Anfang der Neunzigerjahre war ich an einer Bauerndemo in Genf. Ich erinnere mich noch gut an die Stimmung auf der Zugfahrt vom Aargau an den Genfersee. Uns vereinte der Wunsch, friedlich darauf hinzuweisen, welche Schwierigkeiten das Bauern- und Bäuerinnenleben mit sich bringt.
Den Grund der Demo erahne ich dreissig Jahre später nur noch: Ging es um die Reduzierung der Agrarsubventionen, die in der Uruguay-Runde des GATT gefordert wurden?
Im Historischen Lexikon der Schweiz finde ich folgenden Eintrag: «Gegen GATT und WTO bildeten sich Oppositionsbewegungen. Für die Schweizer Politik am bedeutendsten waren die Demonstrationen von Schweizer Bauern gegen die Liberalisierung der Landwirtschaft Anfang der 1990er-Jahre. So versammelten sich am 9. Januar 1992 in Bern, Luzern und Weinfelden über 25 000 Demonstranten.»
Richtig fündig werde ich im Archiv des Schweizer Fernsehens. Charles Clerc moderierte am 9. Januar 1992 in der «Tagesschau» einen Beitrag über «Bauerndemonstrationen gegen GATT, Ausschreitungen» mit folgenden Worten an: «Unsere Bauern sind ja im Grossen und Ganzen ruhige Leute. Wenn sie aber richtig zornig sind, lassen sie es deutlich sehen und hören.» Bei den damaligen Demonstrationen zündeten Hitzköpfe vor dem Haupteingang des Bundeshauses ein Feuer an.
In Genf war es ruhiger und kalt. Wir standen auf dem Platz vor dem Sitz der heutigen WTO, hörten Reden an, skandierten unsere Botschaften und fuhren wieder heim.
Der Kundschaft die Augen öffnen
Heute fahren Traktoren zu einem SOS auf und Bäuerinnen und Bauern schwingen Kuhglocken durch Altstädte, um darauf hinzuweisen, welche Schwierigkeiten das Bauern- und Bäuerinnenleben mit sich bringt. Die Zeiten wiederholen sich. Vielleicht wäre es wirkungsvoller, wenn sich Bauern und Bäuerinnen jeden Samstagmorgen vor Coop, Migros, Aldi und Lidl niederliessen und ihre Produkte zum Produzentenpreis verkaufen würden. Das würde der Kundschaft die Augen für die Situation auf den Bauernhöfen öffnen und es wären Gespräche möglich. Gespräche, die ruhig auch darauf hinweisen dürfen, dass wir in der Schweiz gemessen am Einkommen ohnehin zu wenig für nachhaltig produzierte Nahrungsmittel ausgeben. Und dass es gerechter wäre, wenn das Geld auch dort ankommen würde, wo es hingehört.