«Mit fünfzehneinhalb Jahren habe ich angefangen zu käsen. Jetzt bin ich bald 38 und wollte nie etwas anderes machen», sagt Fabian Spielhofer.

Genau genommen macht er aber viel mehr als käsen: Vor einem Monat hat er die Käserei Künten von Sepp Brülisauer übernommen. Jetzt ist er der Chef von acht Mitarbeitenden und 30 Tonnen Käse im Keller. Seine Arbeit fängt mit dem Milchkauf an, geht über Käseherstellung und -pflege bis zum Marketing und Verkauf.

Nur noch wenig private Käsereien

Die Käserei Künten ist eine von nur noch zwei privat geführten Käsereien im Kanton Aargau, drei weitere gehören Emmi. Was für Käsermeister Fabian Spielhofer ein Traumberuf ist, lockt andere wenig, mit 7-Tage-Woche und Arbeitsbeginn morgens um halb vier. Spielhofer hingegen ist mit Leidenschaft im Geschäft. «Wir produzieren im Hochpreissegment. Da braucht es Top-Qualität auf allen Stufen, von der Milch bis zur Verpackung. Es muss alles stimmen, nur so können wir überleben», erklärt er.

Er verarbeitet rund 2,8 Mio Kilo Milch pro Jahr, ausschliesslich silofrei. Die konventionelle Milch produzieren vier Aargauer Betriebe, die Biomilch – sie macht rund 40 Prozent aus – bezieht er via Emmi, immer von den gleichen Lieferanten aus Sumiswald BE. Silofreie Biomilch sei in der Region schwierig zu bekommen, sagt der Käser.

«Ich käse nicht ins Blaue hinein.»

Fabian Spielhofer kennt seine Kunden und den Käsekeller und plant entsprechend.

Der Name bleibt

Im Sortiment der Brülisauer Käse AG sind 15 verschiedene Halbhart-Spezialitäten. Sepp Brülisauer hatte sein Unternehmen schon früh mit regionalen Spezialitäten auf Erfolgskurs gebracht. An diesem Konzept ändert sein Nachfolger nichts: «Regionalität ist den Kunden sehr wichtig. Das ist gut für uns, so können wir Kleinen den Grossen die Stirn bieten.» Auch der Name «Brülisauer» bleibt bestehen, der sei ja schon fast eine Marke, sagt Spielhofer.

Der eigene Laden ist wichtig für Rückmeldungen

Seine Abnehmer sind Migros und Coop, im Inland etwa zu 40 Prozent, dazu kommen Käsehändler und einige Spezialitätenläden. Rund 40 Prozent gehen nach Deutschland. Der eigene Laden in Künten spielt bei der verkauften Menge nur eine kleine Rolle, ist aber wichtig: Hier geben die Kunden direkte Rückmeldungen zu den Produkten, was dem Käsermeister sehr wichtig ist. Er hat zwar seine Pflichten als Unternehmer, das Käserhandwerk bleibt aber seine Leidenschaft. «Aus diesem genialen Naturprodukt kann man so viel machen», schwärmt er.

Flexibilität bringt Action

«Die Abnehmer schätzen unsere Flexibilität», weiss Fabian Spielhofer. Man gehe auf Wünsche ein, könne die Produktion rasch umstellen bei Bedarf. «Ich kenne meine Kunden und meinen Käsekeller und käse nicht ins Blaue hinein», kommentiert er seine Planung. Dennoch lasse sich nie alles genau planen, «am Abend kann die Situation komplett anders sein als am Morgen.» Er mag solche Herausforderungen – «ich brauche etwas Action, immer die gleichen Abläufe wären nichts für mich.»

«Es braucht Top-Qualität auf allen Stufen.»

Für Käser Fabian Spielhofer muss von der Milch bis zur Verpackung alles stimmen.

Einstieg während Krise

«Trotz Corona ein guter erster Monat», zieht Fabian Spielhofer Bilanz. Das breite Kundenportefeuille habe die Auswirkungen der Krise abgefangen und einigermassen ausgeglichen. Und hygienisch arbeiten müsse man in seiner Branche sowieso.

Die weiteren Ziele? «Zuerst einmal die reibungslose Betriebsübernahme. Unsere Kunden sollen nicht viel vom Wechsel merken. Und wenn ich dann mein erstes Jahr trotz Corona so gut abschliesse wie Sepp Brülisauer sein letztes, bin ich zufrieden», sagt Spielhofer. Wachstum müsse nicht unbedingt sein, auch wenn 400 000 Kilo mehr Milch produktionstechnisch möglich wären. «Ich will lieber eine gute Wertschöpfung für alle Beteiligten als mehr Menge.» Die Qualität zu halten, beschäftigt ihn und sein Team täglich. Und die Arbeit an Neuem. «In zehn Jahren sieht unser Sortiment sicher anders aus als heute», sagt der Käsermeister. So tüftelt er derzeit mit Ziegenmilch von einem Produzenten aus der Region. Im vergangenen Jahr ist er mit Mutschli gestartet, heuer folgt ein Weichkäse.

 

Gute Nachfolger zu finden, ist eine Herausforderung für die Käserbranche

In der Region Zentralschweiz und Aargau gibt es noch rund 60 Käsereien, die von einem Käser selbstständig geführt werden. Diese Betriebe verarbeiten pro Jahr rund 100 Mio Kilo Milch. Der Bioanteil ist mit zehn Prozent nicht sehr hoch, sei aber zunehmend, erklärt Josef Werder, Präsident der Zentralschweizer Käsermeister (ZSKM). «Regionalität ist aber für viele Konsumenten wichtiger als Bio. Wenn sie wissen, wo die Kühe zuhause sind, ist das für sie eine transparente Information.»

Entsprechend gefragt und wichtig sind darum die regionalen Spezialitäten im Sortiment der Käsereien, ein Trend, den auch die Grossverteiler aufgenommen haben. Emmentaler und Sbrinz sind aber für viele Käsereien in der Region wichtige Produkte geblieben. «Man muss gute Qualität und einen Markt haben, und innovativ sein», fasst Werder die Erfolgsfaktoren zusammen.

Die Käsereien verschwinden zunehmend

Vor 25 Jahren gab es noch fast doppelt so viele Käsereien in der Region wie heute. Und der Strukturwandel gehe weiter, prognostiziert Josef Werder. Geeignete Nachfolger zu finden, bezeichnet er als die grösste Herausforderung für die Branche. Der Verband unterstützt darum Einsteiger mit Starthilfedarlehen. Über die Nachfolgelösung bei der Käserei Brülisauer in Künten freut sich der ZSKM-Präsident. Dass solche wertschöpfungsstarken Betriebe weitergeführt würden, sei wichtig für die Branche: «Es braucht die Vielfalt.»

In der Küssnachter Dorfkäserei von Josef Werder werden jährlich zwei Millionen Kilogramm Milch zu Halbhartkäse verarbeitet und über den Dorfladen, Gastronomie und Grossverteiler vermarktet, 15 bis 20 Prozent gehen in den Export. Hauptprodukt ist der Küssnachter, den es je nach Saison mit Trüffelbutter, Bärlauch, Tomaten-Basilikum und anderem zu haben gibt. Vor Kurzem wurde die Käserei renoviert. Es sei wichtig, den Betrieb à jour zu halten, sagt Werder, gerade im Hinblick auf eine Nachfolgelösung, die bei ihm in acht bis zehn Jahren ansteht. «Es steigt kein Junger ins Geschäft ein, wenn er zuerst investieren muss.»

Die Corona-Krise bekommen die einzelnen Käsereien je nach Positionierung unterschiedlich zu spüren. Einerseits ist der Gastrokanal ausgefallen, andererseits wird mehr Käse im Detailhandel verkauft. Gerade Dorfläden würden momentan besser laufen, beobachtet Werder.

 

 

Die Brülisauer Käse AG

Vor 35 Jahren kam der Käser Sepp Brülisauer aus St. Gallen in den Aargau und trat in den Dienst der Käsereigenossenschaft Künten. Dort wurde damals ausschliesslich Tilsiter produziert, die Schweizerische Käseunion regierte den Markt. Später kaufte Brülisauer die Käserei und führte sie ab 1991 als Familienbetrieb. Der Ostschweizer machte sich als Rebell in der Käsewelt bekannt, produzierte statt althergebrachte Sorten nach selbst entwickelten Rezepturen. Er musste Bussen bezahlen, war dafür jedoch parat, als der Käsemarkt liberalisiert wurde. Mit seinen Eigenkreationen, die er traditionell aus silofreier Milch herstellte, machte sich Brülisauer im In- und Ausland einen Namen.

Am 1. April hat Fabian Spielhofer nach zweijähriger Übernahmeplanung die Geschäftsleitung und das Aktienkapital der Firma übernommen. Der Käsermeister hatte zuvor sechs Jahre lang als Produktionsleiter und stellvertretender Geschäftsführer in der Käserei Künten gearbeitet.