Annika Bütschi sieht die Jagd nicht als Wettkampf, sondern als perfekte Möglichkeit, ihrem Rotschwanzbussard Aki ein artgerechtes Leben zu bieten. Artgerecht bedeutet für sie, dass er fliegen und jagen darf. In der Jagdsaison, welche für das Jagdteam ab Anfang Oktober – nach der Mauser – bis Mitte Februar (Jagdzeiten vom 1. August bis am 15. Februar) dauert, geht sie jeweils drei- bis viermal in der Woche auf Jagd. Dies bei jeder Witterung, ausser es regne oder winde so stark, dass ein Flug wenig zielführend oder gefährlich sei, meint Bütschi. Ein Hobby, das sehr zeit- und kostenaufwendig ist. In Akis erster Saison hätten sie gerade einmal 16 Krähen geschlagen. Doch Aki lernt mit jedem Flug dazu, egal, ob dies ein Fehlversuch ist oder er die Krähe erwischt. So hat er nun in der kürzlich beendeten Saison 67 Rabenkrähen erlegen können.
«Aki lernt mit jedem Flug dazu.»
Annika Bütschi, Jägerin, Falknerin und Besitzerin von Rotschwanzbussard Aki.
Jagd über Stunden
Annika Bütschi hat die Jagdprüfung, die Falknerprüfung und zuletzt auch die fachspezifische berufsunabhängige Ausbildung (FBA) für Greifvögel absolviert, um den Rotschwanzbussard sowohl bei sich halten zu dürfen als auch mit ihm zu jagen. Ein Jagdeinsatz bedarf zwischen zwei und drei Stunden Zeit pro Einsatz und einer Hilfsperson als Fahrer. Meist ist dies ihr Vater, der ebenfalls viel Freude am Hobby seiner Tochter hat. Die Fahrten sind anspruchsvoll. Die Landschaft wird konzentriert nach Krähen abgesucht, es darf kein anderes Fahrzeug unmittelbar hinter dem Jagdfahrzeug fahren und es dürfen weder Schilder noch Zäune zwischen den Krähen und dem Auto sein. Und die Krähen sollen in einer guten Entfernung auf dem Feld verweilen. Das bedeutet, nicht zu nahe und nicht zu weit entfernt. Stimmen die Bedingungen für Aki, wird das Seitenfenster geöffnet und der Rotschwanzbussard verlässt selbstständig das je nach Route bis zu 80 km/h schnell fahrende Auto. Ein sofortiger Stopp ist nun erforderlich, damit Aki gesichert und die Krähe erlöst werden kann. Oder, dass er bei einem Flug ohne jagdlichen Erfolg das Auto sofort wiederfindet und sich bei Bütschi die Belohnung abholen kann.
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Aus dem fahrenden Auto
Um einen eindrucksvollen Einblick in die Beizjagd zu erhalten, begleitete die BauernZeitung Annika Bütschi aus Schinznach-Dorf AG bei einer ihrer zahlreichen Jagdrunden. Knapp drei Stunden waren wir in den verschiedenen zusammenhängenden Jagdrevieren, in welchen Bütschi die Jagderlaubnis hat, unterwegs, bis Aki nach dem Erspähen der Rabenkrähe lautlos und schnell aus dem fahrenden Auto startete, die Krähe packte und fixierte. «Er hat sie!», jubelt Bütschi und springt aus dem Fahrzeug zu Aki. Der Greifvogel darf nun als Belohnung einen Teil der Krähe verspeisen. Stolz und liebevoll betrachtet Bütschi ihn, jetzt habe er Feierabend. An guten Tagen können es auch mal bis zu drei Krähen sein, die er erlegt.
Verschiedenen Fahrzeuge
Zu Beginn der Saison sei es meistens einfacher und gehe schneller, denn die Krähen kennen das Auto noch nicht und sind wesentlich unvorsichtiger als gegen Saisonende. Gut sei es darum, mit verschiedenen Fahrzeugen zu jagen, denn die Krähen wissen ansonsten bereits aus weiter Entfernung, dass sie mit Aki unterwegs sei.
Die Krähen würden mit der Beizjagd – so wird die Jagd mit dem Greifvogel bezeichnet – nicht effizient reduziert, aber es bestehe doch ein gewisser Vergrämungseffekt. So meint auch Adrian Baumberger, dass man durchaus eine bis drei Wochen Ruhe vor Krähen habe, wenn die Falknerin mit Aki gejagt habe. Er ist Jagdpächter im Revier Muri Lindenberg und Jagdausbilder an der Jagdschule Bertschinger in Brittnau AG, bei welchem Bütschi unter anderem ihre Jagdausbildung absolviert hat.
Mehrere Reviere
Um in einem Revier jagen zu dürfen, benötigt Annika Bütschi sowohl den kantonalen Jagdpass als auch die schriftliche Einwilligung der Jagdgesellschaft. Zudem müssten die Reviere möglichst in der Nähe sein oder es müsse ein grösseres Gebiet mit mehreren Revieren sein, damit sich eine Anfahrt lohne. Ein weiter entferntes Revier zu bejagen, in dem sie sich weder auskenne noch sicher sei, ob Aki entsprechende Jagdchancen habe, sei für sie nicht interessant. Wenn es zusätzlich für die Landwirtschaft einen Nutzen habe, sei es optimal, aber nicht ihre Priorität. Die ruhige Art und die enge Bindung zwischen der Falknerin und dem Rotschwanzbussard bestätigen ihre Arbeit und die Argumente.
«Der Spieltrieb der Krähen ist geweckt.»
Adrian Baumberger, Jagdpächter Revier Muri Lindenberg und Jagdausbilder.
Vergrämungs- und Jagdmöglichkeiten von Rabenkrähen während und ausserhalb der Jagdzeit
Die Rabenkrähe besetze unbestritten eine wichtige ökologische Nische. Flögen jedoch gelangweilte Jungschwärme von 150 bis über 200 Tieren trotz Abschreckungsmassnahmen in ein Gemüsefeld, herrsche Alarmstimmung: Es entständen teils grosse Schäden, massive Ernteverluste oder gar Ernteausfälle, meint Adrian Baumberger, Jagdpächter im Revier Lindenberg-Muri. Die Schwierigkeit sei, dass die gesetzlichen Jagdzeiten nicht deckungsgleich mit dem Saatzeitraum sind. Ausserhalb der Jagdsaison dürfen Rabenkrähen nur bejagt werden, wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind: keine brütenden Tiere, schwarmweise auftretend und schadenverursachend auf landwirtschaftlichem Kulturland.
Kaum natürliche Feinde
Näher betrachtet, seien es also vorab die Junggesellenschwärme, welche den Schaden anrichten. In der Nähe eines einzelnen Brutpaares – Rabenkrähen sind Einzelbrüter, anders als die Saatkrähe, die in Kolonien brütet – blieben die Felder unbehelligt, zumindest bis die Nestlinge flügge sind. Denn ein Brutpaar verteidige vehement sein Revier.
Natürliche Feinde, um den Bestand einzudämmen, wie der Uhu oder Falken habe die Krähe kaum mehr. Die Krähe ist ein Allesfresser, das bedeute einen breiten Menüplan, den die Landwirtschaft in vollem Umfang anbiete.
Reduktion nicht möglich
Nachdem für die Jäger(innen) die Saison beendet ist, beginnt sie für die Landwirtschaft schon bald. Da eine grossräumige Reduktion der Krähen weder möglich noch vertretbar ist, muss nach Alternativen gesucht werden.
Die erste und als Landwirt(in) umsetzbare Variante sei der richtige Saatzeitpunkt. Sei dieser gut gewählt, so keimen die Saatlinge schnell und stark, der Zeitraum von potenziellen Schäden vor allem an Mais, aber auch Getreide und Sonnenblumen sei eingegrenzt. Jedoch: «Der Spieltrieb der Krähen ist geweckt, denn nach jedem ausgerissenen Keimling erfolgt sofort die Belohnung in Form von Würmern und Käfern, die im Boden zum Vorschein kommen», meint Adrian Baumberger. Schwieriger werde es bei Kulturen wie Kohl, die länger geschützt werden müssen. Dort entstehen grosse Schäden, wenn die Krähen auf der Suche nach Raupen die Kohlköpfe aufpicken und mit ihren Hinterlassenschaften das Gemüse verunreinigen
Eine Option sei die Vergrämung der Krähen. Dazu gebe es verschiedene Methoden. Zum einen mit Helium gefüllte Vogelabwehrballons – drei bis fünf Stück pro Hektare seien nötig. Die seien allerdings recht kostspielig und wirken nur wenige Tage, bis sich die Krähen daran gewöhnt hätten. Zum richtigen Zeitpunkt eingesetzt, reiche dieser Zeitraum und die Methode sei relativ effizient. Zusätzlich könnten Knallapparate eingesetzt werden, diese zeigten besonders nach bereits erfolgtem Krähenbeschuss gute Wirkung.
Zuletzt habe man auch gute Erfahrungen gemacht mit Abschreckungsgestecken. Das heisst, es werden Krähenfedern in kleinen Nestern in die Felder gelegt, um so tote Krähen zu imitieren.
Schliesslich sei die Vergrämungsjagd möglich, um Krähen sowohl partiell zu reduzieren als auch zu vergrämen. Krähen sind gemäss Jagdgesetz zwischen dem 1. August und dem 15. Februar jagdbar. Die Krähenjagd verlange viel Geschick und Wissen über das Verhalten, die Brutplätze und die Schlafbäume der Schwärme.
Krähen merken alles
Erfolgversprechender sei die Lockjagd. Baumberger ist in seinem Revier stark mit Krähenschäden konfrontiert, so auf dem Landwirtschaftsbetrieb Murimoos bei Gemüse und Mais. Das Vorgehen zur Bejagung schildert er wie folgt: «Auf dem schadgefährdeten Feld wird ein Tarnzelt aufgebaut und ein sogenanntes ‹freundliches Lockbild› erstellt. Das heisst, es werden beflockte Kunststoffkrähen auf dem Feld verteilt, um möglichst realistisch einen Krähenschwarm darzustellen. Das Lockbild muss aber häufig variieren, ansonsten die Vögel sofort wissen, dass dieser Schwarm nicht echt ist.»
Der Jäger selbst sei ebenfalls komplett getarnt, jede helle Hautstelle könnte verräterisch sein. So warte man, bis frühmorgens die ersten Krähen sich auf dem Feld niederlassen, und habe so die Möglichkeit, einige Tiere zu erlegen. Dies führe regelmässig dazu, dass die Schwärme, zumindest für einige Zeit, die so bejagten Felder meiden.
Betroffene Landwirte könnten sich an die lokale Jagdgesellschaft wenden; diese geben Auskunft über mögliche auch hier nicht aufgeführte schadenmindernde Massnahmen. [IMG 3]