Dieser Sommer beschert uns spannende und auch erstaunliche Graswachstumskurven mit vielen Hochs und Tiefs. Mancherorts herrscht gerade zum dritten Mal Frühling (nach März und Mai), und es wächst ein regelrechter Futterberg heran. Andernorts leiden gerade Neuansaaten unter der Hitze und verdorren, nachdem sie eigentlich schnell und gleichmässig aufgelaufen waren. Das aktuelle Wetter soll aber nicht darüber hinwegtäuschen: Wir gehen dem Herbst entgegen, und bald kommen vielerorts auch Tiere von den Alpen zurück.
Herbstplanung jetzt angehen
Es sollte jetzt überschlagen werden, wie viel Weidefutter bis November benötigt wird. Im September sollten nach Möglichkeit stehende Futterreserven geschaffen werden, damit die Weide möglichst bis zum Wintereinbruch fortgesetzt werden kann. In dieser Jahreszeit altert das Futter nicht mehr so rasch. Gemäss Richtwerten aus Irland soll die Rotationsdauer im September auf 35 Tage und beim letzten Umtrieb gar auf rund 45 Tage angehoben werden.
Letzte Teilflächen können jetzt noch wegkonserviert werden, jedoch sollte das Weidefutterangebot vorausschauend eingeplant werden – was weg ist, könnte im September plötzlich fehlen. Älteres Weidegras kann aber auch für Rinder eingeplant werden.
Mal zu viel, dann zu wenig
Alle Vollweidebetriebe im Grasmessnetzwerk standen 2023 vor der Herausforderung, dass zeitweise zu viel, dann rasch wieder zu wenig Weidefutter für die Herde zur Verfügung stand, wie die bisherigen Graswachstumskurven zeigen.
Was ist zu tun, damit Wetterextreme die Wettbewerbsfähigkeit der weidebasierten Produktion nicht gefährden? In der letzten Trockenperiode haben einige Betriebe neue Strategien getestet, welche aus den Erfahrungen der letzten Jahre entstanden sind.
Ein dynamischer Prozess
Der Betrieb von Susanne Käch und Joss Pitt im Berner Seeland setzt eine intensive Umtriebsweide um. Jede Woche werden die Weiden gemessen, damit stets Weidegras im optimalen Stadium zur Verfügung steht.
Trotz Bewässerung führten Hitzeperioden in den letzten Jahren wiederholt zu vermindertem Graswachstum und zu einem Milchleistungsrückgang. Sobald der Futterkeil eine Futterknappheit ankündigte, wurde heuer ganz bewusst die Rotationsdauer einige Tage verlängert.
Rotationsdauer rechtzeitig verlängern
Joss Pitt erklärt, dass sie zunächst weitere Koppeln einzäunen. Wenn diese Strategie zu wenig Wirkung zeigt, wird danach die Weidefläche pro Tag reduziert und im Stall zugefüttert.
Mit der verlängerten Ruhezeit entwickeln sich höhere Weidebestände (bis zu 3500kg TS/ha bei kräuterreichen Flächen statt 2700kg TS/ha), was die hitzegestressten Pflanzen mit einem besseren Nachwuchs danken. Nach und nach stellt sich wieder ein neues Gleichgewicht zwischen Futterangebot und Verzehr ein.
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Chicorée auf der Weide
Die Langgrasweide funktioniere besonders gut bei Kunstwiesen mit gesätem Kräuteranteil, betont Joss Pitt. Dank Chicorée, Spitzwegerich und Rotklee werde das eigentlich zu lange Gras akzeptabel gefressen, und die Milchleistung gehe weniger stark zurück, als es früher der Fall gewesen sei.
Gerade die genannten Pflanzen profitieren zudem von der längeren Ruhezeit, sodass sie ihr Wachstumspotenzial entfalten können. Je nach Standort und Voraussetzungen könne die optimale Rotationsdauer aber verschieden ausfallen.
Eine Tagung zum 25. Jubiläum
Am 25. August 2023 findet anlässlich des 25-Jahr-Jubiläums der Weideforschung am Waldhof in Langenthal die AGFF-Tagung statt. Der Anlass startet um 9.15 Uhr. Es wartet ein abwechslungsreiches Programm für Weideprofis und solche, die es noch werden möchten. Danach, am 26. August, feiert der Waldhof sein 100-jähriges Bestehen.
Einige Highlights aus dem Fachprogramm:
Weidepraxis in schwierigen Jahren: Erfahrungen aus dem Grasmess-Netzwerk
- TopWeide-Versuch: Weideeigung von Gräsern unter der Lupe
- Slick-Gen: können Weidekühe züchterisch an die Hitzewellen angepasst werden?
- Virtuelle Zäune: Revolution für die Weideführung auch in der Schweiz?
Weitere Infos zum AGFF-Anlass finden Sie hier.