Durch das Zersetzen von Pflanzenteilen im Wasser bildet sich in Mooren ein dunkelbrauner bis schwarzer organischer Boden, der Torf. Weil sein Abbau CO2 freisetzt und sensible Ökosysteme zerstört, ist Torfabbau in der Schweiz seit 1987 verboten. Trotzdem bildet Torf noch immer die Substratgrundlage für die Jungpflanzenanzucht, bei Gemüse und Kräutern gleichwohl wie bei Zierpflanzen. Jährlich werden dafür bis zu 524'000 m3 Torf importiert, der grösste Anteil stammt aus dem Baltikum.

 

Klimaverträglichkeit

Studien der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften ZHAW zeigen, dass sämtliche untersuchte Substratkomponenten (ausgenommen Kokosfasern) deutlich klimafreundlicher sind als Torf. Die Forscher beziehen sich insbesondere auf Substrate mit Holzfasern und Holzhäcksel, die als Alternative für Torf weit verbreitet sind.

 

Längerfristig müssen nachhaltigere Lösungen her. Kann Torf ersetzt werden? Philipp Trautzl, Gemüsebauberater am landwirtschaftlichen Bildungs- und Beratungszentrum Arenenberg, hat bisher nur Erfahrungen mit teilweisem Ersatz. Adrian und Yvonne Huber, Inhaber der Huplant Pflanzenkulturen AG in Hirschthal AG, produzieren seit Anfang 2015 torffrei.

LID: Herr Trautzl, wie und wo setzen Gemüsebauern und Gärtner Torf ein?

Philipp Trautzl (PT): Im Gemüsebau werden Jungpflanzen in einem sogenannten Presstopf angezogen. Es handelt sich um einen Würfel aus Substrat, der anschliessend an die Anzucht direkt so ins Feld gebracht werden kann. Aufgrund der Pflanztechnik ist es dabei wichtig, dass der Würfel formstabil ist. Torf ist klebrig und daher ein gutes Bindemedium.

Was macht den Torf attraktiver im Gegensatz zu anderen Substraten?

PT: Torf vereint viele chemische und physikalische Vorteile: er enthält keine hohen Salzgehalte und weist einen idealen pH-Wert auf, bindet kaum Stickstoff und besitzt eine gute Wasserkapazität.

Salat-Setzlinge setzt man beispielsweise direkt auf das Feld, ohne sie einzugraben. So ragen die Köpfe weiter vom Boden weg und sind besser vor Verschmutzung geschützt. Salat bildet im Anfangsstadium keinen stabilisierenden Wurzelballen, deshalb würde ein Presstopf aus anderem Substrat auseinanderfallen und liesse sich nicht mehr pflanzen.

Ist es denn überhaupt möglich, torffrei zu produzieren?

PT: Eine komplett torffreie Jungpflanzenproduktion im Gemüsebau ist derzeit aus meiner Sicht und mit der etablierten, durchgängig verbreiteten Pflanztechnik nicht möglich. Gemäss Untersuchungen der ZHAW ist eine maximale Reduktion des Torfanteils auf 50% bei Erdpresstöpfen gerade noch möglich. Dies sollte ein erster Schritt sein. Bei Torfersatzprodukten muss darauf geachtet werden, dass diese in der Umweltbilanz nicht schlechter sind als Torf, wie es z.B. bei Kokosfasern der Fall ist. Weiterhin sollte versucht werden das Volumen der Erdpresstöpfe zu verringern, um insgesamt Substrat einsparen zu können.

Herr Huber, warum haben Sie sich entschieden, den Torf gänzlich aussen vor zu lassen?

Adrian Huber (AH): Meiner Meinung nach ist der Torfverbrauch nicht mehr zeitgemäss. Die Branche arbeitet seit 60 Jahren mit Torf, wir müssen etwas finden wo wir die gleichen Pflanzeigenschaften realisieren können.

PT: Gleichzeitig müsste die energetische Bilanz besser sein als beim Torf.

AH: Deshalb setzen wir Papiertöpfchen für Gemüsejungpflanzen ein, welche mit torffreiem biologischem Substrat gefüllt sind. Diese sind ideal für den Endkunden, da er diese einzeln kaufen kann und samt Topf einpflanzen kann.

Yvonne Huber (YH): Für uns passt die torffreie Produktion ausgezeichnet, weil wir an Privatkunden, also Hobbygärtner, verkaufen. Die Papiertöpfe sind für den professionellen Anbau nicht geeignet, weil sie für die maschinelle Verarbeitung auf dem Feld nicht funktionieren und viel zu teuer sind. Eine mögliche Alternative für den professionellen Gemüsebau sind Setzlinge in Platten wie es beispielsweise in Italien praktiziert wird.

 

Torfausstiegskonzept des Bundes

Um auch im Ausland Schäden bezüglich Klima und Biodiversität zu vermindern, hatte der Bundesrat 2012 das Torfausstiegskonzept verabschiedet. Darin sind freiwillige Massnahmen der Branche vorgesehen. Im August 2019 haben sich Vertreter des produzierenden Gartenbaus, des Gartenhandels und der Erdenhersteller dazu verpflichtet, bis 2030 den Torfanteil in der Produktion von Pflanzen auf 5 Prozent zu vermindern.

 

Eine Lösung muss her, einverstanden. Aber weshalb machen Sie es nicht wie der Rest der Branche und reduzieren den Torf auf 5% (Torfausstiegkonzept Bund, siehe Infobox)?

AH: Ich kann bei einem torfreduzierten Substrat nicht kontrollieren, ob der Anteil Torf im Substrat wirklich stimmt. Deshalb gilt für mich: entweder Torf ja oder nein.

YH: Die Pflanze verhält sich mit oder ohne Torf ganz anders, die Düngung und das Wässern müssen komplett unterschiedlich ausgerichtet sein. Torf hat einen riesigen Nachteil: er ist tot und enthält keine Mikroorganismen mehr. Kompost hingegen ist voller Mikroorganismen, die die Pflanze stärken und vitalisieren.

Was verwenden Sie statt des Torfs?

AH: Wir haben zusammen mit unserem Erdlieferanten das dafür ideale Substrat entwickelt (Rindenkompost, Grünkompost, Holzfasern, Kokosfasern, Cocopeat, Perlit und Schafwolle). Der Kompost nährt die Pflanze, die Fasern fügen Struktur hinzu. Cocopeat (gewaschen und in Form gepresster Kokosfaserabfall) absorbiert Wasser und Perlit (aufgepufftes Gestein) schützt vor starker Verdichtung. Schafwolle ist der beste Langzeitdünger im Biobereich. Wichtig ist, dass das Wollfett noch dran ist, weil so der Abbau von Nährstoffen noch langsamer geschieht.

 

Huplant Pflanzenkulturen

Yvonne und Adrian Huber führen die Huplant Pflanzenkulturen AG in Hirschtal (AG) seit über 18 Jahren. Die Grossgärtnerei produziert ihre eigenen Setzlinge und verkauft Saisonflor, Kräuter, Gemüse und Grossstauden an Privatkunden. Seit 2015 ist die Produktion torffrei und seit Anfang 2019 bio-zertifiziert.

Mittlerweile fasst das Team 40 Mitarbeiter. Das betriebseigene Café ist ein weiteres Standbein nebst der Bio-Produktion von Pflanzen und dem Gartencenter mit Zier- und Nutzpflanzen.

 

Torfverbrauch in der Schweiz