Hurtig und mit leisem Piepen hüpfen Hühnchen mit braunem und weissem Gefieder aus ihrem Stall. «Die laufen herum und machen Hahnenkämpfe bis zum Schluss», meint Joel Lehmann stolz. Der Biobauer aus Eggiwil BE hat verschiedene Standbeine: Blüten- und Kräuteranbau, Pouletmast, und in einer Betriebszweigsgemeinschaft (BZG) auch Ackerbau, Futterbau und Schafe.
Das Sommerhalbjahr ist arbeitsreich
«Im Sommer sind die Kräuter und Blüten mein Haupterwerb», erklärt Joel Lehmann. Das erstaunt im ersten Moment, schliesslich wachsen Korn- und Sonnenblumen, Minze, Majoran, Estragon, Chili, Petersilie und Chörblichrut nur auf
0,8 Hektaren. Aber die Ernte ist mehrheitlich Handarbeit; «Von Juli bis August/September sind wir fast jeden Tag auf dem Feld und pflücken Kornblumen». Der Biobauer schätzt, dass so 700 bis 800 Arbeitsstunden pro Saison für die Ernte dieser Blumen zusammenkommen, oft 12 bis
13 Stunden am Tag. «Das ist sehr intensiv», meint er. Im Winter widmet er sich der Buchhaltung, sozusagen als Kontrastprogramm zum arbeitsreichen
Sommer.
Betriebsspiegel
Ort:Schweissberg (900 m ü. M.), Eggiwil BE
Kulturen:0,8 ha Kräuter und Blüten, 33 ha Acker- und Futterbau (wovon 29 ha von BZG-Partnern)
Tiere: 1200 Mastpoulets, Schafe (in der BZG)
Arbeitskräfte:Susanne und Joel Lehmann, sein Vater,
gelegentlich ein Angestellter oder Hilfe aus der Familie für die Ernte
Meist bewirtschaftet Lehmann seine Kräuter und Blumen zusammen mit seinem Vater. «Jemanden einzustellen ist angesichts des engen Budgets heikel», meint er. Ob es sich lohne, eine zusätzliche Arbeitskraft zu bezahlen, hänge vor allem von deren Arbeitstempo, Geschicklichkeit und Erfahrung ab.
Vier mobile Pouletställe
Momentan seien Blüten sehr gefragt. Seine ungefähr 80 kg getrocknete, reine Blüten werden in Därstetten BE von Swiss Alpine Herbs, zu Tee und Gewürzmischungen verarbeitet. Trotz des Kliopreises von 300 Franken ist der Biobauer auf weitere Einkommensquellen angewiesen. So hat er vier kleine mobile Ställe mit Mastpoulets aufgestellt und hält darin in 300er Herden total 1200 Hühnchen. Nach drei Wochen im warmen Aufzuchtstall haben die Vögel ein ausreichendes Federkleid, um vom Auslauf auf der Weide zu profitieren. Drei Viertel des Tages haben Lehmanns Bio-Mastpoulets Zugang nach draussen, was sie gerne nutzen. «Ausser wenn Schnee liegt, dann bleiben sie im überdachten Bereich. Dort sonnen sie sich aber auch bei Kälte gerne».
Aufstockung des Bestandes ist geplant
Pro Jahr verliert Lehmann etwa 30 bis 50 Hühner an Habichte. Aber der Aufwand für Schutznetze würde sich laut ihm wegen der Topografie nicht lohnen.
2019 hat Lehmann zusätzliches Land gepachtet und erstellt derzeit in Eigenbau zwei weitere Ställe, um seine Herde auf 2200 Hühner aufzustocken. «So ist der Lastwagen jeweils besser ausgelastet», meint er.
Gemeinsam Flächen nutzen
In der Region nutzen die Landwirte Synergien in einer Betriebszweiggemeinschaft. Ein Nachbar habe Milchschafe, die auf dem gemeinsamen Land weiden. Zusammen bewirtschaften die Bauern 33 Hektare für Futter- und Ackerbau sowie die Schafaufzucht. «Ich brauche die Fläche für meine Hühner wegen der Swiss Bilanz und für die Fruchtfolge der Kräuter. Aber ich hätte nicht die Zeit, die ganze Pachtfläche alleine zu bewirtschaften», erklärt Joel Lehmann das Arrangement. «Ich könnte mir die Zeit nehmen, aber auf Kosten der Kräuter.», präzisiert er.
Eine Haspel bringt Vorteile bei der Kräuterernte
Minze oder Petersilie lassen sich mit einfachen Geräten ernten. Für seine Küchenkräuter hat der Eggiwiler eine Maschine aus Neuseeland gekauft. Sie ist mit einer Haspel ausgerüstet, dank der die Kräuter besser eingesammelt werden; es landen weniger lose Stängel im Erntegut und weniger Blätter am Boden. Ausserdem sei die Schnitthöhe gleichmässiger als bei seiner alten Maschine. Die Minze wird drei- bis viermal pro Jahr geschnitten, wobei der letzte Durchgang qualitativ eher für Sirup als für Tee geeignet ist.
Trockenschrank Marke Eigenbau
Seine frische Ernte kann der Biobauer nicht lange aufbewahren. Um weite Transportwege zu vermeiden, trocknet er seine Blüten und Kräuter in zwei selbst installierten Schränken. Diese sind mit Schubladen ausgerüstet. «So können wir die Blüten von Kornblumen und Co. nach Farbe trennen. Ausserdem bleibt darin die Struktur der Kräuterblätter besser erhalten als bei einer Raumtrocknung», so Joel Lehmann. Krause Blätter seien gerade für Offen-Tee gefragt. Etwa 50 kg reine Minzenblätter kann er so in einem Gang trocknen «Diese Kapazität reicht gerade für meine Fläche», meint er. Dazu wird gestaffelt geschnitten.
Die Trockner werden mit per solar oder Heizung erhitztem Wasser betrieben, dazu läuft ein Luftentfeuchter. In den Schränken sind Blätter in zwei, Stängel in vier Tagen bei 36 Grad fertig getrocknet.
Gegenseitige Unterstützung unter Kräuterbauern der Region
Schon in der neunten Klasse habe er zum ersten Mal für eine Saison Kräuter angebaut, erinnert sich Joel Lehmann. 10 Jahre später habe ihn ein Kollege gefragt, ob er nicht auch nach Därstetten liefern wolle. Mittlerweile kultiviert er diese Kräuter im 11 Jahr. Auf dem Eggiwiler Hügel sind drei Kräuterbauern am Werk, die sich gegenseitig unterstützen, etwa wenn es ums Trocknen oder Ernten, die Lieferung nach Därstetten oder die gemeinsame Nutzung von Maschinen geht.
Ein interessantes Nebeneinkommen
«Ich komme im Kräuteranbau im Sommerhalbjahr auf etwa 1500 Arbeitsstunden jährlich, sie fallen aber an», rechnet der Biobauer vor. Etwa die Hälfte der Zeit wende er für die Blumen auf, v. a. die Ernte von Hand der verschiedenfarbigen Kornblumen. Er sieht den Kräuter- oder Blumenanbau aber auch als mögliches Nebeneinkommen, falls jemand im Sommer übrige Zeit habe. Swiss Alpine Herbs bestätigt auf Anfrage, dass man noch Produzenten für Blüten annehmen würde.