Steht Saatgut Schweiz (früher: Z-Saatgut Suisse) auf der Etikette, ist zertifiziertes Schweizer Saatgut drin. Es wurde auf einem von rund 1350 ausgewählten Betrieben produziert, kontrolliert, beprobt und schliesslich zertifiziert. Zuständig für die Organisation ist der Verband Swisssem.
Seit den 70er Jahren wird nahezu das gesamte Getreidesaatgut in der Schweiz produziert. Die geringen jährlichen Importe enthalten hauptsächlich Basissaatgut für Gerste, da diese in der Schweiz nicht gezüchtet wird sowie Saatgut für Grünschnittroggen.
Der Bedarf an Getreidesaatgut sinkt seit mehreren Jahren leicht. Die Agrarpolitik fördere eine extensive Landwirtschaft, erklärt Christof Rüfenacht, Geschäftsführer von Swisssem. Dadurch würden manche Getreidefelder durch extensive Wiesen oder Buntbrachen ersetzt. Entsprechend benötige es weniger Saatgut.
40 Kartoffelsorten vermehrt
Auch bei den Kartoffeln wird nahezu der gesamte Bedarf in der Schweiz vermehrt. Da es aber keine Schweizer Kartoffelzüchtung gibt, muss das Basissaatgut importiert werden. Importiert werden auch geringe Fehlmengen, denn in der Schweiz werden 40 Kartoffelsorten vermehrt. Zwar wird total genügend Kartoffel-Pflanzgut produziert, aber nicht immer in den exakt richtigen Mengen pro Sorte. Die Vermehrungsfläche ist über die Jahre hinweg sehr stabil geblieben.
Beim Mais wird heute knapp ein Drittel des Saatgutbedarfs im Rheintal und in der Waadt produziert. Laut Jürg Jost, Leiter SGE Saatgut bei UFA Samen, ist die Saatmaisvermehrungsfläche tendenziell rückläufig, weil einerseits der Schädlingsbefall steigt (v.a. Erdraupen, Krähen) und andererseits die notwendigen Bekämpfungsmittel zusehends verschwinden. In geringem Umfang wird Mais in der Schweiz gezüchtet; diese Sorten werden im Ausland vermehrt.
Bei Soja hat die produzierte Saatmenge in den letzten Jahren auf niedrigem Niveau stetig zugenommen und liegt heute bei 148 Tonnen. Das ist zweieinhalb Mal so viel wie noch vor zehn Jahren.
In erster Linie Produzenten und Preise erhalten
Zudem werden in der Schweiz verschiedene Gräser und Kleearten für den Futterbau gezüchtet. Obwohl laut Agroscope die Vermehrungsflächen seit 1999 zunehmen, wird nur ein Bruchteil von 8 Prozent in der Schweiz vermehrt (2019: 260 ha Klee, 150 ha Gräser). Immerhin stammen 40 Prozent des importierten Saatgutes aus Schweizer Zucht. Laut Christof Rüfenacht nimmt der Handel hier produziertes Futterpflanzen-Saatgut zu kostendeckenden Preisen ab. Hier gelte es in erster Linie, die Produzenten und die Preise zu erhalten.
Zuckerrüben und Raps werden in der Schweiz weder gezüchtet noch vermehrt. Im konventionellen Rapsanbau werden heute nur noch Hybridsorten eingesetzt, deren Saatgutproduktion ein spezifisches Wissen benötigt. Für die Herstellung von Zuckerrübensaatgut muss das Klima trockener sein als bei uns in der Schweiz. Trotz Klimawandel dürfte eine Vermehrung in der Schweiz riskant bleiben.
Beim Gemüse organisieren sich Betriebe selbst
Im Gemüse-, Obst- und Rebbau gibt es keine generalisierte Einfuhr von Saatgut, Setzlingen und Jungpflanzen. Jeder Betrieb organisiert sich selbst. Laut dem Verband der Schweizer Rebschulen können drei Viertel der jährlich in der Schweiz benötigten drei Millionen Jungpflanzen in der Schweiz bereitgestellt werden. Da die Rebschulen jedoch nur zehn Prozent der Pflanzen auf Bestellung produzieren, ist es schwierig, künftige Bedürfnisse vorauszusehen. Ausserdem dauert es rund zwei Jahre, um eine Jungpflanze herzustellen. Was fehlt, wird importiert.
Grundsätzlich wird die Vermehrung von Saatgut in der Schweiz seit vielen Jahren erprobt und ist im konventionellen Bereich bei leicht rückläufigen Tendenzen stabil. Die Betriebe und die Preise sollen erhalten bleiben. Bei den Ackerkulturen ist die Zusammenarbeit in den jeweiligen Branchen sehr eng. Für viele Betriebe ist die Saatgutproduktion ein Privileg und ein willkommenes Einkommen. Die Zusammenarbeit wird bisweilen über die Generationen weitergegeben. Unterstützt wird die Saatgutproduktion in der Schweiz durch Direktzahlungen (Flächenbeiträge) und Grenzschutz.
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In schlechten Jahre unbehandeltes konventionelles Saatgut
Die Produktion von Biosaatgut nimmt seit einigen Jahren stetig zu – genau wie der Biomarkt jährlich wächst. Im Getreidebau zum Beispiel steigt der Anteil Bio seit einigen Jahren jeweils um ein Prozent, wie Christof Rüfenacht erklärt.
Im Biolandbau werden keine chemischen Pflanzenschutzmittel eingesetzt, wodurch weniger rasch auf Pflanzenkrankheiten und Schädlinge reagiert werden kann. Dadurch ist es umso wichtiger, dass nicht nur unter Biobedingungen gezüchtet und vermehrt wird, sondern auch unter den klimatischen Bedingungen der Schweiz. Dennoch ist die Saatgutproduktion unter Biobedingungen eine Herausforderung. Wenn in schlechten Jahren nicht genügend Biosaatgut produziert werden kann, darf ungebeiztes konventionelles Saatgut eingesetzt werden.
Da Schweizer Knospe-Betriebe ab 2022 in der Fütterung nur noch Eiweisspflanzen aus hiesigem Anbau einsetzen sollen, dürfte die Vermehrung von Soja, Eiweisserbsen und Ackerbohnen zunehmen.
Ein Sonderfall im Biobereich ist das Gemüse. Wie im konventionellen Gemüsebau wird ein Grossteil des Saatguts und der Setzlinge importiert. Das ist auf die lange Tradition vor allem in den Niederlanden und die damit verbundene Infrastruktur und das Wissen zurückzuführen. Allerdings ist für viele Gemüsearten unter Biobedingungen selten genügend Saatgut in Bioqualität verfügbar. Als Folge muss unbehandeltes konventionelles Saatgut eingesetzt werden. Dieses wurde aber für den Einsatz mit chemischen Pflanzenschutzmitteln gezüchtet und leistet unter Biobedingungen oft keine befriedigenden Resultate. Je nach Gemüseart geht es im Biobereich also in erster Linie darum, überhaupt Biosaatgut zu erhalten. Und erst danach um die Frage, woher es stammt.
Was ist die richtige Strategie?
Würde der Import von Saatgut – wie auch von anderen Produktionsmitteln wie Treibstoff, Dünger und Futtermittel – in die Berechnung einbezogen, sänke der Selbstversorgungsgrad der Schweiz mit Nahrungsmitteln deutlich unter die meist genannten gut 50 Prozent. Die Frage stellt sich, ob der Selbstversorgungsgrad wirklich so eng gefasst werden soll. Für die Schweiz mit ihrer kleinen Fläche und den hohen Arbeitskosten ist es möglicherweise sinnvoller, die aktuelle Strategie zu verstärken: angeregter Austausch zwischen hiesigen und ausländischen Züchtern, gute Verträge und breit aufgestellte Sortenlisten mit für Schweizer Klima- und Marktbedingungen ausgewählten Sorten, die aus vielen verschiedenen Quellen stammen.
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