Im Jahr 2019 wurde in den Kantonen Thurgau und Glarus das Projekt 3V «Verantwortung, Vertrauen und Vereinfachung» initiiert. Daran beteiligt sind das Bundesamt für Umwelt (Bafu) sowie die kantonalen Bauernverbände und Landwirtschaftsämter. Im Thurgau informierten die Verantwortlichen am 16. April über den Zwischenstand des Projektes: Mit dabei waren Vertreter des Bafu, des Verbands Thurgauer Landwirtschaft (VTL), des Thurgauer Landwirtschaftsamts, der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) und des BBZ Arenenberg. Zu Gast war man bei Familie Bachmann.
Betriebsspiegel Rosenhuben
- Betriebsleiter: Eveline und Reto Bachmann
- Ort: Frauenfeld TG
- LN: 42 ha
- Tierhaltung: 50 Milchkühe, 200 Freiland-Legehennen
- Weitere Betriebszweige: Direktvermarktung, 100 Hochstammbäume
Verantwortung, Vertrauen, Vereinfachung
«Wir wollen zusammen mit den Bauern vor Ort herausfinden, wie nachhaltig der Landwirtschaftsbetrieb tatsächlich ist und welche Verbesserungspotenziale bestehen», erklärte Hans Ulrich Gujer vom Bafu. Die erste Voraussetzung für Nachhaltigkeit sei, dass der Betriebsleiter wieder mehr Verantwortung (erstes V) übernehmen kann. Auf dieser Grundlage könne man den Bauern vertrauen (zweites V), weil sie von innen heraus motiviert seien und nicht durch Vorschriften gesteuert. Die vertrauensbasierte Zielorientierung wiederum ist die Grundlage für Vereinfachungen (drittes V).
Bauernfamilie muss dahinter stehen
Peter Schweizer, der die Beratung auf dem Betrieb Bachmann gemacht hat, hielt fest: «Die gesamtbetriebliche Sicht ist der entscheidende Punkt des 3V-Projekts.» Wichtig sei, dass alle Bereiche angesprochen werden. «Daraus entstehen neue Inputs und Gedanken, aus denen man Zielvereinbarungen entwickeln kann.» Die Umsetzung der Massnahmen sei schlussendlich ein Balance-Akt zwischen den Empfehlungen des Beraters und den Bedürfnissen des Betriebsleiters. «Das Wohlbefinden der Betriebsleiterfamilie ist ein zentraler Punkt», betonte Schweizer.
Eveline Bachmann sagte, sie sei von Anfang an überzeugt gewesen vom Projekt. «Genauso wie die Natur arbeitet, müssen auch wir arbeiten und uns weiterentwickeln. Dabei müssen alle Zahnräder ineinandergreifen: Landwirtschaft, Politik, Forschung, aber auch der Mensch.» Der soziale Aspekt ist der Bäuerin besonders wichtig. Der Bauer resp. die Bäuerin als Menschen würden in der Diskussion um Umweltschutz, Biodiversitätsförderung und Vorschriften häufig vergessen.
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Beispiele zu Ökologie und Milchviehhaltung
Wie die Umsetzung von 3V auf dem Betrieb Bachmann aussehen kann, wurde anhand der Milchviehhaltung und der Biodiversität erläutert. Jérémie Favre, Gruppe Graslandnutzung und Wiederkäuersysteme am Hafl, hielt fest, dass nebst der betrieblichen Optimierung die Entwicklung von neuen Parametern im Vordergrund steht.
Bei Bachmanns wurde für das Basisjahr 2019 eine Flächenleistung von 10'172 kg Milch pro ha errechnet. «Dies weist auf eine intensive Nutzung hin», so Favre. Mit einer Grundfutter-Leistung von 68 Prozent liegt der Betrieb in schweizerischen Mittel. Rund ein Drittel der Milch wurde aus Kraftfutter produziert. Das entspricht einer Kraftfutter-Intensität von 227 g pro kg Milch und hat eine vergleichsweise hohe Nahrungsmittelkonkurrenz von 0.93 zu Folge. Dies bedeutet, dass das verfütterte Protein nahezu gleich hoch ist wie das produzierte Protein (Milch, Fleisch) für die menschliche Ernährung.
Bei der Biodiversität steht nicht eine Ausdehnung der Flächen, sondern eine qualitative und sinnvoll auf den Betrieb abgestimmte Aufwertung im Fokus. Christian Eggenberger, Berater am BBZ Arenenberg, erläuterte: «Obstgärten werden aufgewertet, indem man gezielt Jungbäume pflanzt.» Bestehende Massnahmen sollen weiterentwickelt werden. Als Beispiel nannte er den flexiblen Schnittzeitpunkt auf Ökoflächen, um Pflanzen gezielt zu fördern.
3V-Projekt in Kürze
Das Projekt 3V wurde im Jahr 2019 ins Leben gerufen. Es hat zum Ziel, die Synergien zwischen ökologischen Leistungen und erhöhter Wertschöpfung auf den Betrieben besser zu nutzen. Durch umfassende Beratungen zusammen mit den Bauernfamilien sollen praxisnahe, unbürokratische Lösungen erarbeitet werden.
Ein besonderes Augenmerk gilt der Biodiversität. Massnahmen zur Weiterentwicklung in diesem Bereich können flexible Schnittzeitpunkte sein oder Getreidesaat in weiter Reihe zur Förderung von Feldhasen und Lerchen. Im Thurgau sind inzwischen zehn Betriebe vollständig analysiert worden und haben mit ihren Beratern konkrete Ziele vereinbart. Diese werden in den nächsten zwei Jahren umgesetzt.Finanziert wird das Projekt, das bis Ende 2022 läuft, vom Bafu. Das BLW bezahlt die Landwirte, die Kantone tragen 20 Prozent der Beratungskosten.
Neue Erkenntnisse in die Betriebsentwicklung einfliessen lassen
Bachmanns ziehen bis jetzt ein positives Fazit:
«Manchmal hatte es etwas Kies im Getriebe, aber es ging immer in die richtige Richtung»
Eveline Bachmann
Als herausfordernd empfinden sie die Komplexität des Projekts. Reto Bachmann sagt: «Das detaillierte Ausfüllen der Fragebögen, in denen wir wirklich alles angeben mussten, war ein grosser zusätzlicher Zeitaufwand. Manchmal waren es fast zu viele Informationen, die wir nebst unserer Arbeit auf dem Landwirtschaftsbetrieb verarbeiten mussten.»
Aktuell sind sie in der Planungsphase für einen neuen Milchviehstall. «Wir können da viel Wissen von 3V einfliessen lassen. Das ist sehr spannend», sagt Eveline Bachmann. Wichtig ist den beiden, dass sie durch den Neubau mehr Lebensqualität erhalten.