Marina und Roger Staub stehen im ehemaligen Pferdestall und strahlen. Nur noch die zweiteilige Tür des Raums erinnert daran, dass hier einmal Hufe im Stroh scharrten. Erst kürzlich haben Staubs den neuen Verarbeitungsraum fertig eingerichtet, der nun viel Platz bietet für das Abpacken und Etikettieren der hofeigenen Polenta und des Maismehls. Allerdings sind die Produkte des Staubhofs grün und lila statt gelb, wie man es von Mais erwarten würde.
Die schönsten Kolben werden Saatgut
Verantwortlich für die ungewöhnliche Farbenpracht sind die beiden Landmaissorten Oaxacan und Tama. In Zusammenarbeit mit dem Verein Landmais setzen sich Roger und Marina Staub für den Erhalt der alten Landmaissorten ein, die im Gegensatz zum üblichen Hybridmais verschiedene Geschmacksnoten und eben Farbe auf dem Teller versprechen.
Da kein kommerzieller Saatgutanbieter Landmais im Sortiment hat, suchen die Berner selbst vor der Ernte die schönsten Kolben, entfernen einzelne Körner in der falschen Farbe, die durch Einkreuzung entstanden sind und bringen den Rest im nächsten Jahr wieder in den Boden. «So konnten wir seit dem Start 2016 die Anbaufläche jährlich verdoppeln», erläutert Marina Staub. Die Bäuerin kümmert sich um die Verarbeitung, das Abpacken und den Verkauf, während ihr Mann den Mais auf dem Feld pflegt.
«Seit dem Start 2016 konnten wie die Anbaufläche jährlich verdoppeln»
Marina Staub über den Anbau mit dem eigenen Saatgut.
Land- statt Hybridmais
Philipp Meyer ist Agronom und hat den Verein Landmais gegründet. Er erklärt im Interview, welche Vorteile die alten Maissorten haben und wie er überhaupt darauf kam.
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Im ehemaligen Pferdestall haben Roger und Marina Staub mit viel Eigenleistung einen Verarbeitungsraum eingerichtet. (Bild Staub Hof)
Unerwartet grosse Ernte brachte Probleme
Beides ist aufwändig, denn Staubs beliefern diverse Unverpackt-, Hof- und Landiläden und bauen ihren Landmais herbizidfrei an. Obwohl auch ein Hackgerät zum Einsatz kommt, ist viel Handarbeit nötig, um das Unkraut im Zaum zu halten. «Wir haben stundenlang gejätet», erinnert sich Roger Staub an das vergangene Jahr. 2020 hatte er nach einer Pause einen neuen Versuch gewagt, die farbigen Maissorten auf dem Belpberg anzubauen. «Wir hatten auch schon Probleme, dass die Kolben auf dieser Höhe nicht ganz ausreiften», erklärt Marina Staub, «Aber nachdem die Sommer immer wärmer geworden sind, wollten wir es nochmals versuchen.» Prompt fiel die Ernte so gross aus, dass das Betriebsleiterpaar mit dem Trocknen an ihre Kapazitätsgrenzen stiess. «Wir haben nachts den Wecker gestellt zum Umschütten, damit alles rechtzeitig trocknen kann», ergänzt Roger Staub. Einige Paloxen wurden trotzdem schnell genug trocken und müssen nun wegen Schimmelbefall entsorgt werden. Staubs suchen nun nach einer neuen, besseren Lösung. «Wir möchten es nicht extern trocknen lassen, um den Mais glutenfrei zu halten», ergänzt Marina Staub.
Auch Krähen schätzen den Landmais
Auch das mühsam gewonnene Vermehrungs-Saatgut haben Staubs schon eingebüsst. Auf dem Feld eines befreundeten Betriebs in Kehrsatz, wo die Kultur abseits anderer Maisfelder gedeihen sollte, pickten Krähen gezielt jedes Körnchen aus der Erde. «Fehler passieren», winkt Roger Staub ab, «Das ist eben Bauern. Nächstes Mal legen wir ein Vlies drüber.»
«Fehler passieren. Das ist eben Bauern.»
Das nächste Mal werden Staubs die Körner auf dem Feld mit einem Vlies schützen.
Landmais im Anbau
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Der Landmais auf dem Belpberg wird herbizidfrei angebaut. (Bild Gaby Züblin)
Staubs bauten 2020 je auf einer Hektare Oaxacan (grün) und Tama (lila) an. Gedroschen, sortiert und getrocknet belief sich die Ernte 2020 auf 12 Tonnen (5 bis 6 t/ha). Das sei nicht ganz mit Hybridmais (8 bis 10 Tonnen) vergleichbar und Marina und Roger Staub haben mit dem herbizidfreien Anbau einen Mehraufwand. Da sie das Saatgut Jahr für Jahr selbst gewinnen, passen sich die Sorten immer besser an die Anbaubedingungen an. Gemäss Staub ist der Landmais ziemlich resistent. Weder Blattkrankheiten noch Maisbeulenbrand seien ein Problem gewesen. «Das hängt aber immer auch vom Wetter ab», ist sich der Landwirt bewusst.
Die Sorten unterscheiden sich auf dem Feld
Sowohl bei der optimalen Saatdichte als auch der besten Düngung sind die Berner noch am Ausprobieren. «Der lila Mais wird nur etwa mannshoch, der grüne wächst höher auf und deckt den Boden besser. Daher säen wird Tama dichter», erklärt Roger Staub. 95'000 Körner pro Hektare hätten sich aber als zu dicht erwiesen. Die Schweinegülle müsse er vorsichtig einsetzten: «Das letzte Mal war die Düngung etwas gäch und es bildeten sich teilweise gleich fünf Triebe», erinnert er sich. Zum Glück sei dann aber mehrheitlich nur ein Haupttrieb pro Pflanze übriggeblieben.
Maschine selbst gebaut und Raum eingerichtet
So gelassen sie mit Rückschlägen umgehen, so viel Herzblut stecken die Beiden in ihren grünen und lila Mais. Stück für Stück wurden Produktion und Verarbeitung professioneller und damit einfacher. Das Schütteln und Sieben von Hand ersetzt nun eine selbst gebaute Maschine, die mit dem Motor der alten Melkanlage betrieben wird. Davor laufen die Körner durch eine Mühle, die vom Estrich eines Bekannten stammt und deren Riemenantrieb Roger Staub mit einem Motor ersetzte. Im Verarbeitungsraum mit selbst verlegtem Boden steht eine Abfüllmaschine und eine Occasion-Küche. Letztere bräuchte es für die Herstellung der Polenta eigentlich nicht, aber Roger und Marina Staub wollen sich verschiedene Möglichkeiten offenhalten und es sollen den Raum auch andere nutzen können, denen auf dem eigenen Betrieb der Platz zum Verarbeiten fehlt.
Produktekorb in Zusammenarbeit
Einzelkämpfer sind Staubs definitiv nicht. Sie veranstalten im Sommer mit jungen Leuten gemeinsames Jäten, das mit einem Abend am Pool belohnt wird, Bekannte helfen bei der Saatgutgewinnung, nehmen Polenta und Mehl mit, um sie auf dem Weg zu einem Termin in eine Verkaufsstelle zu bringen oder bauen Landmais auf geeigneten Flächen im Tal an. Auch bei der Vermarktung möchte Marina Staub mit anderen zusammenarbeiten und hat mit Betrieben aus der Region einen Produktekorb zusammengestellt. Im Regal stehen neben Maisprodukten auch Knöpfli, Teigwaren, Tomatensauce und Sirup, die zusammen als «Guets vom Hof» bekannt werden sollen.
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Produkte vom Staub Hof und aus der Umgebung liebevoll arrangiert mit grünen Maiskolben im Verarbeitungsraum auf dem Belpberg. (Bild Staub Hof)
Das nächste Projekt: Flips
Vom Staub Hof soll es in Zukunft mehr aus Mais geben, als nur Polenta und Mehl. Bereits im Verkauf ist eine lila Polenta, die Staubs in eine Rösterei geben. «Sie schmeckt nussig, ein bisschen wie Popcorn oder Schokolade», beschreibt Roger Staub das Aroma. Neben der Mahl- und Siebmaschine steht ein neuer Extruder, der Maisflips herstellt. So grün sehen sie ganz anders aus als die gelben Flips, die sich derzeit im Detailhandel wachsender Beliebtheit erfreuen. Es sei auch deutlich mehr dran, meint Marina Staub: «Ich habe mal zum Zvieri ausgiebig davon geknabbert und danach war mir das Znacht zu viel», meint sie und beisst geräuschvoll in eines der überlangen Flips. Es ist definitiv nicht nur die Farbe, die den Landmais zu etwas Besonderem macht.
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Maisflips aus dem Extruder sind das neuste Produkt aus Landmais, das Staubs ausprobieren möchten. (Bild jsc)
Vom Landmais zur Polenta
Der Landmais wird auf dem Staub Hof mit einer selbstgebauten Siebmaschine und einer alten Mühle verarbeitet. «Die Polenta ist eigentlich die Hülle des Korns, das Innere gibt das Mehl», erläutert Roger Staub. Nach dem Mahlen wird der Mais in der gewünschten Maschenweite gesiebt und fällt unten aus den Siebkammern. Meist lasse er die Körner zweimal durchlaufen, so Staub. Unbrauchbare Resten gebe es sehr wenig.
Die 3'500 Franken für die Siebmaschine finanzierten Staubs über ein Crowdfundig. Für die Einrichtung des Verarbeitungsraums fielen dank der grossen Eigenleistung primär Materialkosten an. Der neue Extruder für die Herstellung von Maisflips ist ein günstiges Versuchsobjekt. Den Motor musste Roger Staub wegen eines Defekts aber bereits einmal ersetzen.
Pro Monat könne sie etwa 400 Päckchen à 250 Gramm an die verschiedenen Verkaufsstellen liefern, schätzt Marina Staub. «Wenn der Landmais neu ins Angebot kommt, läuft er eine Weile besonders gut. Danach pendelt sich der Absatz ein.» Bisher habe sich Polenta viel besser verkauft als Maismehl, was sich mit der Corona-Krise und dem damit zusammenhängenden Backboom geändert habe. Hochsaison hat Polenta nach Staubs Erfahrung in der kalten Jahreszeit.
Betriebsspiegel Staub Hof
Ort: Belpberg BE
Fläche: 10 ha, davon 9 ha Ackerbau
Kulturen: Pflanzkartoffeln (4 ha), Weizen und Gerste, Landmais
Tierbestand: Rund 100 Muttersauen
Arbeitskräfte: Betriebsleiterpaar, Schwiegervater, ein Angestellter mit einer Beeinträchtigung, Hilfe von Bekannten (Landmaschinenmechaniker, Grafikerin)
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Der Staub Hof auf dem Berner Belpberg wird in der 4. Generation von Roger und Marina Staub geführt. (Bild jsc)