Agronom und Pro-Natura-Landwirtschaftsexperte Marcel Liner hat für das Magazin der Naturschutzorganisation fünf landwirtschaftliche Schulen von aussen besichtigt. Seine Beurteilung dessen, was «aus ökologischer Sicht positiv und negativ auffällt» ist mit drastischer Wortwahl und einem klaren Fazit zusammengefasst: Die Institutionen seien schlechte Vorbilder, vielleicht sogar mit ein Grund, weshalb umweltfreundliche Veränderungen in der Schweizer Landwirtschaft einen besonders schweren Stand hätten. Eine Nachfrage bei den betroffenen Schulen in der Deutschschweiz zeigt: Die Reportage kommt bei den Betroffenen gar nicht gut an.
Eigentlich sehr guter Dialog
«Pro Natura ist uns sehr wichtig, die Organisation zeigt aber ein gewisses Talent, mit unglücklichen Aktionen und Kampagnen wichtige Partner vor den Kopf zu stossen», meint Ebenrain-Direktor Lukas Kilcher. Mit merklicher Enttäuschung gibt er zu bedenken, dass nicht einmal der Name seiner Institution richtig geschrieben worden sei. «Der Ebenrain ist das Zentrum für Landwirtschaft, Natur und Ernährung und in unserer Region auch mitverantwortlich für Natur im Landwirtschaftsgebiet, im Wald und im Siedlungsraum», stellt Kilcher klar. In dieser Verantwortung sei der Ebenrain in sehr gutem Dialog mit den regionalen Natur- und Umweltschutzorganisationen und setze sich mit viel Herzblut dafür ein, in Sachen Ökologie und Biodiversität eben nicht nur die Landwirtschaft und den Wald, sondern vermehrt auch den Siedlungsraum aufzuwerten. Dabei habe der Ebenrain Vorbildfunktion und sei deshalb daran, die Umgebung der Gebäude, darunter auch den Vorplatz der Mensa naturnaher zu gestalten.
Die Plastiksäcke sind weg
Einzelne Elemente wie der Kursgarten haben bei Pro Natura gut abgeschnitten. Kritik gab es hingegen für Rhododendron und Blauregen. «Das sind Überbleibsel. Früher hatte man andere Werte, so zum Beispiel Freude an Exoten», erklärt Lukas Kilcher. Schrittweise sei man daran, die gesamte Umgebung inklusive Schlosspark ökologisch aufzuwerten. Ein Beispiel sind die Bäume vor der Mensa, die erst kürzlich gepflanzt wurden. Diese waren bei der Besichtigung von Marcel Liner – frisch geliefert – noch in weisse Plastiksäcke verpackt gewesen. Prompt werden im Pro-Natura-Magazin die «scheinbar trendigen Plastiksäcke» moniert. Bereits beim Erscheinen des Magazins waren die Bäume jedoch in schöne und praktische hölzerne Töpfe gesetzt, die je nach Schattenbedürfnissen verschoben werden können.
«Mit uns kann man reden»
Besonders getroffen hat Lukas Kilcher der Vorwurf, am Ebenrain mangle es an Überzeugung für den Bio-Anbau. Dies, weil beim Ebenrain-Gutsbetrieb 2x-Nein-Plakate hingen. «Wir waren europaweit der erste Gutsbetrieb, der 1971 auf bio umgestellt hat, noch bevor das FiBL gegründet wurde», betont der Direktor. Der Ebenrain habe bewusst auf eine Parole verzichtet, das sei Aufgabe der Politik. «Aber der Pächter des Gutsbetriebs hat seine eigene Meinung und darf – genau wie jeder andere Schweizer – diese auch äussern», erklärt Kilcher. Deswegen die Kompetenz und das Herzblut für Biolandbau am Ebenrain zu hinterfragen, zeige, wie wenig sich der unglückliche Artikel fachlich mit dem Thema auseinandersetze. Sein Engagement für die Natur und seine Freude an der Zusammenarbeit mit Pro Natura lasse er sich deswegen nicht nehmen. «Ich mag konstruktive Kritik, und es stört mich nicht, wenn diese auch öffentlich zum Ausdruck kommt. Ich bin aber überzeugt, dass diese im Dialog viel wertvoller ausfällt, mit uns kann man reden», schliesst er.
Schlecht recherchiert und einseitig
Die Tierhaltung am Strickhof beschreibt Pro Natura als «lustlos», die enthornten Kühe seien reine Milchmaschinen. Dem ganzen Schulareal fehle jeglicher Bezug zur Landwirtschaft, es sei «im letzten Jahrhundert steckengeblieben». «Seitens Strickhof haben wir entschieden, nicht auf diese völlig einseitige, sehr schlecht recherchierte und falsch interpretierte Fotoreportage zu reagieren», schreibt Direktor Ueli Voegeli auf Anfrage der BauernZeitung. Man könne die «Kritik» von Pro Natura in dieser Form nicht ernst nehmen und weise sie vehement zurück.
Das Vorgehen und das wiederholte Anprangern landwirtschaftlicher Schulen bestätigt aus Voegelis Sicht, dass Pro Natura nicht an Fakten und einem konstruktiven Dialog zur Weiterentwicklung der Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft interessiert sei. Vielmehr scheine Provokation und sich möglichst antilandwirtschaftlich und naturschutzgrün zu positionieren das Ziel zu sein. «Wir verweigern nicht den Dialog, auch nicht mit NGOs», versichert Voegeli, «gerne würden wir Herrn Liner vor Ort im Detail zeigen, wie wir heute in Sachen Ökologie und Biodiversität unterwegs sind». In diesem Jahr habe man zusammen mit verschiedenen Lernenden in einem Projekt das Campusgelände weiter ökologisch aufgewertet und auch bisher nur positive Rückmeldungen bekommen. Insgesamt ist der Strickhof nach Meinung des Direktors in diesen Dingen bereits sehr vorbildlich, aber immer auch bestrebt, sich zu verbessern. Die Kritikpunkte von Pro Natura seien schlicht nichtzutreffend.
Betonung auf alle drei Dimensionen der Nachhaltigkeit
Das Landwirtschaftliche Zentrum Liebegg (LZL) teilt die Grundhaltung des Strickhofs. Die Anschleichaktion sei nicht ernst zu nehmen und qualifiziere sich selbst. «Sicher haben wir eine Vorbildrolle, aber nicht nur in Sachen Biodiversität und Ökologie», stellt Hansruedi Häfliger klar. Es gehe um Nachhaltigkeit, und zwar um alle drei Dimensionen – «da gehören die Wirtschaftlichkeit und soziale Aspekte eindeutig dazu», betont der Direktor des LZL. So suche man laufend nach praxistauglichen Lösungen und entwickle sich auf der Basis innovativer Ansätze und neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse weiter. «Dafür brauchen wir Pro Natura nicht, wir bevorzugen den Dialog, z. B. mit Agroscope, dem FiBL, der HAFL oder der ETH», bekräftigt Häfliger. Pro Natura stört sich am Herbizideinsatz in der Obstanlage der Liebegg. Laut dem Direktor kämpft man dort mit starkem Mäusedruck und arbeitet im übrigen ÖLN-konform, «Wenn es ein praxistaugliches Gerät für die wirkungsvolle herbizidlose Unterstockbehandlung gibt, werden wir es einsetzen.»
Die grundsätzliche Ausrichtung der Liebegg, mit deutlich mehr als einem Mindestmass an ökologischen Ausgleichflächen, vielen Unterrichtseinheiten in Ökologie und der Zusammenarbeit mit dem FiBL auf dem benachbarten biologischen Mattenhof kommt laut Häfliger beim Zielpublikum – sprich angehenden und praktizierenden Landwirt(innen) – gut an. Wenn Pro Natura einen konstruktiven Dialog wolle, sei das immer möglich. «Aber Anschleichen ist nicht unser Stil», hält er fest.
Positives wie Negatives aufgezeigt
Landwirtschaftliche Schulen seien öffentlich finanzierte Einrichtungen, in denen Besucherinnen und Besucher willkommen sind und sich jederzeit ein Bild der Umgebung machen dürfen. Den Vorwurf einer Anschleichaktion oder verdeckten Ermittlung weise man daher klar zurück, schreibt Pro Natura auf Anfrage der BauernZeitung. In der Reportage halte man spontane Eindrücke fest und hebe sowohl hervor, was ökologisch negativ als auch was positiv auffalle. «Parallel zum Magazinversand haben wir sämtlichen Landwirtschaftszentren einen Brief geschrieben und sie für einen Austausch eingeladen. Wir sind also zum Dialog bereit, falls dieser erwünscht ist», so die Antwort von der Medienstelle.