Einen unmittelbaren Gradmesser für den diesjährigen Futterbau liefern die Vollweidebetriebe. Unter den Betrieben des Grasmessnetzwerks gibt es widersprüchliche Angaben zur Milchproduktion: Der Betrieb Pitt-Käch im Berner Seeland hatte bisher kaum Probleme mit zu viel Wasser, die Kühe hatten bisher kaum Hitzestress und das Graswachstum lag bei durchschnittlich 70 kg TS/ha/Tag. Die resultierende energiekorrigierte Milchleistung liegt ca. 1 kg höher pro Kuh und Tag als im Vorjahr.
Auf der anderen Seite berichten mehrere Betriebe der Nordwestschweiz, dass die Milchleistungen im letzten Monat auf ca. 18 kg ECM/Tag gesunken seien, was ca. 10 % tiefer ist als in der Vorjahresperiode. In diesem Gebiet hat sich das Graswachstum seit dem letzten Kälteeinbruch nicht mehr richtig erholt (max. 50–60 kg TS/ha/Tag). Es ist zu befürchten, dass vielerorts unter dem jetzt konservierten Futter unterdurchschnittliche Qualitäten sein werden.
Zustand der Wiesen
Über die Gründe lässt sich nur spekulieren. Generell weisen tiefe Milchharnstoffwerte auf geringe Eiweissgehalte im Futter hin. Wenig Sonnenstunden führen zu tiefen Zuckergehalten und weniger schmackhaftem Futter, somit sinkt der Verzehr. Wo das Gras insgesamt zögerlich wächst, können auch vernässte Böden und somit eine schlechte Nährstoffverfügbarkeit eine Rolle spielen. Ausdruck von Stress für die Futterpflanzen sind auch die zahlreichen Krankheitsbilder, die per Whatsapp eingegangen sind.
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Luisa Rusca beobachtete Weisskleepflanzen mit missgebildeten Blütenköpfen. Mit der Internetseite www.pflanzenkrankheiten.ch liess sich rasch bestimmen, dass es sich um die sogenannte Phyllodie handelt, eine infektiöse Krankheit von Rot- und Weissklee. Bedingt durch den milden Winter dürften viele infektiöse Kleinzikaden überlebt haben und die Krankheit von kranken auf gesunde Kleepflanzen übertragen. Zwar wird die Tätigkeit der Knöllchenbakterien reduziert und die Kleepflanzen können vorzeitig absterben. Wirtschaftlich bedeutend ist dies bei der Saatgutvermehrung, weil die Samenproduktion ausbleibt.
Das feuchtwarme Wetter lässt befürchten, dass Pilze Mykotoxine ins Futter bringen. Neben Schimmelpilzen, Fusarien oder Mutterkorn gibt es jedoch auch eine Gruppe von Pilzen, die unscheinbar in den Gräsern leben.
Hohe Lolingehalte
Sogenannte Endophyten leben symbiontisch im Inneren von Pflanzen und verleihen ihnen teils erwünschte Eigenschaften wie Schutz vor Insektenfrass, können aber auch giftige Stoffe bilden. Sie werden teilweise bewusst bei der Pflanzenzucht eingesetzt und werden jeweils von Generation zu Generation weitergegeben. Im vorliegenden Fall hat Valentin Stocker einen Gras-Kernpilz (Epichloë) beobachtet, erkennbar an einer weissen Scheide um den Stängel des Raigrases. Es werden Lolinalkaloide gebildet, welche die Pflanze vor Feinden schützen: Lolin und Peramin sind toxisch für Insekten, jedoch nur gering toxisch für Säugetiere. In der Schweiz wurden bei Wiesen-Schwingel schon hohe Lolingehalte festgestellt. Im Allgemeinen muss aber nicht mit gesundheitlichen Konsequenzen gerechnet werden.