«Es ist bedenklich, mit welcher Selbstverständlichkeit manche Leute Waren einpacken, ohne diese zu bezahlen», sagt Roman Walser kopfschüttelnd und fügt an: «Diese Dreistigkeit ist einfach erschreckend.» Dabei spricht der Zettel, der an der Tür des Hofladens hängt, eine ziemlich deutliche Sprache: «Hofladen und Hofplatz sind videoüberwacht. Jeden Diebstahl melden wir der Polizei!»

Plötzlich war das Wechselgeld weg

Den Hofladen haben Claudia und Roman Walser 2013 eröffnet. Sie verkaufen saisonale Produkte wie Spargeln, Äpfel, Birnen, Kirschen, Aprikosen, Pfirsiche und Gemüse vom Hausgarten. Hinzu kommen selbst verarbeitete Produkte wie Konfitüre, Sirup oder Süssmost und samstags jeweils Zopf. Das eigene Sortiment wird bereichert durch Produkte von Betrieben aus der Region. Von Mitte April bis Ende September sind Walsers zudem jeden Samstag auf dem Wochenmarkt in Arbon.

Schon 2014 installierten sie im Hofladen eine Kamera. Roman Walser erzählt: «Plötzlich war das Wechselgeld, das in einer Schale neben der Kasse steht, weg – und zwar mehr als einmal.» Immer wieder komme es vor, dass Kunden die Ware gar nicht wägen, geschweige denn bezahlen. «Und zwar von Leuten, von denen man es nicht erwarten würde», hält er fest. Besonders zahlreich seien die Diebstähle jeweils zu Beginn der Sommerferien. Weshalb dies so ist, kann er sich nicht erklären.

«Es geht uns ums Prinzip»

Er und seine Frau hatten aber irgendwann genug von den Langfingern und installierten vor dem Hofladen eine zweite Kamera. Damit registrieren sie jetzt auch die Autonummern der auf ihrem Hof einkaufenden Personen. «Wir melden jeden Diebstahl der Polizei und erstatten Anzeige», hält Roman Walser mit Nachdruck fest. Weil es sich um Kleindelikte handelt, hat die Anzeige für die Diebe kein Nachspiel. Sie erhalten aber Hausverbot. Wenn sie das Hofareal trotzdem wieder betreten, ist das Hausfriedensbruch und wird mit einer Busse geahndet.

Walser schätzt, dass sie schon 15 Diebstähle bei der Polizei gemeldet haben. Er bemerkt: «Es handelt sich nicht um horrende Summen, die uns entgehen. Aber uns geht es ums Prinzip.» Walsers erhoffen sich mit den Kameras und der drohenden Anzeige eine abschreckende Wirkung.

Walser vermutet, dass es viele Hofläden gibt, die mit Diebstählen zu kämpfen haben. Wegen der kleinen Summen sei der Aufwand, dies nachzuweisen und Anzeige zu erstatten, recht hoch. Das werde viele Hofladenbetreiber wohl davon abhalten, rigoros dagegen vorzugehen, glaubt er. Als nächstes wird Walser eine weitere Aussenkamera installieren.

Neuer Hofladen soll teilweise bedient sein

Während der Corona-Krise hatte der Hofladen mehr Zulauf, was Roman Walser freut. «Regionale Produkte sind gesucht und werden in Zukunft noch mehr nachgefragt.» Erstaunlicherweise gab es weniger Diebstähle. «Wegen der vielen Kundschaft fühlten sich die Leute wahrscheinlich mehr beobachtet», mutmasst Walser.

Die Direktvermarktung ist zu einem wichtigen Standbein für den Walserhof geworden. Daher sind Claudia und Roman Walser daran, den Hofverkauf auszubauen. Dazu wird der alte Kuhstall umgebaut, der seit dem Verkauf der Milchkühe 2018 leer steht. Auf einer Fläche von 48 m2 soll eine Verkaufsfläche mit Verarbeitungsraum im hinteren Bereich entstehen. «Einen Teil der Produkte werden wir weiterhin in Selbstbedienung verkaufen. Es ist aber geplant, dass wir Öffnungszeiten für einen bedienten Bereich einführen», kündigt Walser an.

Dass permanent jemand im Laden ist und die Kunden bedient, ist für ihn keine Option. «In Spitzenzeiten, zum Beispiel während der Obsternte, brauchen wir alle verfügbaren Arbeitskräfte.» Dies sind Roman und Claudia Walser, Romans Eltern sowie eine Festangestellte.

 

«Kameras haben eine abschreckende Wirkung»

Véronique Keller von der Fachstelle Bäuerinnen und Gesundheit am Strickhof betreut das Ressort Direktvermarktung. Im Interview äussert sie sich zu Diebstahl in Hofläden.

Frau Keller, kann man eine Aussage machen, wie gross das Problem von Diebstählen in Hofläden ist?

Véronique Keller: Das ist schwierig zu sagen. Gemäss einer Studie der Universität Bern aus dem Jahr 2019 beträgt die Diebstahlrate 5 Prozent. Das hängt aber stark von der Lage des Hofladens ab. Abgelegene Hofläden sind gemäss dieser Studie häufiger betroffen als solche, die in einem stark frequentierten Gebiet liegen.

Kennen Sie Betriebe, die wie Familie Walser konsequent jeden Diebstahl der Polizei melden?

Nein, ich höre zum ersten Mal von so einem Vorgehen. Da es sich bei der gestohlenen Ware meist um sehr kleine Beträge handelt, ist der Aufwand einer Anzeige im Verhältnis zum Nutzen sehr gross.

Welche Massnahmen empfehlen Sie, um Diebstähle vorzubeugen?

Kameras haben sicher eine abschreckende Wirkung, selbst wenn es sich nur um eine Attrappe handelt. Ein bedienter Hofladen kann Sinn machen, ist aber mit Personalkosten verbunden. Immer mehr Hofläden stellen auch Automaten auf. Da sinkt natürlich das Risiko von Diebstahl, da man dazu den ganzen Automaten aufbrechen müsste.

Anstelle von offenem Wechselgeld würde ich Twint empfehlen. Erstens kann so das Geld nicht gestohlen werden und zweitens wird mehr eingekauft, da heute viele kein Bargeld mehr dabei haben. Diebstahl kann jedoch auch so nicht vermieden werden. Die 5 Prozent Diebstahl sollten in die Verkaufspreise einkalkuliert werden.