Die Erdbeerpflänzchen leuchten schon in kräftigem Grün. Vorsichtig sucht Nadia Schättin nach Unkraut und zupft es aus der Erde rund um die Stauden. «Erst wollte ich nicht mitmachen bei ‹Lehrling des Jahres›, denn ich rede nicht so gern vor der Kamera und bin eher zurückhaltend», sagt die 16-Jährige. Doch sie liess sich nicht von ihrer Unsicherheit beirren und meldete sich trotzdem an. Sie drehte, mit Hilfe ihrer Schwester, in letzter Minute das Bewerbungsvideo.
Den Widrigkeiten getrotzt
Nadia Schättin wusste schon als kleines Kind, dass sie Landwirtin werden will. Zuhause hat ihre Familie zwar keinen Landwirtschaftsbetrieb, aber einen grossen Umschwung mit Hühnern und Eseln. Später half sie oft auf dem Bauernhof ihres Göttis mit. Bei der Tierhaltungsgemeinschaft von Familie Engeli und Habegger in Friltschen TG macht sie nun ihr erstes Lehrjahr. Auf dem Milchbetrieb mit Mostobst, Beeren, Ackerbau, Schweinehaltung und Direktvermarktung fühlt sie sich wohl: «Ich habe wirklich einen guten Lehrbetrieb gefunden,» sagt sie erfreut.
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Für den Beruf Landwirtin musste Nadia Schättin kämpfen. In der Grundschule wurde sie wegen ihres Berufswunsches gehänselt und musste sich mit Streichen der Klassenkameraden und -kameradinnen herumschlagen. «Sie dachten wohl, ich kann das nicht als Frau», sagt sie. Aber unterkriegen liess sie sich nicht: Die Unterstützung der Familie hat ihr geholfen. Es sei eine schwierige Zeit gewesen für sie, aber Nadia Schättin ist überzeugt, dass sie dieser Schicksalsschlag auch weitergebracht hat. «Ich habe mich etwas mehr geöffnet und auch gelernt, dass ich mich wehren muss,» so die zuversichtliche junge Frau.
Steckbrief
Name: Nadia Schättin
Alter: 16 Jahre
Wohnort: Rickenbach TG
Lehrjahr: 1. Lehrjahr als Landwirt EFZ
Ausbildungsbetrieb:Tierhaltungsgemeinschaft Engeli und Habegger in Friltschen TG
Tiere sind die grosse Konstante in Nadia Schättins Leben, sie haben ihr auch durch die schwierige Zeit geholfen. Heute, in der Berufsschule auf dem Arenenberg schätzt sie es, unter Gleichgesinnten zu sein. Ihr Lieblingsfach ist Tierhaltung. Obwohl die Schule eine Abwechslung zum Arbeitsalltag ist, arbeitet sie viel lieber auf dem Hof. Bei der Arbeit gefällt ihr das Melken am besten und sie ist am liebsten im Stall bei den Kühen: «Sie nehmen mich so, wie ich bin».
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Als Liebling unter den Tieren nennt sie dann auch als erstes die Kühe im Stall. Ihr zweites Lieblingstier ist der Steinbock, ihr Sternzeichen. «Er stellt etwas dar, hat aber trotzdem seine innerliche Ruhe – das beeindruckt mich sehr», sagt sie. Bestaunen kann sie die Wildtiere, wenn sie wieder einmal auf einer ihrer Wandertouren ist. Schwyzerörgeli spielt sie seit zehn Jahren und Skifahren gehört ebenfalls zu ihren Hobbys.
Auch wenn sie es gerne tut, «den ganzen Tag nur melken wäre eintönig,» findet Nadia Schättin. Aber für Abwechslung in ihrem Leben ist gesorgt. Sie mag besonders, dass sich im Beruf die Arbeiten mit Tieren, Pflanzen und Maschinen perfekt ergänzen. Doch eines mag sie gar nicht, nämlich Putzen und Kochen. Sie ist viel lieber draussen in der Natur.
Wieder mal auf die Alp
In Zukunft möchte Nadia Schättin dem Beruf Landwirtin treu bleiben. Ob ein eigener Betrieb für sie in Frage kommt? «Mal schauen, es wäre sicher ein Traum,» sagt sie. Sicher ist, wenn sich die junge Frau etwas in den Kopf gesetzt hat, zieht sie es durch: «Ich habe gerne ein Ziel vor Augen, auf das ich hinarbeiten kann». Eines davon ist momentan, einen Sommer auf der Alp zu verbringen. Bereits mit zwölf, dreizehn und vierzehn Jahren hat sie auf der Alp mitgearbeitet und dort viele gute Erinnerungen gesammelt.
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Ihrem zweiten Ziel ist die junge Frau mit der Teilnahme bei «Lehrling des Jahres» schon näher gekommen: «Ich möchte lernen, mich mehr zu öffnen und aus mir herauszukommen.» Nach der Lehre kommt für sie vielleicht eine schulische Weiterbildung infrage, aber das werde sich Ende Jahr zeigen.
Was sich Nadia Schättin wünschen würde, wenn sie eine Superkraft hätte, zeugt von ihrer Solidarität gegenüber den Berufskolleginnen und -kollegen: Die Arbeit der Landwirtinnen und Landwirte soll mehr Wertschätzung erhalten, die Preise in den Läden sollen gerechter sein. Steht sie selbst im Laden, kauft sie mit grosser Wahrscheinlichkeit ein Cordon Bleu oder Raclette-Käse, ihre Lieblingsessen. Die Zukunft der Landwirtschaft sieht sie zuversichtlich – es werde sicher nicht einfacher, mit all den Anforderungen an die Bäuerinnen und Bauern. «Doch manchmal muss man halt etwas kämpfen», findet sie. Sie weiss wohl mittlerweile, wie kämpfen geht. So steigt sie in den Traktor, manövriert ihn gekonnt um die Ecke und tut, was getan werden muss.
5 Fragen an Nadia
Welche Superkraft hättest du gerne?Mehr Wertschätzung für die Arbeit der Landwirt(innen)
Welches sind deine Lieblingstiere?Kühe im Stall und Steinbock
Dein Lieblingsessen?Raclette und Cordon Bleu
Deine liebste Arbeit? Melken
Was machst du weniger gern?Kochen und Haushalt
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[IMG 6]«Lehrling des Jahres 2022»
2021 hat die BauernZeitung erstmals einen Lehrling des Jahres gekürt. Die Auszeichnung stellt motivierten Berufsnachwuchs ins Zentrum. Zehn von Ihnen stellen wir Ihnen im Rahmen der Suche nach dem «Lehrling des Jahres 2022» vor. Wer den Titel schlussendlich tragen wird, bestimmen Sie in einer Online-Abstimmung ab dem 13. Mai.
Weitere Informationen und alle Porträts finden Sie im Dossier.