AboNachhaltigkeit im Detailhandel40'000 IP-Suisse-Schweine weniger: Migros baut beim Tierwohl abMittwoch, 24. Januar 2024 Auf dem Bürotisch der BauernZeitungs-Redaktion liegt die Mitteilung der IP-Suisse an die Schweineproduzenten. «Notwendige Anpassung für 2024», titelt die Organisation. Aus der Mitteilung geht hervor, dass es zu einer Anpassung des Labelanteils der IP-Suisse-Schweine bei Migros kommt. Die Detailhändlerin baue in diesem Bereich 10 % ab. Was das in Anzahl Tieren bedeutet, ist der Mitteilung nicht zu entnehmen. Diese Zahl liefert gleichentags Faire Märkte Schweiz (FMS) nach: 40'000 Schweine.

Staat als Regulator in der Pflicht

Was heisst das nun für die IP-Suisse-Produzenten? Während der Geschäftsführer der IP-Suisse nach neuen Absatzmärkten sucht, spricht Stefan Flückiger, Präsident von FMS, von einem Marktversagen und sieht den Staat als Regulator in der Pflicht. Migros publiziert im hauseigenen Magazin gleichzeitig ein weitgehend inhaltsloses Interview mit dem Chef der Supermarkt AG Peter Diethelm und doppelt mit Preissenkungen auf diversen Produkten nach. Darunter IP-Suisse-Kalbsplätzli und IP-Suisse-Rindsvoressen – dauerhaft günstig. Mehrwertprogramme als Kassenschlager.

Migros wirft IP-Suisse-Marktanteile aus dem Ladengestell und unterlässt es, der BauernZeitung bis Redaktionsschluss zu sagen, ob diese Labelschweine mit QM-Tieren ersetzt werden. Das Überbringen der Hiobsbotschaft an die Bauern überlässt die Detailhändlerin indes der IP-Suisse. Gezeichnet ist sie von Präsident Andreas Stalder und Geschäftsführer Christophe Eggenschwiler. An der gegenüberliegenden Front senkt Migros dauerhaft die Preise und spricht von einem Rekord-Umsatz. Die Detailhändlerin verfolgt offensichtlich prioritär zwei Ziele: Marktanteile und eine günstige und möglichst sichere Beschaffung.

Mehrwertprogramme werden zum Feigenblatt

Bio Suisse und IP-Suisse werden mit Aktionen wie dem Abbau von Schweinen mit mehr Tierwohl zu Feigenblättern. Das bestätigt die Detailhändlerin sogar selbst mit der im Oktober 2023 getätigten Aussage, dass diese Programme auf die Nachhaltigkeitsstrategie der Migros einzahlen würden.

Die Migros spricht in ihrer Antwort von einer Überproduktion im Schweinesektor und baut interessanterweise beim Label und nicht im konventionellen Bereich ab. Die unbeantwortete Frage nach der Substitution durch QM-Schweine deutet darauf hin, dass es sich in erster Linie um einen Labelabbau und weniger um einen Abbau in der Menge handelt. Denn Migros hat sicherlich kein Interesse daran, weniger Schweinefleisch zu verkaufen – billiger muss es werden. Bei so einer Entwicklung einfach still zu bleiben und sie ohne Gegenwehr hinzunehmen, wäre falsch, allenfalls sogar fatal.

Europas Bauern wehren sich mit Protesten

In Europa toben Bauernproteste. Die deutschen Bauern sind seit mehreren Wochen auf der Strasse, das Gewerbe hilft ihnen. In Frankreich sprengen Bauern Regierungsgebäude, sie kämpfen gegen die zunehmende Ökologisierung der Landwirtschaft. Im Osten protestieren die Bauern gegen den Zollabbau, der ihre Länder mit «billigem» ukrainischem Getreide flutet und ihre Existenz bedroht. Europas Bauern bangen um ihre Zukunft. Und die Schweiz? Hier ist es noch still. Wie der Schweizer Bauernverband in einer Medienmitteilung schreibt, hätten die Schweizer Bauernbetriebe sehr viel Verständnis für den Frust ihrer europäischen Kolleginnen und Kollegen und teilten ihre Forderungen. Hierzulande habe das Parlament glücklicherweise offenere Ohren für die Anliegen der Landwirtschaft, aber die Situation sei ebenfalls angespannt. Eines sei klar: Auch hierzulande besteht laut SBV Anpassungsbedarf. Die bereits tiefen Einkommen seien weiter gesunken und die Produzentenpreise hätten die gestiegenen Vorleistungskosten bisher nicht aufgefangen. Um Druck aus dem System zu nehmen, brauche es einerseits eine Erhöhung der Produzentenpreise um 5 bis 10 Prozent und den Verzicht auf Sparübungen bei der Landwirtschaft.

Nicht nachmachen, aber auch nicht schweigen

Die Landwirtschaft findet nicht (nur) im Bundeshaus statt. Den bedeutendsten Anteil des Einkommens und damit der Gesunderhaltung der Betriebe und der Versorgungssicherheit der Schweiz generieren die Bauernfamilien am Markt. «Wir dürfen nicht still bleiben», sagt Christophe Eggenschwiler im Dokumentarfilm über IP-Suisse. Sie gehört in der rund dreissigjährigen Geschichte der Labelorganisationen zu den aktuell wichtigsten Aussagen. Es analog der europäischen Berufskollegen zu machen, ist für die Schweiz, die mit weidenden Kühen und Schweinen im Auslauf eine sichtbare Landwirtschaft hat, kaum der richtige Weg. Aber Schweigen auch nicht.