Vom beschaulichen Toggenburger Städtchen Lichtensteig aus hat es der 51-jährige Käsemeister Willi Schmid zu Weltruf geschafft. Der ungekrönte König unter den Schweizer Käsern gewann schon mehrfach den Swiss Cheese Award, die höchste Auszeichnung der Branche. Der zart schmelzender Jersey Blue des Käsemeisters wurde bereits zwei Mal mit dem «World’s Best Jersey Cheese» prämiert. «Ob Jersey Blue, Tuma oder Mühlistein – sie sind immer delikat und von ausgezeichneter Qualität.» Diese lobenden Worte für Produkte aus Schmids Käsekeller stammen von Daniel Humm, dem Schweizer Dreisternekoch des weltberühmten New Yorker Restaurants Eleven Madison Park. Auch Andreas Caminada, Drei-Sterne-Koch im Restaurant Schloss Schauenstein im bündnerischen Fürstenau, gehört zu den langjährigen Fans des Käsemeisters aus dem Toggenburg.
Nur beste Rohmilch
Leidenschaft fürs Handwerk, gepaart mit grösster Sorgfalt und höchstem Qualitätsbewusstsein bei sämtlichen Herstellungsschritten sowie die beste Rohmilch aus der Umgebung: Diese Voraussetzungen müssen für Willi Schmid erfüllt sein, um Käsesorten der Spitzenqualität zu kreieren. Oft steht Schmid bereits um vier Uhr in der Früh in seiner «Städtlichäsi». «Dann bin ich ungestört und kann konzentriert arbeiten. Frühmorgens kümmert er sich da um die Milchannahme. Exakt gestaffelt kommen die Milchbauern täglich zur Käserei, um ihr frisches Rohprodukt abzuliefern. Besucher haben aus hygienischen Gründen keinen Zutritt in die Käsekeller. Vor allem der langsam reifende Jersey Blue ist anfällig auf Fremdbakterien und könnte infiziert werden, weiss Schmid. Anfangs sind die Laibe noch weiss. Später setzen sie den typischen Blauschimmel an.
Klein und nachverfolgbar
Klein, übersichtlich und nachverfolgbar: So stimmt es für Willi Schmid. Er weiss, woher seine Milch kommt und er pflegt den regelmässigen Dialog mit seinen neun Milchbauern. «Alles fängt bei den Bauern an», sagt er. Die Haltung der Tiere, die Qualität des Futters, ein sauberer Stall, kurze Transportwege, aber auch die liebevolle Pflege der Landschaft und die saubere Luft – dies alles sei wichtig. «Nur so kriege ich hochwertigen Rohstoff. Wir kontrollieren ihn täglich in unserer Käserei.» Die Milch stammt von Produzenten, die höchstens zehn Kilometer von Lichtensteig entfernt leben. Die Milch eines jeden Hofes wird separat verarbeitet. «Dies hat einen wichtigen Einfluss auf den Charakter eines Käses», sagt Schmid. Wer mit der besten Milch arbeiten dürfe, trage eine besondere Verantwortung. Dies verlange Demut, sagt Willi Schmid und meint damit die Achtung vor dem Tier und der Natur. «Wir haben bei uns im Toggenburg das Glück, über den besten Rohstoff und die besten Bedingungen zu verfügen.» Die hohe Qualität des Futters merke man dem Geschmack der Milch an. «Wenn ich an ihr rieche, duftet es nach Heimat.»
Die richtige Grösse erreicht
Der 51-jährige Willi Schmid wächst im Toggenburg auf einem Bauernhof im Weiler Bühl oberhalb von Nesslau auf. Eigentlich will er Landwirt werden, macht dann aber eine Lehre als Käser. Nach verschiedenen Berufsstationen in der Deutschschweiz kauft er 2006 in Lichtensteig eine alte Käserei. Als sie wegen des Erfolgs zu klein wird, bauen Willi und Bea Schmid-Walliser eine neue Käserei am Rande des Ortes. Die Eröffnung erfolgt im Juni 2015. Schmid verzeichnet nach diesem Zeitpunkt Produktionssteigerungen von
100 Prozent pro Jahr. «Jetzt haben wir eine Grösse erreicht, bei der es mir noch wohl ist.»
Der Meisterkäser wird mit seinem Jersey Blue-Käse in den Jahren 2010 und 2012 Weltmeister. «Ohne Werbung und viele Events, alleine über die Mund-zu-Mund-Propaganda und Berichterstattung in den Medien, können wir heute gut leben», sagt Schmid. Sein Sortiment umfasst über 30 verschiedene Käsesorten und Butter. Willi Schmid ist mit der Floristin Bea Walliser verheiratet. Das Ehepaar hat drei Kinder, zwei Töchter und einen Sohn.
Schritt für Schritt
Willi Schmids «Städtlichäsi» verarbeitet jährlich rund 800 000 Kilogramm. «Ich bezahle meine Bauern sehr gut: Sie sollen einen fairen, existenzsichernden Preis erhalten, damit sie ihre Betriebe weiterentwickeln können», sagt Schmid und wendet mit seinen kräftigen, von Milchsäure und Salzlauge geröteten Händen, die frischen Laibe. Schmid produziert mit seinen drei Angestellten über 30 verschiedene Rohmilchkäse.
Der erste Produktionsschritt ist das Aufwärmen der frischen Rohmilch im Käsekessi aus Chromstahl: unter Rühren und je nach Sorte auf rund 40 Grad Celsius. «Mit der Temperatur und Dauer kann ich viel beeinflussen und spielen. Das ist sehr spannend», sagt Willi Schmid.
Danach werden Milchsäurebakterien zugefügt. Nach etwa 30 Minuten haben sich diese auf bis zu 250 000 Bakterien pro Kubikzentimeter vermehrt. Nun gilt es, das Lab beizufügen, welches die Gerinnung der Milch auslöst. Das Ergebnis der Dicklegung ist eine gallertartige Masse. Diese wird mit einer Käseharfe zerschnitten. Der Käsebruch entsteht. Die Grösse der Körner bestimmt den Härtegrad des Endproduktes. Die Käsekörner werden weiter gerührt und erwärmt – je härter der fertige Käse werden soll, umso höher die Temperatur. Sobald die Käsemasse die gewünschte Festigkeit aufweist, wird sie in Formen aus Chromstahl oder Kunststoff abgefüllt. Die Molke fliesst durch feine Löcher ab. Die Käse werden dann mehrmals gewendet.
Fünf verschiedene Keller
Ist der der gewünschte pH-Wert erreicht, geht es ins Salzbad: Der schwimmende Käse nimmt hier Salz auf und gibt Molke ab. Langsam wird sein Geschmack intensiver. Die Reifung von Willi Schmids Käsen erfolgt in fünf Kellern. Die Luftfeuchtigkeit beträgt bei Rotschmierkäse 95 bis 98 Prozent, bei den anderen Sorten 90 bis 93 Prozent. Im Keller erfährt der Käse während Wochen und Monaten einige Veränderungen: Es bildet sich die Rinde, der für die Geschmacksbildung wichtige Eiweissabbau beginnt, das Innere verändert die Farbe und es entstehen Löcher. Durch das Einreiben mit Kräutern, Most oder Weisswein werden die Laibe veredelt. Die Käse lagern auf Fichtenholzbrettern, welche die Feuchtigkeit ausgleichen.
Hält wenig von Labelwelle
«Ein Geisskäse ist viel feiner als ein Kuhkäse», sagt Willi Schmid. Schaf- und Büffelkäse würden sich ähneln. Ziegenmilch sei aber wie das Tier: «Launisch und schwierig zu verarbeiten. Ziegenmilch reagiert am stärksten auf Umwelteinflüsse. Für mich ist das die spannendste Milch», erklärt Schmid. Von der grassierenden Labelwelle hält Schmid indes nicht viel. Seine Bauern haben strenge Vorgaben und erfüllen alle die Bioqualität. Mit normaler Milch gibt sich Schmid nicht zufrieden. «Das Label bin ich», sagt er. «Ich habe meinen eigenen Stil und stehe mit meinem Namen dahinter», sagt der Käser. Für Willi Schmid gibt es beim Käse kein Haltbarkeitsdatum, sondern nur den optimalen Reife- und Genussgrad. Einen gereiften Käse lagert man am besten in der Originalverpackung bei plus drei Grad Celsius im Gemüsefach des Kühlschranks. Damit sich sämtliche Geschmacksnuancen entwickeln können, muss der Käse eine Stunde vor dem Genuss temperiert werden.
Organisiert Käseseminare
Das Käseangebot in der Schweizer Gastronomie gefällt Willi Schmid: «Wir haben heute gute Restaurants mit breiter Käseauswahl. Die Käsekenntnisse werden immer besser, sind aber noch steigerungsfähig.» Deshalb führt Schmid gelegentlich zweistündige Käseseminare für Gastronomen durch. Für Schmid gehört mindestens ein Hartkäse auf eine schöne Käseplatte. Etwa Gruyère, ein Sbrinz oder ein feucht gelagerter, alter Emmentaler. Weiter zur Auswahl gehören ein Halbhart-Schnittkäse, ein Alpkäse sowie ein Weichkäse mit schön ausgewogener Reife. Als Abschluss sei ein Blauschimmelkäse – am besten natürlich sein eigener Jersey Blue – eine gute Wahl. Käse wird nach Schmids Ansicht in den Restaurants oftmals zu teuer verkauft. «Der Preis hat für den Gast eine gewisse Schmerzgrenze erreicht. Meine Käse kosten zwischen 30 bis 40 Franken pro Kilo. 20 Franken für 40 Gramm Käse sind somit einfach zu viel. Denn beim Käse muss – abgesehen von der Lagerung – nicht mehr viel gemacht werden. Für 40 Gramm reichen 10 Franken aus. Selber bestelle ich mir aber trotzdem zum Abschluss eines feinen Essens immer Käse.»
Genuss der Extraklasse
Der erstklassige Toggenburger Käse aus Milch von Schafen, Ziegen oder Büffel sowie von Braunvieh- und Jersey-Kühen gehört selbst für verwöhnte Gaumen zum Besten, was der Markt zu bieten hat. Der cremige Bergfichte-Rohmilchweichkäse, schön mit Toggenburger Tannenrinde ummantelt, ist ein Festmahl. Etwa wenn man Brot oder Kartoffeln hinein dippt oder auch wenn man ihn einfach mit dem Löffel aus seiner Verpackung kratzt.