Am Wochenende, einem so richtig sonnig-warmen Tag – vermutlich dem letzten für lange, lange Monate – war ich mit meinem Neffen in Zürich in der Mühle Tiefenbrunnen, der ehemaligen Wehrlimühle. Sie ist die einzige Mühle auf Zürcher Stadtboden, in welcher noch täglich gemahlen wird.
Spezialmehl für Spätzli oder Nockerln
Der Bube, in der Gastrobranche geschult, staunte mit mir über die verschiedenen Mehle, die im kleinen, aber hippen Shop in hübschen Papierverpackungen zum Verkauf angeboten werden. «Braucht es für Zopf wirklich ein eigenes Mehl?», fragte er mich verdutzt. Ja, klar. Manchmal bringe ich mir sogar ein Spezialmehl aus Wien mit, wenn ich Butternockerln mit Paprikahendl machen will (übersetzt: Spätzli mit Pouletschenkel in Paprika-Rahm-Sauce). Aber diese Butternockerln … Vermutlich ginge es mit unserem Spätzlimehl genauso gut. Aber Traditionen in der Küche darf man ruhig ausleben. Schon meine Wiener Omi verwendete jeweils «Fini’s Feinstes – besonders griffig». Der Apostroph hat mich übrigens schon als Kind gestört. Den brauchts nämlich nicht.
Gern holte ich dann aus und berichtete ihm von meinen neuesten Erkenntnissen bezüglich Weizenanbau in der Schweiz. Dass es Sommerweizen (nicht ergiebig, weniger Ertrag) und Winterweizen gebe (ergiebig, erfreulich). Der Konsument weiss das in der Regel nicht, muss es auch nicht wissen. Wir sind schon dankbar, wenn wir erstens genau dieses Mehl kaufen können, das wir zum erfolgreichen Kochen/Backen brauchen, und dieses zweitens zweifelsfrei deklariert ist. Damit meine ich vor allem, ob das Mehl für meine Zwecke tauglich ist, eben zum Beispiel für den Zopf, oder ob es eher für ein robustes Roggenbrot geeignet ist. Oder ob es sich um Dunst handelt, den ich für die Zubereitung von frischer Pasta brauche.
Ab in die Küche zum Backen
Aber natürlich schauen wir auch manchmal, woher unser Mehl denn stammt. Und ob es biozertifiziert ist. Beim Recherchieren habe ich tatsächlich die Frage gefunden, ob Mehl vegan sei. Nein, nicht zwingend, kann man mit grossem Erstaunen erfahren. Oft werde dem Mehl L-Cystein beigemengt, um den Teig elastischer und den Backvorgang schneller zu machen. Dieses L-Cystein wird aus Borsten, Federn oder tierischen Haaren hergestellt. Und das mache das Mehl zu einem tierischen Produkt, so eine deutsche Internetseite. Empfohlen werden als Alternative Kichererbsen-, Reis-, Mandelmehl.
Interessant, nicht wahr? Der menschliche Körper braucht L-Cystein, eine essenzielle Aminosäure. Diese wird in der Leber gebildet, zu wenig allerdings, und muss via Lebensmittel zugeführt werden. Oder via Apotheke, was etwas teurer sein kann. Die Tatsache, dass dieses L-Cystein aus Tierhaaren extrahiert wird, kommt einem vielleicht «grusig» vor. Aber Schlachtnebenprodukte (Gelatine), Kälbermagenenzym (Lab) und Bakterien tönen jetzt auch nicht grad so prickelnd.
Trotzdem wollen wir, die Nichtveganen, auf Pudding, Käse, Sauerkraut, Joghurt und Essig nicht verzichten. Auch nicht auf unser Mehl in all seinen Varianten. Und die alternativen Mehlsorten, siehe oben, wollen wir grad wieder für einen Moment zuhinterst im Küchenkästli verstauen. Denn – oh Schreck! – in fünfzig Tagen ist Weihnachten! Ab in die Küche und Guetzli backen!
Zur Person:
Babette Sigg Frank ist Präsidentin des Schweizerischen Konsumentenforums kf. Die Präsidentin der CVP-Frauen Schweiz schreibt regelmässig für die Rubrik «Arena» im Regionalteil Ostschweiz/Zürich der BauernZeitung.