornbruch, Lose Samen in Schoten, wenn Reife erreicht).

Wirtschaftlichkeit:Durchschnittlicher Ertrag 0,5 bis 2 t/ha. Produzentenpreis bei Fr. 6.–/kg (Biofarm). Dicifood führt eine Warte-
liste von interessierten Produzenten.ke/Dicifood

 

Es fehlt immer noch an technischen Lösungen

Viele Anbau- und Verarbeitungsschritte können mit herkömmlicher Landtechnik gut umgesetzt werden, sagt Agata Leska. Bei der Erntetechnik und Trennung von Hülsenfrüchten im Gemenge mit Getreide müssten vor allem im konventionellen Anbau verbesserte technische Lösungen gefunden werden. Zudem geht aus dem Bericht des SBV hervor, dass der fehlende Grenzschutz noch ein Problem darstellt: «Die sehr tiefen Importpreise erschweren oder verhindern den Aufbau einer notwendigen Wertschöpfungskette.» Stimmten die Bedingungen, könnte gemäss SBV z. B. der ­Anbau von Erbsen unter Einhaltung der Fruchtfolgeregeln um 10'000 bis 20'000 Hektaren ausgebaut werden.

Es gibt keine Beiträge für den Anbau

Für die menschliche Ernährung zeigt sich vor allem für biologisch angebaute Hülsenfrüchte eine steigende Nachfrage. Für den konventionellen Anbau ergeben sich noch Probleme, wie sich zeigt. Darunter auch die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Getreide, Ölsaaten, Kartoffeln und Zuckerrüben. Bis auf Soja (Fr. 1000.–) wird der Anbau von Hülsenfrüchten für die menschliche Ernährung nicht mit Direktzahlungsbeiträgen unterstützt. 

 

«Konsumenten sind sehr an Linsen interessiert»

[IMG 2][IMG 2]

Hans-Georg Kessler ist Mitglied der Geschäftsleitung Biofarm, Berater und Produktmanager Ölsaaten und Ackerbau-Spezialitäten.

Herr Kessler, Biofarm übernimmt die Abnahme und direkte Vermarktung von biologisch produzierten Hülsenfrüchten. Welche sind bei Konsumenten und Landwirten besonders gefragt?

Hans-Georg Kessler: Schweizer Konsumenten sind sehr an Linsen, Kichererbsen, aber auch an Bohnen interessiert. Der Anbau von Kichererbsen ist bei unseren klimatischen Bedingungen allerdings mit einem Risiko verbunden. Klimatisch klüger wäre es, Eiweisserbsen anzubauen, die Kichererbsenprodukte wie Humus ersetzen können. Auch Dreschbohnen, dazu zählen Schwarze und Rote Bohnen, die gekocht oder in veganen Burger-Patties konsumiert werden, haben ihre Abnehmer. Für die Aufbereitung der Ernten fehlen aber noch vielerorts professionelle Infrastrukturen wie Trocknungsanlagen. Bei den Biolandwirten ist das Interesse für diese Kulturen vorhanden. Allerdings stellen Ertragsschwankungen und fehlende Direktzahlungen die Wirtschaftlichkeit in Frage. Wir hoffen, dass mit der Agrarpolitik 2022+ zumindest Extenso-Beiträge ausbezahlt werden.

Wie hoch fallen die Erträge bei diesen Kulturen aus?

Da spielen mehrere Faktoren eine Rolle, so etwa die Anbautechnik, Sortenwahl sowie Unkrautkontrolle. In einem schwachen Jahr werfen die Linsen nur 500 kg/ha ab. In einem guten Jahr sind das 800 bis 1200 kg/ha, in einem Spitzenjahr bis zu 2 t/ha. Eine interessante Kultur ist die Linse zusammen mit Leindotter. Bei Ertragsausfällen der Linse kann man mit Leindotter 600 bis 800 kg/ha ernten. Bei guten Linsenerträgen bringt man es auf 100 bis 200 kg Leindotter/ha. Der Produzentenpreis für Linsen liegt bei  Fr. 4.50/kg, für Leindotter bei Fr. 2.40/kg. Bei den Kichererbsen schwanken die Erträge zwischen 500 kg bis 1 t/ha sehr stark, daher ist der Produzentenpreis dementsprechend höher und liegt bei Fr. 6.–/kg verkäufliche Ware. Weil Kichererbsen sehr konkurrenzschwach gegenüber Unkraut sind, laufen Versuche für die Mischsaat mit Leindotter und Gerste. Getreide kann das Unkraut sehr gut unterdrücken.

Hat Biofarm die nötige Technik, die Mischungspartner voneinander zu trennen? 

Biofarm arbeitet mit Sammelstellen und innovativen Landwirten in der ganzen Schweiz zusammen, die darauf spezialisiert sind und auch die Trocknung übernehmen. Weil alles nicht an einem Ort stattfindet, gibt es zusätzliche Transportkosten, welche das Endprodukt verteuern und somit die Vermarktung erschweren. Grundsätzlich gibt es aber Konsumenten, die bereit sind, für Schweizer Qualität mehr zu bezahlen.