Innerhalb von vier Wochen infizierte die Blauzungenkrankheit Schafe und Rinder auf rund 2500 niederländischen Betrieben. Seit Oktober letzten Jahres breitet sich die Viruserkrankung nun auch in Deutschland aus.
Laut dem deutschen Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit wurden in diesem Jahr bereits insgesamt 47 Ausbrüche der Viruserkrankung verzeichnet (Stand 16. Mai). Ausbrüche vermeldeten bis jetzt die Bundesländer Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Bremen und Rheinland-Pfalz.
Ab Mai mit vermutlich mehr Meldungen zu rechnen
Das Virus wird über kleine blutsaugende Mücken, sogenannte Gnitzen, übertragen. Die Mücken nehmen das Virus während ihrer Blutmahlzeit auf und übertragen es beim nächsten Stechen auf das nächste Tier. Für den Menschen ist die Krankheit nicht gefährlich. Fleisch und Milchprodukte können unbedenklich konsumiert werden.
Mit den höheren Temperaturen werden die wärmeliebenden Krankheitsüberträger aktiv. Das deutsche Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit rechnet daher ab Mai mit deutlich mehr Meldungen als in den noch kühleren Monaten zuvor. Laut einer Informationsbroschüre des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) können die Überträger durch den Wind über Distanzen von bis zu 100 km transportiert werden.
«Ein Impfstoff gegen den aktuell zirkulierenden Typ 3 ist in der Schweiz nicht verfügbar»
Michèle Bodmer, Präsidentin der Schweizerischen Vereinigung für Wiederkäuergesundheit (SVW).
Insgesamt gibt es 27 Typen des Blauzungenvirus. Wie das deutsche Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit in seiner Risikobewertung zur Verschleppung der Blauzungenkrankheit schreibt, sei der aktuell in Deutschland kursierende Serotyp BTV-3 zwar bereits an mehreren Orten in der Welt nachgewiesen worden, aber noch nie in Mitteleuropa.
Während in den Niederlanden bis jetzt zwei Impfstoffe gegen das Virus zugelassen sind, ist in Deutschland noch keine Vakzine vorhanden. Zwar stand für kurze Zeit eine sogenannte Notfall-Vakzine zur Verfügung, doch diese wurden bereits Ende April aufgrund von Mängeln wieder zurückgerufen.
Wie hoch ist das Risiko eines Ausbruchs in der Schweiz?
Während Deutschland bereits mit Ausbrüchen zu kämpfen hat, steht die Ampel in der Schweiz noch auf Grün (Stand April Radar-Bulletin). «Die Gefahr, dass die Tierseuche in der Schweiz auftreten kann, ist klein», heisst es im Radar-Bulletin des BLV vom April. Monatlich wird hier die Risikosituation der einzelnen Tierseuchen bewertet. «Das Risiko, dass das Virus auch in die Schweiz kommt, ist klar vorhanden», antwortet Michèle Bodmer, Präsidentin der Schweizerischen Vereinigung für Wiederkäuergesundheit (SVW) auf Anfrage der BauernZeitung.
Da das Virus über Mücken übertragen wird, sei es allerdings schwer abzuschätzen, wann und wie viele der Überträger in der Schweiz landen würden, so Bodmer weiter. «Ein Impfstoff gegen den aktuell zirkulierenden Typ 3 ist in der Schweiz nicht verfügbar», erklärt die Spezialistin. Auch der in der Schweiz vorhandene Impfstoff gegen den Typ 8, der zwischen 2006 und 2009 bereits in der Schweiz zirkulierte, wirke gegen die aktuelle Form nicht.
Welche Symptome zeigen erkrankte Tiere?
Um eine Ansteckung der Tiere zu vermeiden, müssen die Tiere laut Bodmer vor den Überträgermücken geschützt werden. Dabei sollte auf das Weiden in der Dämmerung verzichtet werden sowie ein Mückenschutz wie Mückengitter oder Ventilatoren im Stall errichtet werden. Sogenannte Repellentien wie Deltamethrin – Wirkstoffe oder Produkte, die die Insekten fernhalten sollen – zeigen laut Michèle Bodmer hingegen leider nur eine sehr limitierte Wirkung.
Tiere, die am Typ 3 des Blauzungenvirus erkrankt seien, würden grundsätzlich ähnliche Symptome zeigen wie bereits früher am Typ 8 erkrankte Tiere, so Michèle Bodmer.
Kühe: Leistungsrückgang, Aborte, bisweilen kurze Fieberphasen, rundliche Veränderungen an Maulschleimhaut und Zitzenhaut, seltener auch Lahmheit.
Schafe: hohes Fieber, Apathie, deutliche Schwellung der Maulschleimhäute mit zum Teil Blauverfärbung der Zunge.
Erster Ausbruch im Jahr 2007
Nachdem sich die Blauzungenkrankheit bereits in den Jahren nach 2000 vom Süden bis nach Nordeuropa ausgebreitet hatte, erreichte sie schliesslich im Oktober 2007 auch die Schweiz. Anders als heute handelte es sich damals um den Virustyp 8. Um das Virus einzudämmen, führte die Schweiz zwischen 2008 und 2010 ein umfangreiches Impfprogramm durch. Nicht alle Landwirte waren von der Impfkampagne begeistert.
Dabei wurde über unerwünschte Nebenwirkungen wie Euterentzündung, Aborte, Festliegen, Appetitverlust und sinkende Milchleistung geklagt. Laut Michèle Bodmer, Präsidentin der Schweizerischen Vereinigung für Wiederkäuer (SVW), konnte kaum ein Zusammenhang zwischen den beklagten Problemen und der Impfung festgestellt werden. Seit 2012 wird in der Schweiz nicht mehr geimpft. Über den Bestandestierarzt können Tierhaltende ihre Tiere jedoch weiterhin impfen lassen, heisst es auf der Seite des BLV. Dies wird beispielsweise beim Export von Tieren empfohlen. 2020 wurden in der Schweiz zum letzten Mal vier Rinder positiv auf den Typ 8 der Blauzungenkrankheit getestet.