«Die Kühe sind grösstenteils aus dem Dorf verschwunden», erzählt Emanuela Schneeberger vom Hof «under dr Chilche» im bernischen Täuffelen. Der Strukturwandel in der Region sei unübersehbar. Das sieht auch Daniel Weber, Präsident der Landwirtschaftlichen Organisation Seeland (LOS), so. Von den 1954 noch 48 Milchproduzenten der Gemeinde Täuffelen Gerolfingen seien mittlerweile nur noch zwei übrig. Auch das Ehepaar Thomas und Emanuela Schneeberger gehört zu den ehemaligen Milchproduzenten. Sie haben 2013 das letzte Mal ihre Kühe gemolken. Um die damalige Tierschutzverordnung zu erfüllen, hätten sie ihren Milchviehbestand stark minimieren müssen. «Das hat sich nicht rentiert», erklärt Thomas Schneeberger.

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Neue Wege gehen

Entgegen den Trends im Strukturwandel, die kleine Betriebe immer seltener und spezialisierter werden lassen, machen Schneebergers weiter und setzen dabei auf Vielfalt. Das Paar hält in seinem Anbindestall seit 2013 26 Rinder in Pension zur Aufzucht oder für die Galtphase.Auf ihrer Betriebsfläche be-treiben sie ausserdem Acker-, Futter- und Gemüsebau. Im März 2020 kamen zusätzlich hornlose Gämsfarbige Gebirgsziegen hinzu.

Die Milchrasse ist schweizweit die häufigste Ziegenrasse und sticht mit ihrer hohen Milchleistung von durchschnittlich 750 Kilogramm und überdurchschnittlichen Milchgehalten hervor.

Strukturwandel schreitet voran

Der Strukturwandel in der Schweizer Landwirtschaft verläuft zwar laut einer Studie von Agroscope langsamer als z. B. in Deutschland, doch lässt er auch hierzulande die Betriebe immer weniger werden und die verbliebenen wachsen. Vor allem kleine Betriebe unter 30 Hektaren werden seltener und spezialisieren sich zunehmend. Dieser Trend ist vor allem in der Tierhaltung zu beobachten. So halten immer weniger Betriebe Milchkühe oder Schweine.

Laut Daniel Weber, Präsident der Landwirtschaftlichen Organisation Seeland (LOS), findet diese Entwicklung im Berner Seeland schon seit 50 bis 60 Jahren statt. Die Betriebe setzten lieber auf Gemüse- und Obstbau, oder führten den Hof nur noch im Nebenerwerb weiter. Hinzu kommt: «Es fehlt schlichtweg die Nachfolge bei den Betriebsleitern, so dass wir mit jedem Generationswechsel mindestens die Hälfte der Betriebe verlieren», so Weber. 

Vom Büro in den Melkstand

Thomas und Emanuela Schneeberger betreiben den Familienbetrieb in dritter Generation. Der 44-Jährige ist gelernter Landwirt und auf dem Betrieb aufge-wachsen. Emanuela Schnee-berger stammt hingegen aus der Stadt und kam der Liebe wegen auf den Bauernhof. Die gelernte Bankkauffrau entschloss sich im Jahr 2018 nach einem Jobverlust Vollzeit auf dem Familienbetrieb anzufangen.

Damals arbeitete neben ihrem Mann auch noch ihr Schwiegervater auf dem Betrieb. «Wir haben gesehen, dass wir fast zu wenig Arbeit haben, wenn wir alle davon leben wollten.» Kurzerhand entschlossen sie sich, einen weiteren Betriebszweig mit den Milchziegen aufzubauen. «Wir wollten keine direkte Konkurrenz zu den anderen Hofläden im Dorf sein, die viel Gemüse und Früchte anbieten, sondern etwas Besonderes produzieren, was man nicht überall bekommt», begründet die gebürtige Stadtbernerin die Wahl der Tiere.

Duft mit Konfliktpotenzial

Während in weiten Teilen der Welt im März 2020 die Corona-Pandemie ausbrach, zogen bei Schneebergers 15 Geissen und fünf Gitzis ein. Das Paar kaufte die Tiere bei mehreren Schweizer Betrieben zu. Auch Bock Amedeus ist Teil der Herde. «Die Geissen wollen vor dem Herbst nichts vom Bock wissen», erklärt Emanuela Schneeberger. Deshalb verbringe er den Sommer auf einer Bockalp. Das funktioniere hervorragend, auch wenn er dort der einzige Enthornte auf der Weide sei. Auch die Nachbarn hätten sich gefreut. Der strenge Geruch des Bockes habe im Sommer, wenn alle in ihren Gärten sassen, allerdings zu einigen Beschwerden geführt.

«Wir sind sicher speziell, dass wir zurück zur Milchproduktion gehen.»

Emanuela Schneeberger aus Täuffelen BE.

Kreativer Stallbau

Erfinderisch zeigte sich das Paar beim Bau des Ziegenstalls. Dort, wo einst das alte Konservierungssilo und Kälberbuchten waren, treiben heute über 20 Ziegen ihr Unwesen. Der vorhandene Platz hätte laut Tierschutzgesetz nur für zwölf Geissen gereicht, deshalb bauten sie eine zweite Etage aus Holzbrettern ein. «Die Geissen haben nun eine Duplex-Wohnung», scherzt Emanuela Schneeberger. [IMG 3]

Ein Plan B musste her

In der Anfangszeit lieferte Emanuela Schneeberger die Milch ihrer Ziegen an eine Käserei in Uettligen BE. Diese hatte jedoch bereits nach wenigen Monaten keine Kapazitäten mehr, die Ziegenmilch zu verarbeiten. Eine neue Lösung musste her. «Wir haben gerechnet und gerechnet, ob es sich lohnt, eine eigene Käserei zu bauen», erzählt die 43-Jährige. Letztlich kamen sie zum Schluss, dass es sich rentiertund so entstand im früheren Milchtankraum und Werkzeug-lager in nur wenigen Monaten eine kleine Käserei. Dort kann man sich gerade einmal um die eigene Achse drehen. Doch Emanuela Schneeberger scheint zufrieden mit ihrem kleinen Reich, wo sie drei Sorten Ziegenkäse produziert. Dafür habe sie einige Käserkurse besucht und ein Praktikum in der Käserei in Uettligen absolviert.

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Ein Hauch Italien

Für die Direktvermarktung des Käses wurde die alte Garage zum Hofladen umfunktioniert. Jeden Samstagmorgen können dort Kund(innen) Käse (Halbharter und Mutschli), Frischkäse und Fleisch der Geissen und Gitzi kaufen. Ausserdem bietet Emanuela Schneeberger Eingemachtes an. «Da habe ich meine Wurzeln einfliessen lassen.» Ihre Eltern stammen aus Italien und kamen in den 70er-Jahren in die Schweiz. Sie stellt z.B. typisch italienische Tomatensauce und kleine gefüllte Paprikas, sogenannte Papacelle, her.

Absatz läuft gut

«Marketing ist das A und O», betont Emanuela Schneeberger. Bisher kämen ihre Kund(innen) fast alle aus der Region und nur selten würden Ortsfremde zufällig auf den kleinen Hofladen stossen. «Wir liegen leider nicht an einer Durchgangsstrasse, sondern etwas versteckt», erklärt Thomas Schneeberger. Auch deshalb haben sie nun in der Umgebung Werbeschilder aufgestellt.

Neben dem Hofladen vermarkten sie ihren Käse an die Landi Seeland, an einige Marktfahrer und an ein Bistro am Bieler See. «Da sich aufgrund der Pandemie die Regelungen für Märkte ständig änderten, habe ich dieses Jahr keine Märkte mitgemacht», so Emanuela Schneeberger. Trotzdem zieht das Paar eine positive Bilanz, sie seienmit dem bisherigen Absatz zufrieden. Die Winterruhe wollen sie nun nutzen, um auch Hof-läden in der Umgebung für die Vermarktung ihres Käses anzufragen.

Betriebsspiegel

Name: Hof under dr Chilche
Arbeitskräfte: Thomas und Emanuela Schneeberger
Ort: Täuffelen BE
Fläche: Zwischen 20 und 30 Hektaren
Tierbestand: 26 Rinder, 21 Gämsfarbige Gebirgsziegen,2 Jungziegen, 1 Bock
Label: IP-Suisse
Milchmenge: 12 000 Liter (jährlich)