Der Bison ist ein Symbol von Kraft und Freiheit; er steht aber auch sinnbildlich dafür, wie eine ganze Spezies innert kürzester Zeit beinahe ausgerottet worden wäre. Wer privat Bisons halten will, muss sich bewusst sein, dass dies nicht ganz einfach und nicht ganz ungefährlich ist.
Ein Stück Prärie im Aaretal
Seit 2004 gehört der Gutsbetrieb Tägermatt in Münsingen bei Bern zur Stiftung Bächtelen, die Menschen mit besonderem Förderbedarf eine Grundausbildung ermöglicht. Knapp ein Jahr nach der Betriebsübernahme hat die Stiftung mit der Haltung einer Bisonherde begonnen. Die Tiere stellen einerseits eine regionale Attraktion dar, liefern andererseits aber auch Fleisch. Obwohl die grossen, braunen Tiere einen friedlichen Eindruck machen, sollte man sich nicht in ihr Gehege wagen. «Unsere Bisons sind und bleiben Wildtiere», sagt Ruedi Tschirren, der als Fachmitarbeiter Landwirtschaft für die Stiftung arbeitet. «Das prägt unseren Umgang mit der Herde ganz entscheidend.»
Starker Herdentrieb
«Bei uns gilt als erste Regel: Niemand betritt je das Gehege», stellt Ruedi Tschirren klar, als er sich der Bisonanlage nähert. Bisons seien nicht etwa böse, versichert er. Vielmehr hätten die Tiere einen unglaublich starken Herdentrieb, der gefährlich werden könne. «Ein Bison rennt 50 bis 60 km/h schnell. Wenn die ganze Herde in Bewegung gerät, ‹räblet› das gewaltig», erzählt Tschirren. Umso wichtiger sei deshalb ein fester und sicherer Zaun, der die Tiere am Ausbrechen und Menschen am Eindringen hindere. So ein Zaun sei nicht ganz billig, fährt Tschirren fort und betont, dass der Zaun in der Tägermatt vom Kanton inspiziert und für gut befunden worden sei.
Auf der Bisonanlage mit dem kleinen Stall grasen aktuell zwölf ausgewachsene Tiere und drei Kälber. Unangefochtener Chef auf der Weide ist der Stier, der seine Herde unerbittlich verteidigt. Auch gegen potenzielle Konkurrenz setzt er sich durch, so dass es zu Konflikten mit den jüngeren Bullen käme, wenn man diese nicht auslagern würde. «In Freiheit würden die Jungbullen in eigenen kleinen Gruppen umherziehen. Seit 2011 können wir unsere ‹Jungmannschaft› auf einem zweiten Betrieb am Gurten weiden lassen, bis sie mit vier bis sechs Jahren die Schlachtreife erreicht haben», erklärt Ruedi Tschirren.
Haltung braucht viel Platz
Damit eine Bisonherde genügend Auslauf hat, brauchen die Tiere viel Platz. In Münsingen stehen den zwölf Tieren 3 ha Weideland zur Verfügung. «Der Bison ist ein Raufutterverzehrer und braucht altes Futter. In Freiheit ziehen die Herden in der Prärie immer dem alten Gras nach», sagt Tschirren. Das Grünfutter hierzulande sei hingegen oftmals zu jung und gerade im Frühling zu proteinreich, weshalb dann eine erhöhte Durchfallgefahr bestehe. «Wir füttern deshalb viel Stroh und altes Heu zu», fährt der Berner fort.
«Was die Menge anbelangt, lässt sich der Bison etwa mit dem Hausrind vergleichen. Ein ausgewachsenes Tier frisst je nach Weide und Grasqualität rund 17 Kilo am Tag.»
Kein Name, keine Marke
Die Bisons in der Tägermatt tragen keine Namen und auch keine Ohrmarken. «Nur unser erster Muni, den wir 2005 mit drei Kühen gekauft haben, hatte einen Namen; der hiess Big Joe. Unsere Tiere sind aber nicht handzahm und würden nicht auf einen Namen hören», sagt Ruedi Tschirren.
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Bisonfleisch gilt als Delikatesse, denn ist sehr feinfasrig und enthält nur wenig Cholesterin. Falsch gebraten wird es jedoch rasch sehr zäh. Die Schlachtausbeute eines bisons liegt bei 25 bis 30 Prozent des Gesamtgewichts. (Bild lja)
Weil man sich den Tieren nicht nähern kann, sind tierpflegerische Eingriffe, wie etwa Massnahmen zur Klauenpflege, nicht möglich. «Mit den Klauen haben wir eigentlich nie Probleme, die laufen sich die Bisons selber ab. Auch wenn ein Tier krank ist, sind uns die Hände gebunden. Da muss man einfach die Natur walten lassen», berichtet Tschirren.
Aus dem selben Grund tragen die Bisons in der Tägermatt auch keine Ohrmarken. «Wenn ein neues Kalb geboren wird, melden wir die Geburt, damit das Tier in der Tierverkehrsdatenbank verzeichnet ist und eine Nummer bekommt. Die Marke stecken wir erst, wenn ein Tier den Betrieb tot verlässt», erklärt der Fachmann.
Attraktion und Fleisch
Die Herde in Münsingen sei bald zu einer richtigen Attraktion geworden, die vor allem bei schönem Wetter viele Neugierige anziehe, berichtet Ruedi Tschirren. Die Bisons liefern aber auch exquisites Fleisch, das die Stiftung zum Teil selber verwertet und zum anderen Teil im Hofladen der Tägermatt und an wenige private Kunden verkauft. «Bisonfleisch ist cholesterinarm und sehr feinfaserig», schwärmt Tschirren. «Es ist aber nicht ganz einfach zu kochen. Liegt es zu lange in der Pfanne, wird es zäh wie Leder», ergänzt er und lacht.
Schlachtung nicht auf Vorrat
Obwohl Bisons imposante Geschöpfe sind, werden sie ähnlich schwer wie Hausrinder. Kühe bringen zwischen 600 und 800 Kilogramm auf die Waage, Stiere zwischen 1200 und 1300. Die Schlachtausbeute liege bei knapp 30 Prozent des Gesamtgewichts, sagt Ruedi Tschirren.
Geschlachtet wird auf dem Betrieb erst, wenn klar ist, wie das Fleisch verwertet wird. Aber wie schlachtet man so ein grosses Tier? «Unsere Bisons kommen hier zur Welt und sie verlassen den Betrieb nicht lebend», erklärt Tschirren. Geschlachtet werde jeweils früh am Morgen. «Wir trennen das betreffende Tier für ein paar Tage von der Herde ab. Dann bestellen wir einen Jäger und einen Metzger, die den Abschuss in den Nacken vornehmen», fährt er fort. Sobald das Tier tot ist, wird es mit dem Hoflader aufgehängt und man lässt es ausbluten, bevor es in die Metzgerei gebracht wird. «Unser Metzger ist wie unser gesamter Betrieb Bio-zertifiziert», stellt Ruedi Tschirren klar.
Besonders gefragt ist natürlich das Bisonfilet, für das man mit einem Preis von rund 130 Franken/kg rechnen muss. Beliebt seien aber auch die Bison-Trockenwürste, verrät Tschirren und fügt lachend an: «Die schmecken wirklich sehr gut, man muss sie nicht kochen und kann deshalb nichts falsch machen.»
Bis fast zur Ausrottung gejagt
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Die Bisonjagd wurde als dynamisches, emotional packendes Sujet häufig gemalt. Dieses Bild aus dem 19. Jahrhundert stammt von John Mix Stanley, der meist nordamerikanische Ureinwohner und Landschaften malte. (Bild Pixabay)
Der Nordamerikanische Bison ist das grösste Landsäugetier des Kontinents. Dabei existieren in Nordamerika zwei Unterarten: Während der Präriebison in der nordamerikanischen Prärie beheimatet ist, zieht der Waldbison den Schutz der ausgedehnten Wälder vor.
Der gemeinsame Vorfahr beider Arten stammt aus Europa; Nordamerika erreichte er vor rund 1,5 Millionen Jahren über eine Landbrücke zwischen den beiden Kontinenten. Bis zur Kolonisierung Amerikas und ihrer intensiven Bejagung durch die Europäer lebten Bisons in vielen Gegenden Nordamerikas. Der gesamte Bisonbestand vor der intensiven Bejagung durch die eingewanderten Europäer kann nur annähernd geschätzt werden. Die aktuellsten Schätzungen gehen von 25 bis 30 Millionen Tieren auf dem gesamten Kontinent aus. Die Herdengrössen variierten dabei je nach Jahreszeit und Gebiet; teilweise schlossen sich mehrere Tausend Tiere zusammen.
Die Geschichte der amerikanischen Ureinwohner ist eng verflochten mit der des Bisons. Die grossen Tiere boten den Indianern nicht nur Nahrung, sondern auch Rohstoffe zur Herstellung von Dingen des täglichen Bedarfs. Während die gemässigte Jagd der Ureinwohner und der Hunger der weissen Siedler die Bestände lange nicht gefährdet hatten, besiegelte eine technische Neuerung in der Gerberei deren Schicksal. Da das zähe Bisonleder enorm gefragt war, wurde der Bison ab 1870 systematisch bejagt. Besonders verheerend wirkte sich die Erschliessung des Westens durch die Eisenbahn aus. So konnten die Jäger die Büffel bequem aus dem Zug heraus erlegen, um ihnen anschliessend die Haut abzuziehen. So wurden die Bestände so stark dezimiert, das Ende des 19. Jahrhunderts nur noch knapp 1000 Bisons in Freiheit lebten. Heute gilt der Bison als das Nationaltier Nordamerikas und der Erhalt der Art wird stark gefördert.