Nach dem Ende der Pacht, die uns gekündigt wurde, suchte ich ein neues Tätigkeitsfeld. Es war mir schon bald klar, dass wer französisch spricht und dies auch in Wort und Schrift beherrscht, beruflich weiter kommt. Deshalb meldete ich mich auf ein Inserat eines Rindermästers im Waadtland. Als ich mich dort in eingeübtem Französisch vorstellte, kommentiere dies der Bauer mit dem Worten: «Der set mer z tüür, aber göit doch zom Roulin of Bercher – dä suecht Chauffeure.» Beim Transportunternehmer «Roulin frères SA» im Gros-de-Vaud in Bercher bekam ich noch am gleichen Tag eine Stelle, weil ich das Lastwagen-Billett hatte.
Immer gut füllen, lautete die Devise
Am ersten Arbeitstag durfte ich in einem Mercedes-Dreiachs-Kipper auf dem Beifahrersitz Platz nehmen. Ein Chauffeur erklärte mir während der Fahrt zum nahen betriebseigenen Betonwerk in Bioley-Magnoux die wichtigsten Funktionen des Gefährts. Im Kieswerk angekommen, wurde der Kipper bis oben hinaus mit Sand beladen. «On échange gravière avec La Poissine à Grandson», erklärte er mir. Dort kippte er den Sand im Kieswerk und als Gegenleistung füllte ein Baggerfahrer den Kipper mit «huit quinze»-Kies, bis es obenaus über die Kipperwände auf den Platz rieselte, denn Kies fliesst wie Wasser. «Il faut toujours bien chargé», erklärte der Kollege. Also immer gut füllen, merkte ich mir. Ich steuerte den beladenen Kipper zurück ins Betonwerk, denn dort gab es zwar eine Sandgrube, dafür keinen Kies. Den holte man in Grandson, wo ein Schwimmbagger Kies, tief aus dem See holte.
Die Kurve wird zum Verhängnis
Am zweiten Tag verkündete der Betonchef, ich brächte zu wenig Kies retour. Also reklamierte ich bei der nächsten Fuhre und der Baggerführer überfüllte den Kipper, so dass ein Kieshügel auf dem Kipper lag. Fröhlich fuhr ich zur Hauptstrasse und bog nach links ab. Wegen der Kurve, der Strassenneigung und der Überfüllung floss der Kieshügel über der Wandhöhe des Kippers wie Wasser auf die Strasse. Sie wurde wortwörtlich gekiest. Sofort war ich mich mir der Konsequenzen dieser Tat bewusst. Da ich allein auf der Strasse war, machte ich mich auf und davon. Eine Stunde später, gleicher Ort: Strasse auf einer Spur gesperrt mit Polizei-Blaulichtern, Polizisten winkten mich vorbei, Strassenarbeiter putzten Kies zusammen und letztere drohten mit Schaufeln und Besen. Sie ahnten wohl, dass ich der Verbrecher sei.
Die Sprache lernen – auch beim Feierabendbier
Schon nach einer Woche steuerte ich einen vierachsigen Lastwagen, damals das höchste aller Gefühle. Dessen Kippbänne fasste zehn Kubikmeter und wenn es pressierte, füllte man diese auch mal bis obenauf mit Beton, macht 27 Tonnen. Das leere Fahrzeug wog 13 Tonnen, zusammen also 40 Tonnen. Das maximale Gesamtgewicht betrug damals 28 Tonnen. «Mais allors il faut conduire doucement», ermahnte man mich vor der Fahrt mit dem überladenen Lastwagen. All dies ist schon lange verjährt, aber ich lernte neben der französischen Sprache, dass ein guter Chauffeur nicht lange studiert, sondern möglichst viel transportiert. Vier Monate später verstand und sprach ich gutes Baustellen-Französisch. Ich entdeckte später, dass meine Kollegen meist sehr gut Deutsch sprachen, dies aber vor mir verheimlicht hatten, auch beim Feierabendbier im Restaurant «La Gare» in Bercher. Dies zu meinem Vorteil.