Vermeidbare Lebensmittelverluste sind unökologisch, nicht wirtschaftlich und gerade hinsichtlich der Diskussion um Versorgungssicherheit und Nahrungsmittelknappheit auch ein ethisches Problem. Ein Produkt nur wegen des aufgedruckten Datums oder optischer «Fehler» zu entsorgen, muss man sich schliesslich leisten können. Da Food Waste entlang der ganzen Wertschöpfungskette auftritt, ist ein gemeinsames Vorgehen der Branche sinnvoll. Genau das sieht die neue Vereinbarung vor, die am 12. Mai 2022 von 28 Unternehmen und Verbänden aus der Lebensmittelbranche sowie Umweltministerin Simonetta Sommaruga unterzeichnet worden ist.
Ein grosses Ziel und freiwillige Massnahmen
Man hat sich auf eine Reduktion des Food Waste um die Hälfte bis 2030 geeinigt, wobei 2017 als Basisjahr dient. Heute belaufen sich die vermeidbaren Lebensmittelabfälle in der Schweiz auf durchschnittlich 330 kg pro Kopf und Jahr, womit ausserdem ein Viertel der durch die Ernährung verursachten Umweltbelastung verbunden ist.
Die Massnahmen zur Reduktion von Food Waste werden gemäss Vereinigung freiwillig sein. Vorgesehen sind aber branchenspezifische Reduktionsziele, die es noch zu vereinbaren gilt.
Verschiedene Ansatzpunkte
Da unter den Unterzeichnenden Vertreter(innen) von Gross- und Detailhandel, verarbeitender Industrie, Gastgewerbe und Landwirtschaft sind, werden verschiedene mögliche Ansatzpunkte genannt:
- Verbesserte Angabe der Haltbarkeitsdauer für bestimmte Produkte
- Vermehrtes Spenden von unverkauften Lebensmitteln an gemeinnützige Organisationen
- Bessere Verpackungen für eine längere Haltbarkeit entwickeln
- Restaurantgästen das Mitnehmen von Speiseresten anbieten
- Anbauplanung optimieren, um eine Überproduktion zu vermeiden
Genaueres zum letzten Punkt war auf Anfrage der BauernZeitung bei der Swiss Retail Federation nicht zu erfahren. Es würden aber sämtliche Optionen, die zielführend zum übergeordneten Ziel führen, kritisch geprüft, versichert Direktorin Dagmar Jenni.
Auch Angestellte und Konsument(innen) miteinbeziehen
Neben Reduktionsansätzen im Betrieb geht es zusätzlich um die Sensibilisierung der Mitarbeiterschaft sowie von Konsument(innen). Die Detailhandelsorganisation Swiss Retail Federation startet mit Letzterem und informiert mit einer Grafik auf ihrer Website über die richtige Aufbewahrung von Lebemsmitteln im Kühlschrank. Überhaupt seien die Detailhändler dank ihrem breiten Angebot und ihrer Kundennähe in der Lage, nützliche Tipps an die Endverbraucher zu geben.
Fortschritte werden überwacht
Teil der Vereinbarung ist im Weiteren die Verpflichtung, jährlich die Menge an verlorenen Lebensmitteln und erzielte Fortschritte zu messen und die Daten ans Bundesamt für Umwelt (Bafu) auszuhändigen. So sollen die Unternehmen ihren Food Waste berechnen sowie das finanzielle und ökologische Einsparpotential ermitteln können.
Landwirtschaft hat nicht Priorität
Den Aufstellungen des Bafu zufolge fallen auf Stufe Landwirtschaft in der Schweiz die kleinsten Mengen Food Waste an: 197'000 Tonnen pro Jahr, gegenüber 1'205'000 Tonnen aus der Lebensmittelverarbeitung, die den grössten Anteil an den total 2'669'000 Tonnen jährlich hat. Obwohl immerhin 13 Prozent der Umweltwirkung durch vermeidbare Lebensmittelverluste in der Landwirtschaft entstehen, hat diese Stufe laut Branchenvereinbarung keine Priorität. Bei den Meilensteinen ist vermerkt, dass bis zum zweiten Quartal 2022 erste Treffen von Arbeitsgruppen stattgefunden haben sollen. Gross- und Detailhandel gelten als prioritär, gefolgt von der Gastronomie und Verarbeitung.
Ausblicke bei Fleisch und Gemüse
Alles in Allem sind mit die Branchenvereinbarung einige Pflöcke eingeschlagen worden, man hat sich zur Zusammenarbeit verpflichtet und die Fortschritte werden im Auge behalten. Die der Mitteilung beigefügten Zitate aller Unterzeichnenden betonen, was bereits alles unternommen worden ist und es kommtdie Überzeugung zum Ausdruck, mit der Vereinbarung auf dem richtigen Weg zu sein. Konkreteres gibt es von Markus Zemp und Heinrich Bucher, Präsident bzw. Direktor von Proviande. Sie wollen sich weiter dafür einsetzen, dass «alle wertvollen Inhaltsstoffe eines Schlachtkörpers sinnvoll genutzt werden.»
Auch Matija Nuic, Direktor des Verbands Schweizer Gemüseproduzenten, gibt in seinem Zitat einen kleinen Ausblick: Es brauche eine Flexibilisierung der partnerschaftlichen Zusammenarbeit über die ganze Wertschöpfungskette, um mit der kurzen Haltbarkeit und Witterungsabhängigkeit der Gemüseproduktion umgehen zu können. Zielkonflikte müssten identifiziert und Lösungsansätze harmonisiert werden, damit eingesparter Food Waste nicht zur Verschlechterung der Gesamtökobilanz führe. «In einem ersten Schritt werden wir die Branchen-Qualitätsnormen überprüfen», so Nuic.
Weitere Informationen zu Food Waste und die Bemühungen zu dessen Reduktion finden Sie beim Bafu.