Der Antibiotikaeinsatz in der Milchwirtschaft konnte in den letzten Jahren drastisch gesenkt werden. Es ist aber noch nicht genug: So sind auch die Trockensteller immer wieder ein Thema. Früher war es gang und gäbe jeder Kuh vor dem Ergalten einen Euterschutz mit vier Tuben zu verpassen. Heute kommt dieser nur noch bei Problemkühen zum Einsatz.
Der Antibiotikaeinsatz in der Milchwirtschaft ist unter Druck. Vor allem die Trockensteller stehen am Pranger. Viele Betriebe sind aber der Meinung, dass, wenn man keine Trockensteller mehr benutzt, es mehr zu Problemen mit Euterkrankheiten während der Laktation kommt. Was sagen Sie zu dieser Aussage?
Michèle Bodmer: Dies kann durchaus beobachtet werden, wenn man frisch auf das selektive Trockenstellen umstellt. Die Ursache hinter dieser Problematik ist häufig, dass die Managementumstellungen ums Trockenstellen nicht oder noch nicht konsequent umgesetzt werden. So ist es zum Beispiel sehr wichtig, dass die Entscheidung, bei welcher Kuh ein Trockensteller mit Antibiotika Sinn macht, systematisch gefällt wird. So sollte die Eutergesundheit der Kühe mit den drei letzten Zellzahlmessungen überprüft werden und bei erhöhten Zellzahlen auch eine Milchuntersuchung vorgenommen werden. Auch ist es wichtig, die Mastitis-Vorgeschichte des Tieres mit in Betracht zu ziehen. Einer der Schlüsselfaktoren ist aber die Reduktion der Milchleistung auf max. 15 kg vor dem Galtstellen, das berichten mir immer wieder auch Landwirte, welche das selektive Trockenstellen erfolgreich anwenden. Dies bedingt aber mittelfristig bei hochleistenden Tieren eine Veränderung in der Besamungsstrategie mit Verlängerung der freiwilligen Wartezeit.
Gibt es diesbezüglich eine Studie, in der das Problem «keine Trockensteller, dafür mehr Antibiotikaeinsatz während der Laktation» aufgezeigt wird?
Es gibt mehrere Studien, die belegen, dass durch die Senkung des Einsatzes an Trockenstellern keine signifikante Erhöhung von klinischen Mastitiden in der Folgelaktation auftreten und auch die Zellzahl im Landesmittel sich nicht erhöht (Vanhoudt et al. 2018). Dies hat auch keinen vermehrten Antibiotikaeinsatz zur Folge. Für die Schweiz wird sich in den folgenden Jahren zeigen, wie sich der Verbrauch entwickelt. Ganz klar kann es nicht das Ziel sein, dass aufgrund von reduziertem Einsatz von antibiotischen Trockenstellern ein vermehrter Verbrauch von Laktationspräparaten entsteht.
Die Holländer und die Skandinavier konnten zeigen, dass dies nicht der Fall ist.
Zu Person
Michèle Bodmer ist Tierärztin und Leiterin Bestandesmedizin Rind der Wiederkäuerklinik am Departement für klinische Veterinärmedizin der Vetsuisse-Fakultät der Universität Bern.
Bei welchen Kühen sollte man Trockensteller benutzen?
Kühe mit Zellzahlen >150 000 Z/ml im Mittel der letzten drei Messungen sollten geschalmt werden und ab Schalmtestergebnis ++ beprobt werden, sofern noch keine Milchprobe während der Laktation untersucht wurde. Diese Tiere profitieren von einer Trockenstellbehandlung. Die Milchprobe ermöglicht einen gezielteren Einsatz von Wirkstoffen. Auch Kühe mit einer Mastitisvorgeschichte in der laufenden Laktation profitieren ebenfalls von einer Trockenstellbehandlung. Keine Indikation für den Einsatz von Antibiotika ist eine hohe Milchleistung zum Zeitpunkt des Trockenstellens.
Ist es möglich, Kühe ohne Trockensteller und Zitzenversiegelung in die Galtzeit zu entlassen?
Selbstverständlich ist es möglich Kühe auch ohne Versiegler galt zu lassen. Dies sollten aber Tiere mit einer geringen Milchleistung beim Trockenstellen sein und Tiere mit einem guten Zitzenschluss.