Der Traum meines Vaters war es, eine Milchfarm mit vielen Kühen aufzubauen. Lange Jahre war es genau dies: ein Traum. Jemand, der weniger stur gewesen wäre, hätte vielleicht aufgegeben. In seinem vergriffenen Buch «Kanada einfach» schrieb mein Vater: «Ich wusste, was ich wollte – ich wollte eine Milchfarm, und nichts würde mich davon abhalten!»

Mehrmals schien der Traum zum Scheitern verurteilt. Einmal sandte Tante Martha im richtigen Moment einen Zustupf. Ein andermal wurde eine Pipeline durch unser Land gezogen und das Geld brachte uns wieder mal über die Runden.

1/0

Langsam, langsam ging es bergauf. Als mehr Land gerodet wurde, konnte Dad mehr säen. Mit dem Verkauf des Getreides kam ein wenig mehr Geld. Er kaufte immer wieder mal eine oder mehrere Kühe und produzierte mehr Rahm und Fleisch zum Verkauf. Auf die Arbeit in der Sägerei im Winter konnte er verzichten. Nach der Ernte im Herbst 1968 konnten wir es uns sogar leisten, in einem Restaurant essen zu gehen. Das war natürlich ein riesiger Event für uns alle.

Lang ersehnt: die Grosseltern zu Besuch

Im Sommer 1967 besuchten uns die Eltern meiner Mutter. Mein Grossvater Emil war nicht nur Bauer, sondern ein begnadeter Schreiner. Meine Mutter bekam endlich richtige Küchen-Kästli. Und es gab einen Anbau mit einem Badezimmer! Mit einem richtigen WC zum Spülen. Kein Gang mehr auf das kalte Plumpsklo im Wald. Heisses Wasser mussten wir zwar weiterhin auf dem Küchenherd kochen. Aber welch ein Fortschritt. Hier waren wir vielen unserer Nachbarn voraus. Sie hatten zwar einen Fernseher, wir aber ein Badezimmer.

1/0

Im Sommer 1970 kamen die Eltern von Dad. Grossvater Fritz’ Parkinson war schon fortgeschritten und so konnte er nicht so viel helfen, wie er es gerne getan hätte. Für Dad war es hart, seinen einst starken Vater so zu sehen.

Einmal ist unser Zuchtstier abgehauen. Wir Kinder mussten alle ins Haus in Sicherheit. Der Muni brüllte und scharte mit den Hufen. Mein Grossvater wollte auch helfen und meine Eltern schrien ihn an, er solle rein. Sie hatten so Angst, er würde hinfallen und vom Muni verletzt werden. Auch ich hatte Angst. Aber alles ging gut vorüber.

1/0

Dad konnte seine Eltern mit einem neuen Pick-up vom Flughafen abholen. Er freute sich, dass die Farm sich von der besten Seite zeigte. Es hatte geregnet, das Heu stand wunderbar. Dad erzählt, dass seine Eltern nervös wurden, als es nach Regen aussah. In der Schweiz kann man ein Heufeld noch schnell abräumen. Auf den kanadischen Feldern lernt man, ruhig zu bleiben. Im selben Jahr gab es eine Melkmaschine und fliessendes Wasser im Stall. Das Leben wurde allmählich etwas «gäbiger».

Immer war der Abschied von Verwandten hart. Meine Grossväter sahen den wirklichen Erfolg der Farm nie. Grossvater Emil starb bei einem Unfall im März 1973, Grossvater Fritz im Februar 1975.

Endlich ein Kontingent

Neun Jahre vergingen und noch immer hatte Dad kein Milchkontingent. Kaufen konnte man es damals noch nicht. Fort St. John hatte eine eigene Milchverarbeitung. Es wurde nur so viel Kontingent verteilt, wie sie verarbeiten konnten. Dann hörte einer der Milchbauern auf und Dad hatte genug Kühe, dass die verantwortlichen Herren sich endlich dazu entschlossen, ihm dieses Quota zu überschreiben.

1/0

Jetzt gab es ein emsiges Treiben auf der Transpine Farm. Dad hatte bereits vor einigen Jahren eine Säge gekauft und schon viel Holz gesägt, um einen neuen Stall zu bauen. Ein Milchhaus musste her. Viele Vorschriften waren zu erfüllen. In diesem Jahr, 1973, kamen immer wieder Schweizer zu Besuch, die dann länger blieben. Einer hatte Erfahrung im Holzbau, ein anderer mit Betonieren.

Wir Mädchen halfen kräftig mit. Ich war damals schon 15-jährig. Wir schaufelten Sand, Kies und Zement in den Mischer, hämmerten zigtausend Nägel ein. Dazwischen mussten wir heuen, gerade in diesem Jahr wuchs es gut. Wir Frauen halfen auf dem Feld und Bau, dazwischen musste viel Kaffee gebraut und Essen gekocht werden. Es war eine anstrengende Zeit für alle.

1/0

Der Traum hat sich erfüllt

Am 17. August wurde es sehr kalt, bis am Abend war alles mit Schnee bedeckt. Zum Glück war unser Heu alles unter Dach! Meine Schwester Rosette hatte am 18. August ihren elften Geburtstag. Der Geburtstagskuchen war schon gebacken. Am selben Abend sassen alle bei ausgelassener Stimmung um den Küchentisch und feierten. Ich denke, alle waren einfach froh um die Pause. Der Schnee verging dann schnell und die Arbeit konnte weitergehen.

1/0

Am 24. Januar 1974 wurde das erste Mal die Milch von der Transpine Farm abgeholt. Dads Traum war endlich erfüllt. Und wo war Dad? In der Schweiz. Das erste Mal, seit er vor elf Jahren ausgewandert war. Sein Vater war sehr schwach und er wollte ihn noch einmal sehen. Immerhin durfte sein Vater noch Dads Erfolg erleben.

Von diesem Tag an ging es schnell aufwärts mit der Farm. In der nächsten und letzten Geschichte erzähle ich dann, wie es weiterging bis heute.