Sandra Bütler erinnert sich noch gut, wie sie 2018 die Kuh Fajola vor dem Gang in den Schlachthof rettete. Fajola stand damals bei einem Milchbauern fünf Fahrminuten weg von ihrem Hof in Wädenswil und hatte soeben gekalbt. Ihr damaliger Besitzer erklärte die Kuh für «nicht melkbar». Er liess zwar dem frisch gekalbten Rind eine Dosis vom Hormon Oxytocin spritzen, damit Fajola die Milch herunterliesse – jedoch ohne Erfolg.
Als Alternative zum sofortigen Schlachten rief er Sandra Bütler an, sie könnte es doch mal bei Fajola mit Homöopathie versuchen. Denn Bütlers hatten das Kalb Fajola zwei Jahre früher verkauft, weil sie damals zu viele Kuhkälber hatten.
GG Hottinger/Bütler
Name: Generationengemeinschaft Hottinger/Bütler – Margit und Noldi Hottinger sowie Sandra und Bruno Bütler
Ort: Wädenswil (Zürich)
Nutzfläche: 40 ha (je 1,5 ha Silomais und Kunstwiese, 37 ha Naturwiese)
Viehbestand: 60 Original Braunvieh und Brown-Swiss-Kühe (durchschnittliche Jahresleistung 7500 kg Milch) 15 Toggenburger Ziegen, Pferd, Pony
Jährliche Milchmenge: 350'000 kg
Milchverarbeiter: Emmi
Direktverkauf: Milch, Milchprodukte und Fleisch der Ziegen
Innert Minuten flossen 17 Liter
Als Fajola in Bütlers Stall stand, behandelte Sandra sie mit Homöopathie – zunächst erfolglos. Daraufhin holte sie Rat vonder Beraterin des Vereins Kometian. Diese fragte alles über den Charakter der Kuh und empfahl je eine Gabe der Homöopathie-Kügeli Calcium Carbonicum am Mittag und am Abend vor dem Melken. Abends führten Bütlers die Kuh in den GEA-Melkroboter, setzten die Zitzenbecher an, und innert Minuten flossen 17 Liter Milch. Die gute Melkbarkeit blieb ohne jede weitere Behandlung erhalten, betont Sandra Bütler im Stallbüro mit Blick auf den Laufstall der 60 Kühe des Hofes. «Ich weiss, diese Geschichte löst oft ungläubiges Staunen aus, aber sie ist wahr», versichert sie. Bruno, Sandras Mann, bestätigt, dass die homöopathischen Mittel wirken. Er selber wende sie aber selten an, denn seine Frau sei die Spezialistin.
Alternative Tiermedizin
Kometian ist ein 2015 gegründeter Verein, der sich auf die Komplementärmedizin in der Nutztierhaltung spezialisiert hat. Ziele sind die Förderung und Sicherstellung der Nutztiergesundheit, die erfolgreiche Behandlung von Krankheiten sowie die Reduktion des Antibiotikaeinsatzes und von Antibiotikaresistenzen. Natürliche Personen mit oder ohne eigene Tiere sowie juristische Personen können Mitglied werden.
Wichtige Partner sind das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW), das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) sowie die Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL). Im Rahmen einer wissenschaftlichen Begleitung durch das FiBL wurden zwischen 2017 und 2020 2194 Fälle ausgewertet (88 % beim Rindvieh, davon ¹∕³ Eutergesundheit). Gemäss Rückmeldungen der Tierhalter wurde in knapp 70 Prozent der Fälle mit Komplementärmedizin und pflegerischen Massnahmen ein Behandlungserfolg erreicht, das heisst eine Heilung oder zufriedenstellende Besserung.
Das Gespür kommt mit der Zeit
Alles begann, als Sandra 2008 mit dem ersten Kind schwanger war. Sie erwarb das «Handbuch zur homöopathischen Stallapotheke» und studierte es. Parallel kaufte sie laufend homöopathische Kügeli und behandelte versuchsweise die Tiere auf dem Hof. Sie erinnert sich: «Am Anfang lief es nicht wie gewünscht.» Erst als Sandra Bütler einen Kurs bei einer Tierärztin mit einer Zusatzausbildung in Homöopathie absolvierte. Mit der zunehmenden Erfahrung entwickelte sie ein «Gspüri» und hatte erste Erfolge. 2016 trat sie dem Verein Kometian als Mitglied bei. Sie lernte, und allmählich stellten sich die ersten Erfolgserlebnisse ein. Auch Pferd und Pony sowie die Toggenburger Ziegen behandelt sie mit homöopathischen Mitteln. «Ich behandle auch mich und meine Kinder erfolgreich damit», erzählt sie.
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Genaues Beobachten nötig
Wie wirkte sich die Anwendung von Homöopathie auf das Bauernpaar aus? «Wir beide sind heute viel sensibler als früher, wenn wir unsere Kühe beobachten», stellt Bruno Bütler draussen vor dem Laufstall fest. Beide, Sandra und Bruno, achteten auf kleinste Veränderungen bei den Kühen: Stellt eine Kuh die Haare auf? Hinkt sie? Frisst sie? Käut sie wieder, wenn sie in der Liegebox liegt? Der GEA-Melkroboter misst den Leitwert der Milch für jedes Viertel separat, und Sandra Bütler beobachtet diese Messwerte genauestens. «Schlägt der Leitwert bei einem Viertel nach oben aus, behandle ich die Kuh mit Phytolacca C 200, denn das ist ein Frühwarnsignal für eine Entzündung», weiss sie. Die behandelte Kuh beobachtet Bütler in den nächsten Tagen intensiv. «Meistens kommt es gut», sagt sie.
Ein Vorteil der Behandlung mit Homöopathie sei, dass es keine Absetzfristen gebe. Zudem könne beim GEA-Roboter jedes einzelne Viertel-Gemelk separiert werden. Ganz ohne Tierarzt und Medikamente gehe es aber nicht, betont die Bäuerin. «Bei einer akuten Euterentzündung mit E. Coli oder wenn die Krankheit lebensbedrohlich ist, rufen wir den Tierarzt», betont Bruno Bütler.
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Die Kosten verteilen sich anders
Haben sich die Kosten für die Tierbehandlung seit der Anwendung von Homöopathie reduziert? Nein, aber sie hätten sich anders verteilt, hat Sandra Bütler ausgerechnet. Zusätzliche Kosten seien entstanden, weil sie ihre Homöopathie-Stallapotheke ausgebaut hätten und man öfters die kostenpflichtige Beratung von Kometian anrufe. «Die reinen Tierarztkosten sind jedoch gesunken», bestätigen beide. Sie arbeiteten nach wie vor mit dem bisherigen Tierarzt-Ehepaar zusammen. Die Frau des Bestandstierarztes habe eine Zusatzausbildung in Homöopathie und beide gäben auch Tipps für die Anwendung der Homöopathie-Kügeli. Sandra hat sich in Homöopathie weitergebildet und macht Aufzeichnungen über die Behandlungen. Bütlers machen mit bei der wissenschaftlichen Begleitung des Resssourcen-Projektes Kometian und liefern dazu Daten. Jährlich gibt es einen Kontrollbesuch durch die Projektbetreuerin und Tierärztin Ariane Maeschli.
Empfehlen Bütlers die Anwendung von Kometian auch ihren Berufskollegen? «Ja», bestätigt die Bäuerin. Aber erst, wenn sie bemerke, dass der Tierhalter geduldig im Umgang mit seinen Nutztieren sei und eine gute Auffassungsaufgabe habe. «Wenn Homöopathie anschlägt, spart man Geld», weiss Sandra Bütler. Ihr Mann schliesst das Gespräch ab mit der Feststellung: «Zentral ist, dass wir mit Homöopathie weniger Medikamente und Antibiotika einsetzen in unserem Tierbestand.»