Die Schweizer Kartoffelernte dieses Jahres zeichnet ein Bild der Herausforderungen: Trockenheit, Krankheiten und Schädlingsbefall. Und die Vorzeichen waren bereits früh erkennbar: «Die Ertragserhebungen Anfang September haben gezeigt, was sich nun bestätigt – die Erträge und Qualitäten lagen vielerorts auf tiefem Niveau», fasst Niklaus Ramseyer, Geschäftsführer der Vereinigung Schweizerischer Kartoffelproduzenten VSKP, die Situation zusammen.
Wassermangel und Krankheitsdruck
Heute seien zirka 50 Prozent der Kartoffelfläche bewässert, erklärt Niklaus Ramseyer. «Die Möglichkeit zum Bewässern wird in Jahren, in denen die Niederschläge während den Sommermonaten ausbleiben, immer wie wichtiger – dementsprechend bei den Kartoffeln tendenziell immer wie mehr Fläche bewässert», ergänzt er. Gerade das aktuelle Jahr zeige aber, dass die Bewässerung gerade bei extremer Hitze die Ertragseinbussen nicht immer kompensieren könne. Und mit einem Nettoertrag, der 30 bis 40 Prozent unter dem Durchschnitt liegt, seien grössere Importe dieses Jahr unausweichlich, um den inländischen Bedarf zu decken, so der VSKP-Geschäftsführer weiter.
Die Produzenten sehen sich nicht nur mit einem Ertragsdefizit konfrontiert, sondern auch mit Schädlingen und Krankheiten. «Der heisse und trockene Sommer begünstigte die Vermehrung des Kartoffelkäfers», erklärt Niklaus Ramseyer, der auch das Auftreten neuer Pilz- und Bakterienkrankheiten als besorgniserregend hervorhebt. Und in dieser Saison war das Resistenzmanagement ein besonderes Problem: «Das reduzierte Wirkstoffportfolio birgt grosse Risiken für Resistenzbildungen», warnt er. Die Auswahl an verfügbaren Wirkstoffen schrumpfe und neue Mittel seien nicht in Sicht. Die Förderung alternativer Schutzmassnahmen und der Anbau resistenter Sorten gewinne darum an Bedeutung, betont Niklaus Ramseyer.
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Temperatur beeinflusst Lagerfähigkeit
Thomas Augstburger, Biokartoffelproduzent im Berner Seeland, bestätigt den extremen Schädlingsdruck. «Zum Teil zählte ich 30 bis 50 Käfer pro Staude – und leider waren die biologischen Schutzmassnahmen in diesem Jahr wenig wirksam», erzählt der Junglandwirt. Die trockene Witterung habe zudem das Wachstum der Kartoffeln beeinträchtigt, fügt er hinzu, was zu einer verzögerten Ernte führte.
Die Qualität der Kartoffeln sei auf den ersten Blick gut, auch wenn die Lagerfähigkeit wegen Wärmebelastung und gestörter Keimruhe genau beobachtet werden müsse. «Nachdem wir im Vorfeld der Ernte das Kartoffelkraut abschlegelten, damit die Knollen im Boden schalenfest werden, war es aufgrund der hohen Temperaturen auch in den Dämmen sehr warm – das könnte dann allenfalls Auswirkungen auf die Lagerfähigkeit der Kartoffeln haben», erklärt Landwirt Thomas Augstburger.
Mehr Importkartoffeln für die Verarbeitung
Die Kantone Bern, Freiburg und Waadt tragen mehr als die Hälfte zur schweizerischen Kartoffelproduktion bei und die Schweiz kann normalerweise rund 85 Prozent des eigenen Kartoffelbedarfs decken. Die geschätzten 30 bis 40 Prozent Mindererträge haben entsprechend auch weitreichendere Folgen, die sich auch in der Verarbeitungsindustrie widerspiegeln: «Die Kartoffeln sind kleiner und haben tiefere Stärkewerte», stellt Renate Schaffner, Leiterin Verkauf & Marketing bei der Frigemo AG, fest. Trotz des prognostizierten Defizits von etwa 55’000 Tonnen heimischen Veredelungskartoffeln sei jedoch nicht mit einem Pommes-Frites-Mangel zu rechnen.
Um den hiesigen Bedarf zu decken, dürften die dafür nötigen Importe aber teurer zu stehen kommen als auch schon – auch die Nachbarländer sind nämlich von ähnlichen Problemen betroffen.
Warum sich der Kartoffelanbau trotzdem lohnt
Die Anpassungsfähigkeit der Schweizer Kartoffelproduzentinnen und -produzenten wird auf die Probe gestellt und wiederholte Ertragseinbussen und steigende Produktionsrisiken sind kaum förderlich für die Anbaubereitschaft. Und im Gegensatz zu dem, was man oft hört, ist die Kartoffel nicht so einfach zu kultivieren: «Es handelt sich um eine sehr empfindliche Kulturpflanze», sagt Francis Bapst, der im freiburgischen Cormagens jedes Jahr zwischen 30 und 40 Hektar Kartoffeln anbaut. «Viele Pilzkrankheiten können sie befallen, wie die Kraut- und Knollenfäule, was zu einem Totalausfall der Kultur führen kann – das hat früher sogar zu Hungersnöten geführt», erklärt der Landwirt weiter. Hinzu kämen Insekten und andere Schädlinge wie Maulwürfe oder Mäuse und natürlich das Wetter.
Trotzdem ist Francis Bapst begeistert von dieser Kultur: «120’000 – das ist die Anzahl der Mahlzeiten, die durch den Anbau von einem Hektar Kartoffeln, also etwa 40 Tonnen, produziert werden können», erklärt er und fügt hinzu: «Es ist beeindruckend und erfüllend, sich vorzustellen, dass man mit seinen Feldern dazu beiträgt, so viele Menschen zu ernähren.» Und die Kartoffel ist bei Konsumentinnen und Konsumenten ein äusserst geschätztes Produkt: Es ist sogar eines der am meisten konsumierten Lebensmittel der Schweizer – zwischen 42 und 45 Kilogramm Kartoffeln essen Schweizerinnen und Schweizer pro Jahr.