«Mueti!»,ruft unsere jüngere Tochter ziemlich ausser Atem, noch bevor sie mit gewaltig Schwung die Haustür öffnet. Ein deutliches Indiz dafür, dass sie dringend etwas loswerden muss. «Hornlos ist sinnlos» wurde ihr auf dem Schulweg mitgegeben, sie findet das «totaaal fies» und nun schaut sie mich aufgebracht und mit grossen, erwartungsvollen Augen an. Fast muss ich mir ein Lachen unterdrücken, zumal der ursprüngliche Absender dieser Botschaft wohl eher nicht das Kind ist, aus dessen Mund der kleine Reim gekommen ist.
Zu diesem Thema bietet sich bei uns schlicht keine Angriffsfläche, wir haben unsere hornlosen Kühe gern und sind von ihrem sinnvollen Dasein überzeugt. Darum hilft als Erklärung für die Kinder bloss eine gesunde Portion Gelassenheit. Damit ist die Sache schnell vom Familientisch. Stattdessen wenden wir uns dem Mittagessen und anderem Gesprächsstoff zu.
Akzeptanz statt Schubladendenken
In meiner Gedankenwelt hingegen bleibt «Hornlos ist sinnlos» doch noch ein wenig länger hängen. Dieser kleine Vers unter Kindern wurde bestimmt arglos herausposaunt. Aber dennoch sinniere ich vor mich hin: Wieso eigentlich betreiben wir in der Landwirtschaft immer noch dieses Schubladendenken!? Wie können wir Akzeptanz verlangen für das, was und wie wir es tun, wenn im Gegenzug die aus der Reihe tanzende Nachbarsfamilie von Bauer Muster belächelt, kritisiert oder gar schikaniert wird?
Landwirtinnen und Landwirte sind leider doppelt so häufig von einem Burn-out und von Depressionen betroffen als die Allgemeinbevölkerung. Mit Sicherheit ist die hohe Arbeitsbelastung ein Hauptfaktor, ebenso der immense wirtschaftliche Druck und bedrückende Zukunftsängste. Ich bin aber überzeugt, dass eben das Umfeld auch eine sehr wichtige Rolle spielt. Wo ein wertschätzendes Miteinander vorherrscht und die eine Hand die andere wäscht, dort fühlt man sich doch wohl und in der Gemeinschaft gut aufgehoben. Die Vielfalt und Verschiedenartigkeit in der Landwirtschaft finde ich persönlich nämlich unglaublich spannend und faszinierend.
Einen Einblick in den Alltag
Das ist mitunter einer der Gründe, weshalb ich ein grosser Fan der SRF-Sendung «Landfrauenküche» bin. Das Warten hat in einer Woche zum Glück ein Ende und sieben neue, mutige Frauen stellen sich der Herausforderung. Am meisten interessiert mich unbestritten, wie der Alltag der Protagonistinnen aussieht, ihre Familien und Betriebe. Oft werden uns aussergewöhnlich persönliche Einblicke gewährt und die ungeschminkte Realität dieser Bäuerinnen flimmert über den Bildschirm.
Ich habe grossen Respekt vor all diesen bisherigen und zukünftigen Landfrauen und ihren Familien, die uns in ihre Welt eintauchen lassen und quasi als Zückerli auch immer wieder auf neue Rezeptideen bringen. Ob die Kühe im Stall von Aurelia Nauer nun hornlos sind oder nicht, ist für mich ebenso Nebensache wie die Farbe der Legehennen von Agnes Hügli. Ich freue mich auf sinnvolle Freitagabend-Unterhaltung und auf weiteres Schulweg-Geflunker.