Im September hat der Bund die aktualisierten Schweizer Ernährungsempfehlungen veröffentlicht. Gemäss Bericht des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen berücksichtigen diese nebst den bisherigen Gesundheitskriterien neu auch Nachhaltigkeitsaspekte im Rahmen «des in der Schweiz üblichen Essverhaltens». Ausdrücklich betont werden die wissenschaftlichen Grundlagen der neuen Empfehlungen. Die Nahrungsmittelpyramide setzt die Schwerpunkte der Empfehlungen visuell in Szene. Diese zeigt neu viel Gemüse, aber kein rotes Fleisch mehr. Auch der Apfelsaft ist aus der Pyramide geflogen. Einzug gehalten haben hingegen Pouletbrust und Tofublock.
Der Fleischkonsum ist schon tief
Bei der Erarbeitung der Empfehlungen gingen offensichtlich zwei relevante Anspruchsgruppen vergessen: Die produzierende Landwirtschaft und der weniger ernährungswissenschaftlich orientierte Grossteil der Bevölkerung. Nachhaltigkeit definiert sich nicht nur über einzelne Umweltaspekte, sondern auch über Ökonomie und Soziales. Die gezielte Abwertung von Milch, Fleisch und Apfelsaft hat massive ökonomische Auswirkungen auf das Wertschöpfungspotenzial der Landwirtschaft im Grasland Schweiz. Zudem haben gerade diese Produktionsformen positive Auswirkungen auf Landschaftsbild, Besiedelung der Berggebiete und Tourismus. Mit einem Pro-Kopf-Verbrauch von 48 kg Fleisch ist die Schweiz bereits heute eine Tiefkonsuminsel in Europa. Gemäss FAO gehören wir gemessen an der Kaufkraft zu den Ländern mit dem tiefsten Fleischkonsum weltweit. Es entstehen also berechtigte Zweifel, ob sich unsere Konsumenten noch weiter in ihre Essgewohnheiten reinreden lassen, zumal der weltweite Umwelteffekt unserer einheimischen Tierproduktion bei rund 0,0000002 Prozent liegt.
Die Vermischung von Gesundheits- und Umweltaspekten führt vor allem zu Verwirrung. Der Schweizer Bauernverband, der Schweizer Obstverband und auch die ernährungsaffinen Schweizer Bäuerinnen und Landfrauen kritisieren die neue Ernährungspyramide und fordern Nachbesserungen. Ständerat Dittli hat in der Herbstsession eine Interpellation mit Fragen zur Abwertung von Milch und Fleisch eingereicht. Aus Sicht der erwähnten Anspruchsgruppen ist es nur konsequent, für solche doch eher haltlosen Papiere eine bessere Nachvollziehbarkeit einzufordern.
Hansruedi Häfliger. Der Direktor des LZ Liebegg ist verheiratet, hat drei erwachsene Kinder und nennt als Hobbys Wandern, Skifahren und Pferdezucht.