Ganz verschmust legt die Red-Holstein-Kuh den Kopf in die Arme von Johanna Burri (26). «Das ist Schmausi», erklärt sie. «Er kam auf dem Betrieb zur Welt, wo ich mein Betriebspraktikum absolvierte. Er ist sehr zutraulich.» Er? «Natürlich ist es eine Sie, aber wenn wir von Schmausi sprechen, machen wir das in der Er-Form. Der Schmausi tönt besser als die Schmausi», folgt die Erklärung der Besitzerin. Während des Vorstudienpraktikums für die HAFL wuchs der jungen Agronomin das Kälbchen so fest ans Herz, dass sie es kaufte und mit nach Hause, nach Lenggenwil im Kanton St. Gallen, nahm.
Die Kühe machen die Agronomin zufrieden
«Mein Vater und mein Onkel führen unseren Hof seit über 30 Jahren als Gebrüdergemeinschaft», erzählt Johanna Burri. Der Hauptbetriebszweig ist die Produktion von Wildblumensaatgut für die UFA. 250 verschiedene Gräser und Blumen werden pro Jahr auf dem Betrieb kultiviert. «Die Kühe haben wir eigentlich fast nur noch wegen mir.» Wenn sie von ihren 16 Kühen erzählt, strahlt sie. «Die Arbeit mit ihnen macht mich einfach zufrieden.» Ursprünglich waren es Holstein. Ihr Vater habe dann aber mit SF eingekreuzt. Das passt besser zur Strategie Low-Input, das heisst kein Kraftfutter zukaufen und nur hofeigenes Futter verfüttern.
Seit letztem Frühling obliegt Johanna Burri das Herden- und Weidemanagement. Nebst ihrer Arbeit als Fachmitarbeiterin bei der landwirtschaftlichen Beratungszentrale Agridea melkt sie jeden Abend. Das geht schnell in einem Vierer-Melkstand. «Auf meinem Praktikumsbetrieb entdeckte ich das System Tagesweide. Ich erzählte meinem Vater davon und gemeinsam beschlossen wir, nicht mehr einzugrasen.» Das Weiden sei viel weniger aufwendig, bedeutet aber auch weniger Gras für die Konservierung. Wenn es weiterhin so trocken und kalt bleibe wie diesen April, werde das Futter knapp. «Aber wir nehmen das locker», meint sie zuversichtlich.
Die leidige Frage nach dem männlichen Hofnachfolger
Weniger locker reagiert Johanna Burri auf die Frage, ob es neben ihr noch andere, eventuell männliche, Geschwister gebe, die den Hof übernehmen möchten. «Immer diese Frage nach dem Hofnachfolger. Wieso keine Hofnachfolgerin? Ich habe drei Brüder und auch noch Cousins, die gerne auf dem Hof arbeiten möchten. Eine grosse Chance also, den Hof als Gemeinschaft weiterzuführen. Jetzt brauchen wir nur noch eine gute Lösung, wie es dann konkret weitergehen soll.»
«Immer diese Frage nach dem Hofnachfolger. Wieso keine Hofnachfolgerin?»
Johanna Buri, Agronomin
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Ein weiteres Mal ärgert sie sich, weil sie nicht besser mit Geräten und Maschinen umgehen kann: «Letzthin wusste ich nicht, mit welcher Trennscheibe des Winkelschleifers man Stein schneiden kann», empört sie sich, als ob das zur Allgemeinbildung gehören würde. Im Gegensatz zu ihren Brüdern musste sie als Kind auf dem Betrieb nicht oft handwerklich anpacken. Die Leidenschaft für die Landwirtschaft entfachte bei ihr deshalb erst später, nach einer KV-Lehre.
Als Parteilose im Gemeinderat von Niederhelfenschwil
Johanna Burri hat eine sehr fröhliche und gewinnende Art. Sie macht gerne Weiterbildungen, wie Kurse in Klauenschneiden, zu «Kuhsignale verstehen im Laufstall» oder in Stimmbildung für öffentliche Auftritte. Letzteres hilft ihr bei ihrer neusten Aufgabe. Seit Januar sitzt sie im Gemeinderat von Niederhelfenschwil. «Eigentlich liess ich mich nur aufstellen, weil eine grössere Kandidat(innen)-Auswahl gewünscht war.» Die parteilose junge Frau verpasste ihre Wahl im ersten Wahlgang dann nur knapp und entschied sich, aufs Ganze zu gehen. «Irgendwann packte mich der Ehrgeiz.» Politisch sieht sie sich in der Mitte. «Aussenpolitisch eher rechts, innenpolitisch eher links.» Im Gemeinderat hat sie das Dossier Landwirtschaft unter sich.
Als Gemeinderätin betreut die Jungpolitikerin das Projekt Niederhelfenschwiler Beeriapfel. «Diese Apfelsorte wächst praktisch nur bei uns in der Gemeinde», erzählt sie mit Stolz. Zusammen mit Fructus, der Vereinigung zur Förderung alter Obstsorten, suchte die Gemeinde Höfe, auf denen es noch solche Bäume gab. Burris sind einer davon. «Als Versuch hat die Gemeinde von drei Betrieben die Ernte gekauft und auf einer alten Holzpresse vor Ort gepresst.»
Das Projekt «Beeriapfel» bringt regionale Wertschöpfung
Der Apfelsaft wurde mit Kohlensäure versetzt und in kleine Glasflaschen, mit einer trendigen Etikette versehen, abgefüllt. Verkauft wird das Getränk vorerst in den drei Dorfläden der Gemeinde. «Ein tolles Projekt, bei dem die gesamte Wertschöpfung in der Region bleibt», ist Johanna Burri überzeugt.
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Bevor Johanna Burri melken geht, muss sie unbedingt noch ihr zweites Lieblingstier vorführen; ihr Minipig. «Wir mästen jeweils ein Säuli für den Eigenbedarf, das darf aus Tierschutzgründen nicht allein sein, darum haben wir Molly.» Molly ist bereits Minipig Nummer zwei. Das erste Minischwein war wild und büxte nach wenigen Wochen in den Wald aus. DasEinfangen entpuppte sich als schwierig, ausserdem verursachte das Schwein beachtlichen Flurschaden. «Am Ende musste der Wildhüter es abschiessen.» Molly ist da viel zutraulicher. Zusammen mit Schweini – «alle unsere Schlachtschweine heissen Schweini» – und dem Hofhund macht die Landwirtin einen kleinen Spaziergang zum Waldrand. Danach ist für die drei wirklich Zeit, um in den Stall zu gehen: für die Schweine zum Fressen und für Johanna Burri, weil ihr Kühe einfach Freude bereiten.