Diskussionen um das Thema Tierwohl haben im Vorfeld der Massentierhaltungs-Initiative Konjunktur. Häufig liegt der Fokus dabei auf der Geflügelbranche; wobei nicht nur der Umgang mit den männlichen Küken zur Diskussion steht. Ein Augenmerk der Forschung liegt auch auf den Aufzucht- und Haltungsbedingungen der Tiere.
In einigen EU-Ländern bereits praktiziert
Durch das sogenannte «On farm hatching», das Schlüpfen der Küken direkt im Stall, soll das Tierwohl in verschiedener Hinsicht positiv beeinflusst werden. In verschiedenen EU-Ländern wird dieser Ansatz bereits mit unterschiedlichen Systemen bei Mastpoulets praktiziert. Trotzdem beschäftigen die internationale Forschung noch zahlreiche offene Fragen. Am Zentrum für tiergerechte Haltung von Geflügel und Kaninchen (ZTHZ) im bernischen Zollikofen wird Grundlagenforschung zum «On farm hatching» bei Legehennen betrieben. Dazu laufen im Moment mehrere Projekte.
Das Schlüpfen im Stall kommt dem Tierwohl zugute
Das Leben einer herkömmlichen Legehenne beginnt in einem Brutapparat in einer Brüterei, wo die Küken nach rund drei Wochen schlüpfen. Nach dem Schlüpfen werden sie gesext, die Qualität wird geschätzt und sie werden geimpft.
Anschliessend werden sie in einem Fahrzeug zum Aufzuchtbetrieb transportiert und dort aufgezogen. Im Alter von etwa 18 Wochen werden sie schliesslich in einen Legehennenstall transportiert.
Während konventionell in einer Brüterei geschlüpfte Küken meist bis zum Transport in den Aufzuchtstall auf Futter und Wasser warten müssen und derweil von den Inhaltsstoffen ihres Dottersacks zehren, haben «On farm hatching»-Küken sofort Zugang zu allem Nötigen. Wasser, Futter und Licht stehen schon bereit, wenn sie aus dem Ei schlüpfen. So können die Tiere die Inhaltsstoffe des Dottersacks zusätzlich zur Nahrung aufnehmen. Der frühe Zugang zu Futter und Wasser führt beispielsweise zu einer besseren Ausbildung des Verdauungstraktes, wodurch sich die Konsistenz der Ausscheidungen verbessert.
Dadurch, dass die «On farm hatching»-Küken das Licht der Welt im Aufzuchtstall erblicken und nicht in einer Brüterei, entfallen ein Transport, das Handling durch den Menschen und der damit einhergehende Stress für die Tiere. Darüber hinaus bleibt das Risiko, dass die Küken beim Schlupf im Brüter pathogenen Keimen ausgesetzt sein könnten, beim «On farm hatching» aus.
Entscheidender Punkt: Die Geschlechtsbestimmung
In der Eierproduktion spielen die männlichen Küken keine Rolle. Während Deutschland das Töten dieser Küken unlängst verboten hat, werden sie in den Schweizer Brütereien noch immer aussortiert und anschliessend vergast. Wenn die Küken jedoch beim «On farm hatching» zu Hunderten im Aufzuchtstall zur Welt kommen sollen, ist ein solches Verfahren nicht mehr praktikabel. Folglich ist die Geschlechterbestimmung im Ei, das sogenannte «in ovo sexing» eine nötige Vorbedinung. Weil die dazu notwendige Technologie bereits existiert und etwa in den Niederlanden, Deutschland und Frankreich bereits erfolgreich in der Praxis getestet wird, ist sich die Forschung auch hierzulande einig: Die Geschlechterbestimmung im Ei wird wohl auch in der Schweiz bald zum Standard. Damit wäre der Weg frei, um das «On farm hatching» in der industriellen Praxis zu etablieren.
Grundlagenforschung bringt wichtige Erkenntnisse
In den Versuchsställen des ZTHZ in Zollikofen betreibt die Niederländerin Kathy Broekmeulen im Rahmen ihrer Doktorarbeit Grundlagenforschung mit jungen Legehennen, die im Stall geschlüpft sind. Ziel ihrer Arbeiten ist es, herauszufinden, welche Faktoren in den Tagen vor und den Wochen nach dem Schlüpfen bei den Tieren Stress auslösen und welche Folgen die Reduktion dieser Stressfaktoren nach sich zieht. Welchen Einfluss hat beispielsweise die Beleuchtung in den Tagen vor dem Schlüpfen? Wie wichtig ist ein möglichst rascher Zugang zu Wasser? Wie reagieren die Tiere auf spezifische Umweltreize? «Ich arbeite in meinen Studien mit ganz elementaren und praxisnahen Parametern», sagt die Forscherin. «Das Ziel ist es, herauszufinden, wie sich einzelne Faktoren während dieser prägenden frühen Phase und vor allem im späteren Leben der Tiere niederschlagen – und wie die Haltungsbedingungen entsprechend optimiert werden können.»
Wie tickt das Hühner-Hirn?
Aktuell untersucht Broekmeulen in verschiedenen Versuchsanordnungen die Lateralisation des Gehirns von Junghennen. Dabei geht sie der Frage nach, in welchem Wechselspiel die beiden Gehirnhälften zusammenarbeiten. Bei ihren Experimenten untersucht sie beispielsweise, mit welchem Bein die Tiere bei der Futtersuche im Boden scharren, oder auf welche Seite sie ihr Köpfchen neigen, wenn sie ein Objekt von Interesse betrachten. «Einen Einfluss auf die Entwicklung einer Präferenz kann beispielsweise die Beleuchtung in den letzten Tagen vor dem Schlüpfen haben», erklärt Broekmeulen. Der Faktor Licht sei für einen Landwirt sehr einfach zu steuern, könne aber eine grosse Wirkung entfalten, fährt sie fort.
Kathy Broekmeulens Arbeit steht indes nicht allein: Sie und zwei ihrer Kolleginnen sind Teil von «ChickenStress», einem Netzwerk von 14 jungen Forschenden aus ganz Europa. All ihre Arbeiten kreisen um die Frage nach der Widerstandsfähigkeit und der Stresstoleranz von Legehennen. Ihre Forschungsergebnisse werden dazu beitragen, dass Küken in naher Zukunft im Stall mit weniger Stress in ein gesünderes Leben starten können.