Wenn diese Steine reden könnten, sie hätten viel zu erzählen. 1200 Jahre hat das Kloster St. Johann in Müstair GR bereits überstanden. Noch heute leben und wirken Benediktinerinnen in den ehrwürdigen Mauern, die zum Unesco-Weltkulturerbe gehören. Es ist ein kalter Morgen, einzelne Schneeflocken wirbeln durch die Luft. Die Klosterglocke bimmelt. Dann kommt einem eine Schafherde aus dem Innenhof entgegen. Zielstrebig steuern die Tiere auf die weitläufige Ebene neben dem Kloster, wo sie den ganzen Tag selbstständig grasen dürfen.
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Schon als Kind überall dabei
«Ich mag die Schafe und auch unsere Mastschweine», sagt Andrin Largiadèr. «Sie sind eine schöne Ergänzung zum Milchvieh. Für mich gibt es nichts Schöneres, als morgens in den Stall zu kommen und gut gefütterte Tiere zu sehen.» Nur die Mutterschafe im Stall zu sortieren, das gehöre nicht zu seinen Lieblingsarbeiten, sagt der 16-Jährige. Wenn sie nervös sind, dann ist das nämlich gar nicht so einfach.
Largiadèr verbringt auf dem Klosterhof mit Milchkühen, Mutterschafen, Mastschweinen und Ackerbau sein erstes Lehrjahr als Landwirt EFZ. Er ist hier im schönen Münstertal aufgewachsen, unweit der Grenze zum Südtirol. Schon als kleines Kind war er auf dem Milchviehbetrieb seines Vaters überall mit dabei. «Ich habe es geliebt, im Stall zu spielen oder mitzuhelfen oder auf Maschinen zu sitzen.»
«Nichts kam an die Landwirtschaft heran»
Später packte er dann auf dem Mutterkuhbetrieb seines Stiefvaters mit an. Eigentlich gab es für den Bündner immer nur die Landwirtschaft. «Es ist schwierig, diese Leidenschaft in Worte zu packen … entweder man hat sie oder eben nicht.» Obwohl er Verschiedenes schnupperte, Sanitär-Installateur und andere Berufe auf dem Bau, Architekt, «kam nichts an die Landwirtschaft heran».
Andrin Largiadèrs Tag beginnt im modernen Laufstall etwas oberhalb des Klosters. 35 Milchkühe wollen gemolken werden. «Das ist meine Lieblingsarbeit», sagt er. «Beim Melken habe ich etwas Zeit für mich und kann eine Beziehung zu den Tieren aufbauen.» Mit allen Tieren, mit seinem Lehrmeister und dessen Familie spricht er seine Muttersprache: Romanisch.
Steckbrief
Name: Andrin Lagiadèr
Alter: 16 Jahre
Wohnort: Bonaduz GR
Lehrjahr: Im 1. Lehrjahr als Landwirt EFZ
Ausbildungsbetrieb: Familie Falett in Müstair GR
Treuer Begleiter durch den Arbeitstag
Auch Border Collie Marc kommt in den Genuss von melodisch klingenden Kommandos, die die Besucherin der BauernZeitung nicht versteht, der achtjährige Rüde aber sehr wohl. Er begleitet den Lernenden treu durch den Arbeitstag und ist ihm längst ein guter Freund geworden. «Wenn es mal nicht so läuft, wie es sollte, und dann kommt der Hund zu dir und freut sich riesig, dich zu sehen, dann ist das einfach ein riesiger Muntermacher.»
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Ein Aufsteller für Andrin Largiadèrs Chef waren offenbar auch die Schulnoten seines Lernenden – die schlussendlich dazu führten, dass er sich für «Lehrling des Jahres» beworben hat: «Ich kam eines Abends heim und mein Lehrmeister fragte mich nach meinen Leistungen in der Schule. Die guten Noten überraschten ihn und er erzählte mir dann, dass er im ‹Bündner Bauer› von diesem Wettbewerb gelesen habe».
Andrin Largiadèr recherchierte im Internet und sein Entschluss stand bald fest, er wollte sich bewerben. Und wenn der junge Mann etwas macht, dann macht er es gründlich. Er bestellte sich extra ein eigenes Handystativ, filmte sich bei allen Arbeiten und brachte sich das Schneiden für das Bewerbungsvideo selbst bei.
«Es kommt gut»
Zielstrebig blickt der Münstertaler auch in seine Zukunft. «Ich will später für die Landwirtschaft in die Politik», sagt er dezidiert. Die Politik ist sein grösstes Hobby. Er ist Mitglied der Jungen Mitte. «Leider kann ich nicht so oft an den Veranstaltungen der Partei dabei sein, weil ich viel arbeite und einen weiten Anfahrtsweg habe, aber ich lese alles auf der Website nach und halte mich so auf dem Laufenden.»
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Trotz vieler Herausforderungen – wie etwa der Massentierhaltungs-Initiative – glaubt Andrin Largiadèr an die Zukunft der Schweizer Landwirtschaft. «Natürlich stehen wir aktuell wegen vieler Themen in der Kritik – etwa der Emissionen – aber wenn immer mehr Bauern und Bäuerinnen zusammenstehen, auch in der Politik, dann kommt es gut.»
Eigenen Betrieb führen
Natürlich will Andrin Largiadèr auch der Landwirtschaft treu bleiben: «Ich möchte nach der Lehre die Betriebsleiterschule absolvieren und einen eigenen Betrieb führen.» Auch ein Agronomietudium kann sich der Bündner vorstellen.
Mit grossen Schritten – zielstrebig eben – und Marc an seiner Seite geht er nun über die Wiese, um nach den Schafen zu sehen. Der Wind zerrt an den Haaren des Lehrlings und an dem schwarzweissen Fell des Hundes. Noch liegt Winter in der Luft. Die Schwanzspitze des Hundes zuckt. Liebend gerne würde er über die Ebene zischen und die Schafe treiben. «Er hilft gerne mit, auch beim Treiben der Kühe ist er eine grosse Hilfe», erklärt Andrin Largiadèr. Ein beruhigendes Kommando und der Hund bleibt brav an seiner Seite. Bald entschwinden die beiden am Horizont. Sie sind ein gutes Team, das ist nicht zu übersehen.
5 Fragen an Andrin
Welche Superkraft hättest du gerne? Tiere heilen können.
Welches sind deine Lieblingstiere? Milchkühe (Brown Swiss), Schafe und Schweine.
Dein Lieblingsessen? Capuns und Pommes Frites mit Kotelett.
Deine liebste Arbeit? Melken, da habe ich Zeit für mich und kann eine Beziehung zu den Tieren aufbauen.
Was machst du weniger gern? Mutterschafe im Stall sortieren.
[IMG 5]«Lehrling des Jahres 2022»
2021 hat die BauernZeitung erstmals einen Lehrling des Jahres gekürt. Die Auszeichnung stellt motivierten Berufsnachwuchs ins Zentrum. Zehn von Ihnen stellen wir Ihnen im Rahmen der Suche nach dem «Lehrling des Jahres 2022» vor. Wer den Titel schlussendlich tragen wird, bestimmen Sie in einer Online-Abstimmung ab dem 13. Mai.
Weitere Informationen und alle Porträts finden Sie im Dossier.