Urs Müller hat den Obstbau im Kanton Thurgau geprägt wie kaum ein anderer. Seit 35 Jahren ist er als Obstbauberater tätig, 33 Jahre davon am Arenenberg. Ende Jahr geht er in Pension. Im Interview spricht er über die Veränderungen in der Obstbranche und in der Beratung und über seine Pläne für den Ruhestand.
Wie waren die Anfänge Ihrer Karriere als Obstbauberater?
Urs Müller: 1990 ging alles noch mit Schreibmaschine und ohne PC oder Handy. Unsere Informationen liefen alle über den «Thurgauer Bauer». Wir haben unsere Texte immer im Voraus auf Redaktionsschluss für die nächste Woche geschrieben. Heute ist alles immer taufrisch, am Morgen im Feld, am Mittag im Infokanal.
Was hat sich über die Jahre sonst noch verändert?
Die Arbeitsinhalte, das Tempo und die Breite der Themen sind in den letzten zehn Jahren enorm gestiegen – ebenso die neuen Schadorganismen. Heute sollten wir in allen Bereichen vorne sein. Wir befassen uns mit Themen, welche eigentlich die Forschung abhandeln sollte. Hier hat sich ein enormer Wandel vollzogen. Agroscope ist wichtiger denn je, kann aber aus personellen Gründen den Anspruch der Branche nicht mehr voll abdecken. Forschung findet heute auf verschiedenen Ebenen statt und Berater sind heute immer auch ein Stück weit Forscher.
Was macht in Ihren Augen einen guten Berater aus?
Beratung ist für mich dann gut, wenn Berater(innen) fachlich kompetent sind und die Beratung möglichst mit eigenen Erfahrungen und Innovationsgeist ausgeführt wird. Ein wichtiger Aspekt ist die Sozialkompetenz. Zuhören, überlegen, praxisnah handeln oder vermitteln.
Die Digitalisierung hat viele Vorteile, geht aber teilweise in eine falsche Richtung – so auch in der Beratung. Das reine Beobachten im Feld wird abgelöst durch Überwachungstools, Prognosemodelle usw. Das macht mir etwas Mühe, denn ein Modell ist eben immer ein Modell. Gute Beobachtungen sind für mich aussagekräftiger.
Was hat Sie in Ihrer Obstbau-Laufbahn besonders geprägt?
In meinen ersten Jahren befasste ich mich mit der Einführung von IP Suisse und nützlingsschonendem Pflanzenschutz, nebst Baumschnittkursen im Winter. Ab 1996 habe ich mich intensiv mit Feuerbrand und Steinobst befasst. 2000 war dann auch unser erster grosser Feuerbrandbefall im Thurgau. In dieser Zeit habe ich mich nebst der Entwicklung des Kirschenanbaus im Thurgau auch immer um den Pflanzenschutz gekümmert. Das ist bis heute mein Lieblingsthema geblieben. Die Aktivitäten um den Feuerbrand haben mir den Namen «Mister Feuerbrand» eingetragen.
Welches sind die zukünftigen Herausforderungen für die Betriebe?
Aus meiner Sicht ist im Obstbau eine Vereinheitlichung der Kulturmethoden Bio und ÖLN im Gange. Dies nicht nur wegen des Rückgangs an verfügbaren Pflanzenschutzmitteln, sondern auch weil sich die Werte verändert haben. Nicht zuletzt ist heute die finanzielle Situation der Obstbauern nicht mehr die gleiche wie früher. Nur Top-Betriebe kommen mit den enormen inneren und äusseren Qualitätsanforderungen zurecht. Die Spanne zwischen Rendite und Nullrunde ist im Obstbau viel enger geworden.
Bis Ende Jahr sind Sie noch Leiter Obstbau und Leiter des Beraterteams Obst, Beeren und Gemüse. Was kommt danach?
Ich bin sehr vielfältig interessiert. Ich freue mich auf mein grosses Hobby, die Pomologie – vielleicht gibt es da mal ein Birnenbuch. Ich freue mich auf die Berge, aufs Velofahren, die Ornithologie und auf mehr Zeit mit meiner Frau und im Haus und Garten. Langweilig wird es mir eh nie. Im Winter werde ich sicher irgendwo Bäume schneiden.