Zurzeit möchten ganz viele Leute als Erntehelfer arbeiten. Ein Grund für mich, es selber als freiwillige Spargelstecherin zu versuchen. Beim ersten Spargelbauer bekam ich, trotz meines landwirtschaftlichen Hintergrunds, eine glatte Abfuhr: Man arbeite nicht mit Freiwilligen. Man habe Angst, dass die Erntearbeiter aus Rumänien sich mit Corona anstecken könnten.
Es hat erst beim zweiten Versuch geklappt
Zweiter Versuch. Beim Spargelhof in Rafz ZH klappt es dann nach mehrmaligem Nachhaken. Dort arbeitet man ebenfalls nicht mit Freiwilligen, obwohl auf der Website ein grosser runder Button zur Vermittlungsplattform Coople weiterleitet. Es konnten genügend Arbeiter aus Rumänien und Polen einreisen. Zudem arbeitet man seit Jahren mit Flüchtlingen aus Afrika, die in Eglisau ZH und Rafz untergebracht sind.
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Man braucht ein Spargeleisen und Handschuhe
Es werden mir ein paar Handschuhe und ein Spargeleisen in die Hand gedrückt. Dann zeigt mir Sebastian aus Rumänien, wie man Spargeln sticht. Er ist seine zweite Saison hier in Rafz als Spargelstecher. Zuvor räumte er bei Edeka, ein Detailhändler in Deutschland, die Gestelle ein. Das ist der Grund weshalb er sehr gut Deutsch spricht. Zu Hause arbeitete er auf dem Bau.
Bei ihm sieht diese Arbeit ganz einfach aus. Mit Sperberaugen erblickt er das noch so kleinste Spargelspitzchen, das aus der Erde kuckt. Er legt dieses mit ein paar Fingern frei und stochert dann mit dem Eisen der Spargel nach runter und lockert dabei auch gleich noch die Erde gekonnt. Ziel ist es, eine möglichst lange Spargel zu stechen. «Das kann ich auch!», denke ich. Doch das Eisen gleitet nicht so leicht in die Erde wie bei meinem «Lehrmeister». Und auch nach mehrmaligem Stochern gibt meine Spargel einfach nicht nach.
Übung macht den Meister
Dann endlich: Meine erste gestochene Spargel ist mickrig kurz. Weiter geht es mit dem Stechen. Schon bald fühl ich mich gestresst. Alle andern sind viel schneller, und die Länge meiner gestochenen Spargeln wird eher kürzer als länger. Sebastian beruhigt mich, er hätte zwei Wochen gehabt, bis er das Spargelstechen drauf hatte im letzten Jahr. Und auch ihm bricht ab und zu eine Spitze ab. Diese werden auf dem Spargelhof Rafz zu Suppe für die Direktvermarktung verkocht.
Rücken und Hitze machen zu schaffen
Wenn man das Stechen einmal raus hat, gibt es noch eine zweite Hürde: den Rücken. Den ganzen Tag gebückt im Feld arbeiten, das ist nicht ohne. Mehr als einmal sagt Sebastian, dass er hoffe, sein Rücken mache mit. Aber er sei ja noch jung und für zehn weitere Jahre wolle er in die Schweiz fahren und Geld verdienen.
Momentan ist es April und noch herrscht eine einigermassen angenehme Temperatur. Ich will mir nicht vorstellen, wie es Ende Mai oder Anfang Juni sein wird, wenn die Temperaturen bereits sommerlich sind. Tag für Tag, von morgens bis abends an der prallen Sonne Spargeln stechen...
«Spargel stechen ist streng»
Mir fällt auf, dass nur Männer Spargeln stechen. Die Frauen auf dem Feld schlagen im Vorfeld den Plastik zurück, sammeln die gestochenen Spargeln auf, bringen sie in Kisten an den Feldrand und decken die Reihen wieder mit dem Plastik zu. Wieso das so ist? «Spargel stechen ist streng, das ist nichts für Frauen», meint Sebastian nur.
Höchsten Respekt, was da geleistet wird
Ich breche mein Experiment relativ rasch wieder ab. Ich will die Spargelstecher nicht weiter versäumen. In zwei Stunden stachen die 13 Personen 300 Kilogramm Spargeln. Dieser Leistung zolle ich Respekt, vor allem da die Spargelsaison erst begonnen hat. Ich bin mir nicht sicher, ob freiwillige Erntehelfer den Biss haben, Tag für Tag bei jedem Wetter sich den Rücken zu krümmen, dass Herr und Frau Schweizer ihre Spargeln schlemmen können.
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