Bernadette Grüter steht mitten in der Küche und zieht mit geschickten Fingern den «Chüechli»-Teig in alle Richtungen aus. Die letzten Mehlresten vom Auswallen bleiben an ihren Händen haften, «zu viel Mehl verunreinigt nur das Frittieröl». Dann stellt sie einen Fuss auf einen Stuhl, legt ein sauberes Küchentuch über ihr Knie und die Teigrondelle darauf. Der Rand ist noch etwas dicker als die Mitte, wo bereits das Muster des Tuchs durchschimmert. Mit den Fingerspitzen zupft und drückt die Bäuerin da und dort, dreht dabei den entstehenden «Chnöiblätz» immer wieder um die eigene Achse. Plötzlich reisst der mittlerweile papierdünne Teig, es gibt ein kleines Löchlein. «Der Vorführeffekt», lacht Bernadette Grüter, «das ist ja typisch.» Der Teig sei ein bisschen zu zäh, und das, obwohl sie wohlweislich einen Esslöffel mehr Rahm dazu gegeben hatte. Vielleicht sei das Mehl sehr trocken gelagert oder die Eier ein wenig kleiner gewesen.
Kriterium für Hochzeit
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Doch die Löcher im Teig wecken nicht nur Unmut, sondern viele Kindheitserinnerungen, denn das «Chüechle» war früher ein richtiges Gemeinschaftswerk. «Da war man nie allein. Es geht auch viel praktischer, das Ausziehen und Frittieren auf mehrere Leute aufzuteilen.» Aufgewachsen auf einem grossen Gutshof im luzernischen St. Urban, sieht Grüter noch heute die grosse Küche vor sich, gefüllt mit Leuten und «Schiner» (Dialekt für grossen, meist geflochtenen Wäschekorb) voller Fasnachts-Chüechli. Die angestellten Köchinnen waren meist jung, also im heiratsfähigen Alter. «Erst wer Chnöiblätze ohne Löcher schafft, darf heiraten», hiess es damals und Bernadette Grüter ergänzt amüsiert: «Viele Male haben wir uns damit gegenseitig hochgenommen, wenn es jemandem nicht gelang.»
Einheimische Zutaten
Wieder zurück zur Bauernküche in Hergiswil – das mittlerweile flüssige Kokosfett in der Gusseisenpfanne erreicht schon bald die gewünschten 180 Grad. Letzten Herbst probierte die begeisterte Köchin erstmals Holl-Rapsöl aus und war überzeugt: «Künftig werde ich auf jeden Fall diese einheimische Zutat verwenden.» Die Bäuerin legt eine Teigrondelle in die Pfanne und greift sich sofort die zwei bereitgelegten Gabeln. Mit der einen hält sie die Teigmitte fest, mit der anderen sorgt sie für eine Drehung und erzählt währenddessen: «Diese Drehung machen nicht alle, aber mir gefällt es besser so. Früher benützte man dafür übrigens Holzschindeln.» Wartet die Bäuerin mit diesem Handgriff nur wenige Sekunden zu lange, ist der Teig schon zu fest, um die perfekte Spirale zu erschaffen. Diese Handgriffe brauchen natürlich etwas Übung, als wirklich schwierig würde sie das «Chüechle» aber nicht beschreiben.
Die Zutaten könnten kaum simpler sein, auch Hilfsmittel braucht es wenige: Eine Gusseisen- oder Chromstahlpfanne mit passendem Deckel, Holzkelle oder Thermometer, zwei Gabeln, ein Wallholz und Küchentücher sowie -papier. Die Zubereitung ist reine Übungssache, das anschliessende Reinigen der fettigen Utensilien gibt sicher etwas Arbeit.
Was hat der «Schmutz» damit zu tun?
Der Schmutzige Donnerstag bezeichnet den Beginn der offiziellen Fasnachts-Zeit. Der Name kommt nicht etwa von «dreckig», sondern vom Fett, landläufig als Schmutz bezeichnet. An diesem Tag wurde früher ausgiebig Fettiges gegessen, da am darauffolgenden Aschermittwoch die Fastenzeit beginnt. Auch die letzte Schlachtung vor 40 fleischlosen Tagen fand traditionell am Schmutzigen Donnerstag statt. Was nicht geräuchert oder getrocknet werden konnte, wurde kurzerhand noch verzehrt. Dies war also ein letzter fetter (»schmutziger») Tag vor der Fastenzeit. ag