Vor zwei Jahren übernahm die dritte Generation Helfenstein den Betrieb Oberhasli in Emmen. Franz und Maya Helfenstein-Probst haben vier erwachsene Söhne, den zweiten habe es als Hofnachfolger gepackt. Sie führten den 23 Hektaren (inklusive Pachtland) grossen Betrieb mit Milchwirtschaft und fünf Hektarten Wald während rund 35 Jahren, bis anfangs 2018, als Franz 65-jährig wurde.

Mit der Hofübergabe zogen sie weg, in die Stadt Luzern. Im ­Wesemlin-Quartier leben sie in einer kleinen Dachwohnung eines Mehrfamilienhauses. Ruhige Lage, viel Grün rundherum und mit schönem Ausblick auch nach Emmen, fast bis zu ihrem ehemaligen Hof. Ein ungewöhnlicher Werdegang und deshalb ein Grund, diesen etwas zu beleuchten.

Hofladen gab Netzwerk

Der Betrieb Oberhasli in Emmen wurde von Franz’ Vater noch als reiner Milchwirtschaftsbetrieb geführt. Franz und Maya Helfenstein stellten nach wenigen Jahren auf Bio um, setzten deshalb auf mehr Vielfalt, mit Ackerbau, etwas Gemüse und Obst, ein paar Schweinen, und führten zur Vermarktung auch einen Hofladen. Der ermöglichte einen regen Kontakt mit vielen Leuten, wurde zum Treffpunkt, es bildete sich eine richtige Hofgemeinschaft. «So haben wir auch viele Freunde gewonnen.» Auch Maya war engagierte Biobäuerin, während einigen Jahren auch Präsidentin von Bio Luzern.

Pionierhaft stellten Helfensteins schon vor 16 Jahren eine grosse PV-Anlage aufs Scheunendach, bekamen später dafür noch die kostendeckende Einspeisevergütung. «Das war unsere Altersvorsorge», sagt Helfen­stein.

Den Hofladen mit Direktvermarktung hat sein Sohn mit seiner Partnerin nicht weitergeführt. Dafür konnte er etwas mehr Fläche zupachten, und setzt auch auf Bioackerbau. Ansonsten werde der Betrieb wie früher weitergeführt, freut sich Franz. «Getreide in der Fruchtfolge ist attraktiv und abwechslungsreicher, als einige Kühe mehr zu halten.»

Kurs zur Hofübergabe

Den Zeitpunkt der Übergabe hatten Vater und Sohn schon lange definiert, gleichwohl brauche so ein Prozess viel Zeit. Und es gebe Auf und Ab, «vieles muss reifen». Es sei auch nicht immer einfach, darüber zu sprechen. Sehr empfehlen kann Franz vorgängig einen Kurs zum Thema Hofübergabe. So werde einem die Komplexität bewusst, und das biete auch gute Gelegenheit, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen.

Es habe sich auch bewährt, einen externen Begleiter beizuziehen, die Aussensicht sei nötig. Erst im Nachhinein werde einem bewusst, wie gross eigentlich das Spannungsfeld einer Hofübergabe sei. Stehen doch die alte und junge Generation in ganz verschiedenen Stationen des Lebens. Da brauche es ein subtiles Vorgehen, dass beide Seiten aufeinanderzugehen und Ängste abgebaut werden können. «Wir haben einen guten Konsens gefunden.» Gleichwohl gehe das einem sehr nahe, die Übergabe eines Hofes sei fast wie der Verlust eines Kindes oder langjährigen Freundes, sagt Helfenstein.

Ertragswert hinterfragen

Bauernfamilien vor der Hofübergabe empfiehlt er unbedingt, dies früh anzugehen, Unterstützung zu suchen und auf soziale Netze zu achten. Nicht zu unterschätzen seien auch die Kosten einer Hofübergabe, vor allem die Verschreibung, weil die Gebühren auf den übertragenen Vermögenswerten basieren. «Die Kosten der Notare stehen in keinem Verhältnis zu ihrem Aufwand und sollten kritisch hinterfragt werden.» Helfenstein staunt auch, wie alle Beteiligten sich stark am Ertragswert festklammern. Dabei habe doch dieser nicht mehr die gleiche Bedeutung wie noch vor Jahrzehnten. Schliesslich habe sich das Umfeld doch auch sehr verändert. «Es gibt in der Landwirtschaft noch andere Werte als nur den Ertragswert.»

Mut für Neues

Dass sie vom Hof weg wollen, war für sie klar, obwohl eine Wohngelegenheit in einem Stöckli vorhanden gewesen wäre. «Loslösen ist auch räumlich wichtig». Obwohl gerade Franz in seinem Leben nie länger vom Hof weg war, in jungen Jahren nicht einmal in einem Auswärtslehrjahr. «Ich habe nie fremdes Brot gegessen.» Das war mit ein Grund für den Wegzug. «Entweder wagen wir jetzt noch etwas Neues, oder nie mehr.»

Innerhalb eines Monats haben sie ihr Haus geräumt, das war mit vielen Emotionen verbunden. Von Vielem haben sie sich getrennt, wenig haben sie mitgenommen, einiges auf dem Hof noch einstellen können. Vor Weihnachten wurde der Betrieb überschrieben, am 1. Januar habe er aber bereits ausgeschlafen.

«Es braucht mehr Kontakte zum Konsumenten.»

Die Entfremdung schuf viel gegenseitiges Unverständnis.

Distanz suchen

Einen kompletten Schnitt haben sie nicht gemacht, zwischendurch gehe er schon noch zum Sohn aushelfen, nach Absprache. Den Bezug zur Stadt hatte er schon früher, als Franz Helfen­stein hier mit Berufskollegen gemeinschaftlich jeweils Kleinstwiesen für die Stadtgärtnerei mähte, und witzelte: «Hier bauen wir mal unsere Altersresidenz.»

Er sei zwar ein Ur-Emmer, habe dort viel bewegt, auch in der Korporation mit 25 Jahren als Waldverwalter und zeitweise als Präsident. Er nennt als Beispiel die ökologische Aufwertung des Reussschachen in Emmen. Öfters sei er mit seiner Kritik und Meinung aber auch angeeckt, stand alleine da. Umso mehr habe er nun etwas Distanz gesucht.

Das Loch vermeiden

Gemeinschaft war Helfensteins immer sehr wichtig. Sind sie da mit dem Wegzug nicht in ein Loch gefallen? Davor habe er wirklich grossen Respekt gehabt. Allerdings müsse man schon dranbleiben, selber Beschäftigung und Aktivität rechtzeitig suchen. So arbeitet Franz Helfenstein gelegentlich für die soziale Institution Sunnehügel in Schüpfheim. Oder hat Kontakt zum Kloster Wesemlin gefunden, im Klostergarten helfe er bei der Pflege der Obstbäume. Oder beschäftigt sich bei Freunden in einem Biohotel im Wallis. Oder nahm sich Zeit für den Jakobsweg bis weit nach Frankreich hinein. Und zwischendurch nähmen sie sich auch eine Auszeit, haben eine Ferienwohnung auf der Rigi in Dauermiete als Rückzugsoase. Dort hilft Maya im Dorfladen aus, auch sie sei sonst noch vielfältig engagiert.

«Ich geniesse aber die Ruhe und Dinge, für welche ich früher nie Zeit hatte», sagt Franz. Jeder Mensch brauche nach Alter 65 sinnvolle Aufgaben, das Gefühl, noch gebraucht zu werden.

«Es gibt noch andere Werte als den Ertragswert.»

Dieser Wert sei eigentlich überholt, meint Helfenstein.

 

Beratung für Nachhaltigkeit

Franz Helfenstein hat selber schon vor zehn Jahren eine Ausbildung zum Mediator gemacht. In einer persönlich schwierigen Zeit konnte er das Gelernte zur Konfliktbewältigung schon öfters im Umfeld nutzen. Das möchte er nun als Hobby anwenden, bietet deshalb als erfahrener Landwirt und Mediator Beratungen für eine nachhaltige Landwirtschaft an. So kann er Suchenden seine Erfahrungen weitergeben, damit andere leichter den Weg zur Meinungs- und Entscheidungsfindung erkennen.

Auf Konsumenten zugehen

Viele Bauern seien auf ihre Betriebe und in ihre Arbeit so stark fokussiert, dass der Kontakt zu Konsumenten leider keinen Platz habe. Er bedauert, dass in der Landwirtschaft die Ganzheitlichkeit und Nachhaltigkeit ­etwas verloren ging. Zu stark werde auf Produktion und Direktzahlungsoptimierung Wert gelegt. Der Gemeinschaftssinn und andere Werte müssten wieder mehr gepflegt werden.

«Wir haben den Konsens gefunden.»

Franz Helfenstein über den Verlauf der Hofübergabe.

 

Helfenstein stellt nun bei Gesprächen in der Stadt fest und staunt, wie gross der Graben zur Landwirtschaft bereits ist, wie wenig man noch voneinander wisse. Und wie kritisch viele Konsumenten gegenüber diesem und jenem in der Landwirtschaft sind. Daran seien die Bauern aber nicht nur unschuldig. Die Gräben wurden über Generationen selber gepflegt, der hohe Hilfsmitteleinsatz beschönigt, Konsumentenmeinungen als rotes Tuch angeschaut. Es sei nun nötig, mehr aufeinander zuzugehen.