AboWir reisen ins Jahr 1990 zurück: An der Sila 100 in Bern stellten Brauns mit ihrer Iltschi Sandra den Reserve-Schöneutertitel. Swiss Fleckvieh«Die SF-Zucht geht in eine falsche Richtung»Freitag, 8. März 2024 Er lässt seine Kälber bei den Müttern trinken, verzichtet seit 2005 auf den Einsatz von Antibiotika und produziert seine Milch ohne Kraftfutter und Eiweiss: Hans Braun, der Meisterlandwirt aus Rothrist AG, scheint der Zeit zehn Jahre voraus zu sein, eckt mit seiner Betriebsstrategie oft bei seinen Berufskollegen an.

Braun, der Querulant, oder Braun, der Visionär? «Ich bin doch eher der Visionär», sagt der Landwirt lachend. Seine Betriebszahlen geben ihm jedoch recht, seine Strategie scheint aufzugehen. Zu Hause auf dem Pachtbetrieb in Rothrist AG, den Brauns schon in der dritten Generation führen – die vierte ist in den Startlöchern –, treffen wir den Betriebsleiter an. Er sprudelt nur so von Ideen, weiss, was er will, und weiss, was auf seinem Hof nicht passen würde.

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Ein hoher Kostendruck

Doch, das war nicht immer so: Mit 33 Jahren, im Jahr 1995 übernahm Hans Braun zusammen mit seiner Frau Sandra den Betrieb von seinen Eltern. Er musste einen neuen Stall im Baurecht bauen, musste mit dem grossen Arbeitsaufwand zurechtkommen. «Die Kosten haben uns damals fast erschlagen, die Lebensqualität ging den Bach runter», erinnert sich Braun an die alten Zeiten zurück. Einen Arbeitsverdienst von zehn Franken pro Stunde habe er damals gehabt. «Es musste etwas passieren, so konnte es nicht weitergehen», sagt er rückblickend. Sein Strategiewechsel war markant: Er verabschiedete sich von der Hochleistungskuh, sah in der Weidekuh ohne Kraftfuttereinsatz seine Chance. «Ich habe bis heute nie bereut, dass ich den Strategiewechsel von der Hochleistungskuh bis zur muttergebundenen Kälberaufzucht vollzogen habe», so der versierte Landwirt.

Auf Bio umgestellt

Bereut habe er auch nie, dass er 1996 auf Bio umgestellt habe, und bedauert habe er nie, dass er mit der Rasse Swiss Fleckvieh auf eine Weidekuh setzte, die ohne Kraftfutter keine gesundheitlichen Schäden davontrage. Der Erfolg gibt Hans Braun recht. «Heute realisiere ich einen Arbeitsverdienst von über 30 Franken pro Stunde», sagt er zufrieden. Sein Haupteinkommen kommt immer noch aus der Milchproduktion. Seit 2005 produzieren Brauns die sogenannte Bio-NOP-Milch. Für diese Produktion dürfen keine Antibiotika in der Herde eingesetzt werden. Ein Teil seiner NOP-Milch wird zur Produktion von Schweizer Milchschokolade mit Exportziel USA benötigt, der andere Teil wird über das Aldi-Bio-Label «retour aux sources» vermarktet. «Zurzeit haben wir mit den Abzügen und Zuschlägen einen Milchpreis von durchschnittlich Fr. 1.04», rechnet er vor. 250 000 kg beträgt sein Lieferrecht, Spitzenleistungen dürfe man bei seiner Fütterung aber nicht erwarten. «Die Rinder, welche mit 24 Monaten abkalben, geben im Schnitt 4000 bis 4500 kg Milch, bei den Kühen bin ich mit 6500 kg zufrieden», erklärt er. Wer jetzt denkt, die Kühe von Brauns würden bei dieser Fütterung nicht alt oder seien nicht in guter Verfassung, hat sich getäuscht: Mehr als eine zehnjährige Kuh steht im Stall, und seine 50 Kühe widerspiegeln auch sein Hauptzuchtziel: Milch und Fleisch nur aus Gras zu produzieren.

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Es geht noch weiter

Hans Braun ist ein Rechner, niemals würde er etwas machen, das nicht rentiert. «Seit zwei Jahren machen wir auch beim Aldi-Label ‹retour aux sources› mit, das ist Bio, welches noch weiter geht», so der Betriebsleiter. Was genau «retour aux sources» ist, erklärt Braun gleich selber: «Das Bio-Label von Aldi ‹retour aux sources› konnte ich vor gut zwei Jahren zusammen mit verschiedenen Projektpartnern ins Leben rufen», hält er fest. Neben der Mitgliedschaft bei Bio Suisse und der Einhaltung der Bio-Suisse-Richtlinien sind noch folgende Zusatzbedingungen zu erfüllen:

  • Antibiotikafreie Milch und Fleischproduktion nach NOP-Richtlinien
  • Kein Kraftfuttereinsatz
  • Laufstallpflicht BTS, RAUS, mindestens fünf Stunden Weidedauer
  • Mindestens 60 % der Kälber 120 Tage auf dem Geburtsbetrieb abtränken
  • Nachhaltigkeitsanalyse des Betriebes
  • Man muss Mitglied bei Biofair Schweiz sein

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Die Kälber bei den Kühen

Das ist das eine, und was die muttergebundene Kälberaufzucht ist, erklärt Hans Braun so: «Geboren werden sie bei uns in der Tiefstreue, kommen nach 14 Tagen zusammen mit der Mutter in die Herde.» Während der Nacht sind Mutter und Kalb getrennt, am Morgen wird die Kuh ganz gemolken. «Eine Stunde später werden Kalb und Mutter wieder zusammengeführt und bleiben den ganzen Tag zusammen», erklärt der Landwirt die Strategie. Nach 80 bis 90 Tagen kommen die Kälber zu einer Ammenkuh und werden dann mit 120 Tagen abgesetzt. Nach 150 Tagen, mit zirka 200 kg und zum Preis von rund 1600 Franken, verlassen die Stierkälber den Betrieb.

«Die Kuhkälber werden aufgezogen und die Stierkälber werden in den ersten Lebenswochen kastriert und anschliessend als Bio-Weidemast weiterverkauft und ohne Antibiotikaeinsatz gemästet», so der Landwirt weiter. Als Abnehmer habe er immer die gleichen Betriebe, eine Zusammenarbeit, die gegenseitig geschätzt wird. Die Weidemastrinder werden dann mit rund 22 Monaten über Aldi («retour aux sources») vermarktet. «Dank der muttergebundenen Aufzucht haben unsere Kälber keinen Durchfall mehr oder auch Lungenentzündungen kennen wir nicht», so Braun. Das hänge vor allem mit dem Immunsystem zusammen, welches im Alter von drei Wochen doch am tiefsten sei.

Ein klares Zuchtziel

«Im Jahr kalben bei uns zwischen 30 und 35 Rinder ab und fast so viele Nutzkühe können wir jedes Jahr verkaufen», so der Betriebsleiter. Ein Blick in den Stall zeigt, wovon der Konsument träumt: Kälber, die bei ihren Müttern sind, Kälber, die bei ihnen saugen dürfen. Anstatt Antibiotika setzt Hans Braun nur homöopathische Arzneimittel ein. «Mir ist bewusst, es kann nicht jeder muttergebundene Kälberaufzucht machen», hält er fest. Dafür muss man Platz und auch die geeignete Rasse haben. «Wir wollen eine Kuh, die nur eine Grösse von 135 bis 142 cm hat, dazu ein gutes Fundament mit viel Substanz und eine gute Euteraufhängung», zählt der Betriebsleiter seine Kriterien auf.

Ein Erstkalbealter von unter 24 Monaten werde angestrebt, eine Zellzahl von unter 100 000 müsse es bei seinen Kühen sein. «Obwohl die Kälber an den Eutern saugen, haben wir weder bei der Eutergesundheit noch bei der Milchqualität Probleme», hält er fest. Auch bei der Fruchtbarkeit müsse er keine Abstriche machen. Wer Hans Braun kennt, weiss, der Aargauer Bauer kämpft für seine Sache und steckt viel Energie rein: Angefangen hat alles mit der Swiss-Fleckvieh-Kuh und jetzt lässt er die Kälber an seinen Kühen saugen.

«Eigentlich habe ich im Schulalter zuerst Tauben und Kleintiere gezüchtet, dann kamen die Freiberger-Pferde und erst dann die SF-Kuh», sagt der 62-jährige Braun lachend. Sein Vater Hans Braun senior war aber ein leidenschaftlicher Red-Holstein-Züchter und sass seinerzeit beim damaligen Schweizerischen Fleckviehzuchtverband in der Verwaltung. In dieser Funktion reiste er 1993 auch nach Amerika und Kanada und war in der Auswahldelegation dabei, welche zusammen mit dem damaligen KB-Verband die besten Red-Holstein-Stiere für die Schweiz selektionierte.

Nach Amerika und Kanada

Der rüstige 87-jährige Hans Braun senior erinnert sich gut, wie es damals war, erzählt, dass auch in Übersee vor 30 Jahren nicht alles glänzte. «Viele Farmer waren unglücklich, hofften, mit einem roten Stier das grosse Geld zu machen», erinnert er sich. Schon damals wurde man angelogen, man zeigte einem nur die schönen Prospekte aus dem Schaustall. Doch Braun senior glaubte den Züchtern nicht immer alles, schlenderte oftmals allein auf den Farmen umher. «Was man dann alles im Abmelkstall sah, übertraf die schlimmsten Vorstellungen», sagt er. Schachtelweise Antibiotika seien dagestanden und die Kühe wurden teilweise so schlecht gehalten, dass ihm die Haare zu Berge standen. «Ich fragte mich, brauchen wir das in der Schweiz, müssen wir solche Genetik importieren?» Sein Sohn hat dann vor 25 Jahren eine andere Strategie gewählt, eine Strategie, die seit 25 Jahren bestens funktioniert. Mit der muttergebundenen Kälberaufzucht ist bei der Familie Braun sicher noch nicht Schluss.

Das Aldi-Bio-Label «retour aux sources»

Die Tiere, welche für das Aldi-Suisse-Bio-Label «retour aux sources» grossgezogen und geschlachtet werden, erhalten in ihrem Leben keine Antibiotika. Die Einhaltung der Prüf-Nach-Richtlinien, auf denen die Bio-Eigenmarke basiert, wird jährlich von unabhängigen akkreditierten Bio-Kontrollstellen überprüft. Vermarktet werden die Weiderinder über die Silvestri AG.

Sollte ein Antibiotikaeinsatz dennoch unumgänglich sein, um das Tierwohl zu gewährleisten, kann das Tier nicht mehr unter «retour aux sources» vermarktet werden. Bei «retour aux sources» steht eine ganzheitliche Denk- und Handlungsweise im Mittelpunkt. Deshalb sei es Bio, das weiter gehe. «Retour aux sources»-Bioprodukte würden gemäss dem unabhängigen Prüf-Nach-Standard hergestellt, der Bio mit Nachhaltigkeit und Transparenz verbindet.

Vom Anbau über die Herstellung bis hin zum Endprodukt bleibe man den acht Grundwerten treu. Den Ursprung der «retour aux sources»-Produkte könne man online bis zu den Bäuerinnen und Bauern rückverfolgen, welche nach diesem Standard produzieren, schreibt Aldi Suisse auf seiner Website. Die Kühe und die Rinder müssen nach den Vorgaben der Weide- und Laufstallhaltung gehalten werden. Die produzierte Biomilch ist garantiert antibiotikafrei und die Kühe erhalten auch kein Kraftfutter.