Zwischen Wunsch und Realität klafft oftmals eine grosse Lücke, das musste neulich auch Coop feststellen, als man die «Schwiizer Wuche» ausrief und beim Fertigen des Prospektes merkte, upsi, es kommen ja viele Produkte heutzutage gar nicht mehr aus der Schweiz. Das Resultat war ein Aktionsblättli, das den landwirtschaftlichen Produzenten die Zornesröte ins Gesicht trieb. Neben den Schweizer Bio-Rüebli wurden Blumenkohl aus Italien, Spargeln aus Peru, Erdbeeren aus Spanien und Erdnüsse aus Ägypten als besonders kostengünstig und typisch Schweiz angepriesen.
Eine Seite weiter, neben den üblichen Schweizer «Überschuss-Schweinefleisch» zu Tiefstpreisen, werden den Konsumenten Lammracks aus Grossbritannien, Irland, Australien oder Neuseeland (von sogenannten Weltenbummlerschafen), Rindshackfleisch aus Deutschland, Dorade aus Griechenland und Lachs aus Norwegen schmackhaft gemacht. Und das alles unter dem Titel «Schwiizer Wuche».
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Es ist nunmal eine Tatsache, dass die halben Lebensmittel nicht mehr aus einheimischer Produktion stammen. Man hat den Konsumenten so erzogen, dass er jederzeit und überall alles bekommen kann und das erst noch preiswert. Die grosse Lücke zwischen Wunschdenken und Realität hat man dem Gewinn zuliebe vor den Konsumenten tunlichst verborgen. Während man sich hierzulande eine Heilewelt-Ballenbergkulisse mit friedlich grasenden Schäfchen und herzigen Wölflein zu erschaffen versucht, kommt das Lammrack längst aus einem Feedlot in Australien. Der Konsument würde gerne einheimische Lebensmittel kaufen, wenn es nur nicht so teuer wäre. Da man lieber für den Urlaub sparen möchte, greift man stattdessen zu Billigprodukten.
Der Detailhändler würde ja gerne mehr einheimische, biologische, saisonale, tiergerechte Produkte anbieten, wenn die Marge nur nicht so klein wäre. Und der Landwirt hätte auch lieber 50 Hühner mit Namen statt 2000 namenlose – die er wenn möglich vor dem Konsumenten verstecken muss – wenn er davon leben könnte. Doch dank den Detailhändlern denkt der Kunde heute, ein Huhn könne ums Haus spazieren, sein Ei auf der Heubühne legen, werde 20 Jahre alt und trotzdem koste das Ei nur 50 Rappen. Und im Zweifelsfalle ist es der Landwirt, der der Bevölkerung diesen Zahn ziehen, ihm die Realität erklären muss und schlussendlich der Buhmann ist.
Produziert wird, was sich lohnt
Vor lauter Heile-Produktewelt-Anpreisen hat man nämlich vergessen, dem Konsumenten zu sagen, dass auch auf Bauernhöfen die Marktwirtschaft gilt. Was sich nicht lohnt, wird nicht mehr produziert. Wer jahrelang den Preis drückt, muss sich nicht wundern, wenn er plötzlich aus der heilen Werbewelt aufwacht und auf den Bauernhöfen in seinen Augen eine «Massentierhaltung» antrifft. Eine Tierhaltung, die im Vergleich zum Ausland zwar noch eine heile Welt ist, aber dem projiezierten Werbebild der Detailhändler nicht standhalten kann.
Diese haben es versäumt, den Konsumenten zu sagen, dass es im Januar keine nachaltige Erbeere geben und für 3.60 Fr. / kg SG kein artgerechtes Schweinefleisch produziert werden kann. Nach dem Motto, der Aktionär und der Kunde sind König, ist man der Gewinnmaximierung auf Kosten der produzierenden Landwirtschaft hinterhergerannt.
Die Chance, die Wissenslücke zu füllen
Und jetzt wird es von einer Woche auf die andere an allen Ecken und Enden knapp und Coop muss die «Schwiizer Woche» fast ohne Schweizer Beteiligung ausrufen. Die Schweizer Landwirte mögen nicht mehr zu Tiefstpreisen produzieren und immer weiterreichende Anforderungen erfüllen. Sie mögen nicht mehr am Ende der Produktionskette als die Sündenböcke mit der Massentierhaltung und den überdüngten Böden dastehen. Zum selben Zeitpunkt, in dem die Bauern merken, dass sie lieber nichts tun, statt zu immer tieferen Preisen zu produzieren, wird es trocken, hagelt, der Welt geht Dünger, Weizen und Erdöl aus.
Es kommen anspruchsvolle Zeiten auf uns zu, in denen vielleicht bald die Frage nach dem Preis eines Lebensmittel etwas hinter die Realität des Lebens zurückstehen wird. Und vielleicht wird es wieder das was es sein sollte: Mittel zum Leben, wofür man nicht dankbar genug sein kann. Die Detailhändler könnten an dieser Stelle der Weltgeschichte dazu beitragen, bei den Konsumenten den Graben zwischen Wunsch und Wirklichkeit mit Wissen zu füllen. Im Gegensatz zu den Landwirten wissen sie offensichtlich nicht um diese Lücke, kennen nicht die harte Marktrealität, wie vergangene und kommende Abstimmungen deutlich zeigen.