Wer kosten verursacht, der soll dafür aufkommen. Das sei das Grundprinzip der Kostenwahrheit und einer transparenten, fairen Marktwirtschaft, schreibt Vision Landwirtschaft. Auf den Kostenverursacher im Falle der Landwirtschaft lässt sich nicht ohne Weiteres mit dem Finger zeigen: Ist der Landwirt, der Pflanzenschutzmittel einsetzt, der Konsument, der im Laden die billigsten Produkte wählt, oder der Bund, der über Direktzahlungen (Fehl)Anreize setzt?
Die Konsumenten sollten die Kosten tragen
Für Vision Landwirtschaft ist klar, dass die Konsumentinnen und Konsumenten die gesamten Kosten für Nahrungsmittel tragen sollten. Es solle aber auch Ausnahmen geben: Bei Produkten, deren Produktion besonders nachhaltig sei oder deren Konsum aus «gesundheitspolitischer Sicht angezeigt ist». Heute definiert Vision Landwirtschaft in einer Studie zur Vollkostenrechnung der Landwirtschaft drei Kostenträger:
- Konsumierende (für Lebensmittel und Dienstleistungen aus der Landwirtschaft)
- Steuerzahlende (für Direktzahlungen und andere Beiträge)
- Die Allgemeinheit (für durch die Landwirtschaft verursachte Umweltschäden)
Da die erste Gruppe laut den Berechnungen des Verbands 53 Prozent der Gesamtkosten der Schweizer Landwirtschaft tragen, Steuerzahlende und die Allgemeinheit 24 bzw. 23 Prozent, sei man von der Kostenwahrheit und damit vom Verursacherprinzip weit entfernt.
Für die Allgemeinheit besonders teuer, vom Bund am meisten gefördert
Vision Landwirtschaft stösst sich daran, dass tierische Nahrungsmittel 4 Mal stärker vom Bund gefördert werden, als die pflanzliche Produktion. Dies, obwohl Erstere nur die Hälfte der Kalorienproduktion ausmache und drei Viertel der Umweltkosten verursache. Dadurch sinken die Anteile der von Konsumierenden getragenen Kosten beispielsweise bei Fleisch.
Müssen Konsumenten doppelt so viel zahlen?
Wenn bisher nur die Hälfte der Kosten für Nahrungsmittel von Konsumenten gezahlt werden, sollten sie dann das Doppelte zahlen, damit Kostenwahrheit herrscht? Laut Vision Landwirtschaft ist dem nicht so: Die Kosten für Konsumierende sollten weniger stark steigen. Konsumentinnen und Konsumenten sollten zwar den Anteil, der heute von Steuerzahlenden getragen werden, übernehmen. Aber nur ein «kleiner Teil» der durch die Allgemeinheit bezahlten Kosten sollten ihnen angelastet werden. Diese wären bei Kostenwahrheit «viel tiefer», schreibt Vision Landwirtschaft.
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Um in die Kostenwahrheit in der Agrarpolitik zu verankern, fordert Vision Landwirtschaft einen langjährigen «Masterplan» und mehr Koordinationsarbeit bei den Strategien und Zielen des Bundes verschiedener Bereiche. (Grafik Vision Landwirtschaft)
Der Umwelt zu schaden, lohnt sich
Da die Steuerzahlenden und die Allgemeinheit etwa die Hälfte der Kosten für Lebensmittel übernimmt, «lohnen sich umweltschädigende Produktionsweisen und Konsummuster», schlussfolgert Vision Landwirtschaft. Das sei auch der Hauptgrund dafür. dass die Umweltziele in diesem Sektor nicht erreicht würden. Das Vorgehen des Bundes stehe im Widerspruch zu den Umweltzielen und der Ernährungsstrategie, der zu Folge Schweizerinnen und Schweizer zu viel Fleisch und fetthaltige Milchprodukte, aber zu wenig Getreide, Kartoffeln, Hülsenfrüchte und Gemüse essen.
Bestraft werden die Falschen
Die Folge des Ganzen sei, dass jene, die umweltschonend produzieren und konsumieren, unangebrachter Weise mehr zahlen. Die Schuldigen für diesen Systemfehler benennt Vision Landwirtschaft wie folgt: «Heute kann man weder den Landwirten noch den Konsumenten einen Vorwurf machen. Das Problem sind die agrarpolitischen Regelungen, die nicht nachhaltiges Verhalten belohnen. Und die Politiker, die nicht bereit sind, diese Regelungen zu ändern.»
Der Schweizer Bauernverband (SBV) weise zwar die Zahlen zur Kostenwahrheit «weit von sich», er vertritt nach Meinung von Vision Landwirtschaft aber die wirtschaftlichen Interessen seiner Mitglieder. Für die Agrarpolitik verantwortlich sei nicht der SBV, sonder der Bund, sprich der Bundesrat und das Parlament.
Markus Ritter verweist auf den Nutzen der Landwirtschaft
Gegenüber der SRF-Wirtschaftssendung «Eco» nimmt SBV-Präsident Markus Ritter Stellung. Er verweist auf den Ertrag und den Nutzen der Landwirtschaft im Bereich der Biodiversität, der Kulturlandschaftspflege und dem Tierwohl. Diese müsste man den Kosten gegenüberstellen, «und das hat der Herr Schläpfer sicher nicht gemacht», meinte Ritter über Martin Schläpfer, der die Vollkostenrechnung im Auftrag von Vision Landwirtschaft vorgenommen hat.
Laut den FAQ zur Studie wurde der landwirtschaftliche Nutzen allerdings durchaus miteinbezogen. Man kam dabei auf 8,5 Milliarden Franken in Form von Nahrungsmitteln und «übriger Produktion» sowie 1 Milliarde Franken für gemeinwirtschaftliche Leistungen. Dem gegenüber stehen 15,9 Milliarden Gesamtkosten (siehe Grafik oben). Der Nutzen sei auf Basis der Schweizer Produzentenpreise und Direktzahlungsbeiträgen berechnet worden.
BLW zweifelt an den Schlussfolgerungen der Studie
Das Bundesamt für Landwirtschaft BLW wollte sich gegenüber «Eco» nur schriftlich äussern. «Aus der vorliegenden Studie die Schlussfolgerung abzuleiten, dass die Massnahmen des Bundes umweltschädigende Produktionsweisen und in der Folge umweltschädigende Konsummuster unterstützen, würde zu kurz greifen, zitiert SRF das BLW. Man sei sich bei der Weiterentwicklung der Massnahmen bewusst, das gewisse unerwünschte Nebenwirkungen entstehen und schlage daher regelmässig Anpassungen an der Agrarpolitik vor.
Wege zur Kostenwahrheit
Neben einem langfristigen Masterplan, der die Kostenwahrheit in der Agrarpolitik verankern soll, schlägt Vision Landwirtschaft Massnahmen in drei Stossrichtungen vor:
- (sofort möglich): Abbau der Subventionen für nichtnachhaltige Produktion (durch den Einsatz von Pestiziden, mit importierten Futtermitteln, usw.)
- (sofort möglich): Lenkungsabgaben auf Emissionen aus zugeführten Produktionsmitteln (Pestiziden, Importfuttermitteln, Mineraldüngern, Treibstoffen)
- (längerfristig, auf Stufe Handel, auch bei Importen): Deklarationspflicht für die Umweltauswirkungen der Nahrungsmittel und darauf basierende Umweltabgaben
Mit der Forderung nach Kostenwahrheit stimmt Vision Landwirtschaft mit dem Direktor des Bundesamts für Umwelt (BLW), Christian Hofer überein. Zumindest hat Hofer erst kürzlich ebendiese Forderung bei einem virtuellen G20-Treffen zum Ausdruck gebracht.
Zu die Biodiversität schädigenden Subventionen wurde kürzlich eine Studie publiziert, die von hohen Kosten für die durch Fehlanreize verursachte Kosten ausgeht und hier ebenfalls eine Korrektur fordert.
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