Nein, einen solch eindrücklichen Swiss-Fleckvieh-Bestand sieht man nicht alle Tage: Es ist wirklich ein Genuss, die Kühe von Samuel und Ursula Künzi aus Blausee-Mitholz in ihrem Anbindestall begutachten zu dürfen. Neben vielen maximalpunktierten Kühen gibt es auch etliche, welche linear sehr hoch beschrieben sind. Ja, das Herz von Künzis schlägt ganz klar für die rote, starke Swiss-Fleckvieh-Kuh.
Pickel hat eingeschlagen
Am Küchentisch merkt man schnell, man ist zu Gast bei einer besonderen Züchterfamilie. «Wir ziehen hier alle am gleichen Strick», hält das Betriebsleiterehepaar fest. «Wir haben einfach Freude an unseren Kühen und an der Viehzucht», doppelt Ursula Künzi nach. Im Stall stehen 37 Kühe, die Rinder werden an anderen Standorten aufgezogen. Erst in den 90er-Jahren begann man mit dem Einkreuzen auf dem Betrieb. «Damals hat mein Vater die Jura-Tochter Ulrike gekauft», weiss Samuel Künzi noch. Es sei die erste Kuh gewesen, die 40 kg Milch geleistet habe. Dann ging es Schlag auf Schlag, und zwar mit dem Stier Pickel. «Pickel hat unsere Zucht massgeblich geprägt», hält der Betriebsleiter fest. 13 Kuhkälber gab es von ihm hintereinander, erst das 14. sei ein Stierkalb gewesen.
Bei den vielen schönen Pickel-Kühen stach bei Künzis besonders eine heraus: Pickel Coquine. Diese erfolgreiche Ausstellungskuh erreichte nicht nur eine Lebensleistung von 115 000 kg Milch, sondern wurde auch die Mutter des bekannten KB-Stieres Cocorossa. Nicht nur exterieurmässig war Coquine eine Augenweide (55 55 98 /EX-92), sondern sie gab ihr starkes Exterieur auch an die nächste Generation weiter. Die berühmteste Tochter aus ihr war sicher Fantast Cremona, welche mit 55 55 98 punktiert und mit EX-95 beschrieben wurde. «Obwohl Cremona nicht mehr lebt, verkörpert sie bis heute unser Zuchtziel auf eindrückliche Art und Weise», so Samuel Künzi.
Ein klares Zuchtziel
Da die Familie Künzi im Sommer mit ihren Kühen auf die Üschinen z Alp geht, bevorzugen sie eine widerstandsfähige Kuh. «Unsere Kühe müssen in der Alpzeit von 1600 bis auf 2200 m ü. M. ihr Gras selber suchen», sagt Ursula Künzi. Da sie auf der Alp, neben dem Talbetrieb, noch ein kleines Beizli führen, haben sie nicht noch zusätzliche Zeit, sich um «kränkelnde» Kühe zu kümmern. Spricht man mit Künzis über die SF-Rasse und über die SF-Stiere, hat die Betriebsleiterfamilie ihre eigene Zuchtphilosophie. «Neben einem guten Exterieur sind für uns auch die Milchleistung und die Fitnessmerkmale sehr wichtig», hält der Landwirt fest. Vor allem bei der Milchleistung dürfe die SF-Rasse den Anschluss nicht verlieren. Bevor bei ihnen ein Stier zum Einsatz komme, werde dieser genau unter die Lupe genommen. «Die Kuhfamilie ist für uns sehr wichtig», sagt Ursula Künzi. Kennt man eine Stierenmutter nicht, werde nachgeforscht, bis man wisse, was in ihr stecke. «Nicht jeder Stier passt auf jeden Betrieb», ist der Züchter überzeugt. So wird bei ihnen auch nicht jeder bekannte Stier eingesetzt. Künzis setzen vor allem stark auf den Natursprung und auf Stiere aus eigener Zucht. «Genaro, der Saiko-Sohn aus Noris-Galante von Hans Bohren aus Langnau i. E., hat bei uns sehr gut funktioniert», hält Künzi fest. Obwohl der Swissgenetics-Schützling zahlenmässig nicht zu den Besten gehöre, habe er bei ihnen sehr schöne Kühe hinterlassen. Eine davon ist die Kuh Hanna, welche kürzlich bei der linearen Beschreibung in der zweiten Laktation VG 88 beschrieben wurde.
Hoffen auf Schauen in diesem Jahr
Auch in ihren Stier Odyssey Umberto setzt die Züchterfamilie grosse Hoffnungen. «Mittlerweile ist Umberto sechsjährig und steht bei Swissgenetics für ein Samendepot», sagt Samuel Künzi. Der mit EX-96 beschriebene Umberto stammt von ihrer Delago-Tochter Ulina (55 55 98/EX-94) ab, welche immer noch im Stall steht. Die ersten Töchter von Umberto haben abgekalbt und sehen vielversprechend aus. Das Künzis von ihrem Schützling derart ins Schwärmen kommen, liegt daran, dass sie mit der Kuh Bajana eine extrem starke Erstlingskuh von Umberto im Stall haben. «Sie ist schon etwas Besonderes für uns», hält die Züchterfamilie fest. Linear wurde Bajana kürzlich mit VG 86 beschrieben.
Obwohl die Familie Künzi vom Zuchtviehverkauf lebt, verkaufen sie solche Kühe wie Bajana nicht gerne. «Solche Tiere finden natürlich immer einen Käufer», weiss die Züchterfamilie. Erst recht, wenn noch die Beständeschauen stattfinden. «Wegen der fehlenden Ausstellungen war der Markt letztes Jahr nicht so lebhaft», beobachteten sie. Deshalb hofft die Familie, dass die Schauen dieses Jahr, trotz Corona, wieder normal durchgeführt werden können. «Für uns sind die Beständeschauen wie auch die lineare Beschreibung extrem wichtig», hält das Züchterehepaar fest.
Suchen einen Betrieb
Man könnte noch stundenlang mit Künzis über ihre Erfolge und Zuchtphilosophie sprechen. Aber ein Thema beschäftigt die Züchterfamilie je länger desto mehr: Bis 2025 müssen sie Mitholz und ihren Betrieb verlassen. «Die Räumung des Munitionslagers des Bundes ist aufgegleist, alle Bewohner des Dorfes müssen bis 2030 eine neue Bleibe suchen», sagt der Landwirt. «Weil wir direkt in der Gefahrenzone und unter dem Stollen liegen, müssen wir schon bis 2025 unseren Betrieb räumen», sagt Ursula Künzi mit leiser Stimme. Wo sie hingehen werden – «wir wissen es noch nicht». Ihr Wunsch sei es, im deutschsprachigen Bernbiet oder im deutschsprachigen Freiburg einen neuen Betrieb zu finden. «Wir haben noch nichts», sagt der Landwirt. Es sei halt extrem schwierig. Aber eins will die Familie auf jeden Fall, sie wollen Bauern bleiben, koste es, was es wolle. «Ohne Kühe und ohne Viehzucht können wir nicht leben», sagt der Betriebsleiter. «Wir werden einen Betrieb finden, ich glaube fest daran», sagt Ursula Künzi bestimmt.
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