Orpheus hat es Ende 2021 mit einem Gesamtzuchtwert (ISET) von 1271 Punkten auf den zweiten Platz bei den Swiss-Fleckvieh-Stieren geschafft. GrüGru Orpehus ist ein Odyssey-Sohn aus einer Pierolet-Tochter und wurde von Hans und Martin Grünenwald aus dem bernischen Zweisimmen gezüchtet. Wer die Werte des Stiers betrachtet, stolpert relativ rasch einmal über eine Zahl. Orpheus vererbt –469 kg Milch.

Milch nicht wichtig?

Ein Stier ganz weit vorne in einer Rangliste, der die Nachzucht im Bereich der Milch verschlechtert. Wie ist so etwas möglich? Verfolgen die SF-Züchter mit ihren Tieren etwa ein Ziel, bei dem das Milchleistungspotenzial eine untergeordnete Rolle spielt? Stefan Schumacher, Präsident der Rassenkommission Swiss Fleckvieh bei Swissherdbook weiss die Antwort. Wir haben nachgefragt.

Nicht mit RH vergleichen

AboSF-Stiere, wie dieses Prachtsexemplar, kämpfen mit Konkurrenz. Viele SF-Züchter greifen immer wieder zu RH- oder SI-Stieren und produzieren damit C-Tiere. Da gäbe es nur einen Ausweg: Konsequent SF einsetzen und die Rasse damit unterstützen. (Bild sb)ViehzuchtSwiss Fleckvieh verliert immer mehr reinrassige TiereDienstag, 12. Januar 2021 «Wenn wir betrachten, wie stark dieser Stier in den Inhaltsstoffen vererbt, dann relativiert sich das Minus in der Milch», sagt Stefan Schumacher. Dennoch scheint so etwas, zumindest bei milchbetonten Rassen, kaum denkbar. Ein möglicher Vergleich mit der RH-Rasse kommt für Schumacher aber nicht infrage. Auch wenn der Vergleich, wie beispielsweise auf einem Schauplatz, ein wichtiges viehzüchterisches Instrument sei, hier sei es unnötig. Zudem sei ein Eins-zu-eins-Vergleich auch nicht möglich; zur Erklärung nimmt er die Umrechnungstabelle zur Hand. «Nehmen wir einmal die Zellzahlen: Wenn ein RH-Stier hier einen Wert 100 aufweist, würde er als SF-Stier nur 95 erreichen», erinnert der Kommissionspräsident. Und das sei einfach nicht das Gleiche. Wenn die Inhalte der Umrechnungstabelle nicht bekannt seien und nicht berücksichtigt würden, vergleiche man stets Birnen mit Äpfeln. Also unbefriedigend. 

«Während die Rasse SF im Merkmal Milch gegenüber der RH-Rasse abfällt, hat sie im Gegenzug bei der Zellzahl die Nase vorn. Noch besser steht dort die Simmentaler-Rasse da», ergänzt er und erinnert auch hier, dass die Zahlen nicht wahllos verglichen und interpretiert werden können. 

Taschenrechner reicht nicht

Dass es tatsächlich nicht ganz so einfach ist und ein Taschenrechner zur Berechnung des ISET nicht ausreicht, beweist Swissherdbook-Direktor Matthias Schelling mit seinen Ausführungen: «Die Zusammensetzung des ISET wird ausgehend vom Zuchtziel von den Rassenkommissionen festgelegt», sagt Schelling, für die Allgemeinheit noch verständlich. Der ISET widerspiegele das Zuchtziel in Form eines Index und werde von den Rassenkommissionen periodisch an die Bedürfnisse der Zucht angepasst. Der ISET HO/RH werde zudem gemeinsam mit Holstein Switzerland bearbeitet.

[IMG 2]

In Korrelationen denken

Und dann wird es kompliziert: «Da die Einzelmerkmale miteinander korreliert sind, verkleinert sich bei einer (Neu-)Berechnung die Streuung. Der ISET muss aus diesem Grund jeweils neu standardisiert werden. Die Standardisierung auf Basis 1000 und Standardabweichung 120 erfolgt basierend auf den sechs- bis achtjährigen Kühen.» Bei einer Selektion nach ISET gilt also: Je grösser die Korrelation ist, desto mehr Fortschritt ist bei diesem Merkmal zu erwarten. «Wenn wir als Beispiel wiederum das Merkmal Zellzahl nehmen, kann man einfach gesagt erwarten, dass eine Verbesserung auf Stufe Population von 120 Punkten ISET (gleich 1 Standardabweichung) eine Verbesserung von 0,41 Standardabweichungen beim Merkmal Zellzahl bringt. Die Zellzahl wird auf Basis 100 und Standardabweichung 12 publiziert, somit entspricht dies wiederum rund 5 Punkten.»

Fast überall hervorragend

Was der Swissherdbook-Direktor da ausführt, scheint zwar wichtig, aber für die allermeisten Züchter wohl kaum alltägliche Kost. Und dennoch arbeiten sie in ihrer täglichen Zuchtarbeit damit.

Was heisst das aber nun im Fall von Stier Orpheus? «Orpheus ist ein gutes Beispiel dafür, dass der ISET ein Gesamtindex ist und nicht nur Leistung berücksichtigt. Orpheus ist bei praktisch allen im ISET berücksichtigten Merkmalen positiv bis hervorragend. Selbst in der Produktion bleibt er dank positiven kg-Inhaltsstoffen und noch stärkeren Prozenten positiv, trotz negativer Milchleistung», schliesst Schelling.

Anpassungen der Zuchtwertschätzungen bei den einzelnen Rassen

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass das System der Zuchtwertschätzungen bei den einzelnen Rassen immer mal wieder Veränderungen erfahren hat. Über die Inhalte dieser Änderungen bestimmen die Rassenkommissionen. Bei den Rassen RH/HO, SI und SF zeigt sich folgendes Bild: 

Rasse Holstein: 2015 kam es bei RH und HO zur Einführung der gemeinsamen Zuchtwertschätzung und des gemeinsamen ISET von Swissherdbook und Holstein Switzerland. 2019 folgte dann eine Anpassung des ISET: nämlich mehr Gewicht auf Fett kg, die Einführung der Merkmale BCS (Körperkondition) und Feed Saved (eingespartes Futter). Weniger Gewicht erhielten die Merkmale Eiweiss kg und Eiweiss %, sowie die Persistenz.

Rasse SI: 2015 gelang die Einführung des neuen ISET im Zusammenhang mit der Erneuerung der Zuchtwertschätzung.

Rasse SF: 2015 kam es analog der Simmentaler zur Einführung des neuen ISET in Zusammenhang mit der Erneuerung der Zuchtwertschätzung (die alte Formel des Gesamtzuchtwerts von den Stieren wurde übernommen). 2017 folgte eine erste Anpassung des Iset. es kam zur Einführung der Fleischmerkmale mit einer Gewichtung von 20 % für die Verbesserung der Doppelnutzung.

Wie die BauernZeitung in Erfahrung gebracht hat, steht bei der Rasse SF wiederum eine Anpassung bevor. «Das Schlimmste ist, wenn man einfach stehen bleibt», erinnert Stefan Schumacher. Als Präsident der Rassenkommission SF bei Swissherdbook zeichnet sich Schumacher mit den anderen Kommissionsmitgliedern verantwortlich für die neue Gewichtung. Es handle sich um leichte Anpassungen. Sie sollen aber weiterhin dazu beitragen, dass sich die Rasse SF als einheitliche Rasse positionieren könne. «An Ausstellungen und Zuchtstier-märkten sind die Unterschiede gegenüber RH-Tieren deutlich sichtbar. Die Tiere innerhalb der Rasse sind seit der Anerkennung viel homogener geworden. Das heisst, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden. Hier gehen wir weiter und passen an, was nötig ist», sagt Schumacher. Die vorgenommenen Anpassungen werden aber erst im April 2022 publiziert.