Der Krieg in der Ukraine bedeutet nicht nur Verlust von Menschenleben und Infrastruktur, sondern lähmt auch die Wirtschaft – und zwar weltweit. Insbesondere die stark gestiegenen Produktionskosten verursachen branchenübergreifend Probleme und werden zunehmend zur Herausforderung.

Indirekte Folgen

Da es nur wenige landwirtschaftsrelevante Direktimporte aus der Ukraine, Russland und Belarus in die Schweiz gibt, sind die direkten Folgen für die Schweizer Landwirtschaft relativ gering. Die Importausfälle aus der Ukraine sowie die Sanktionen gegen Russland und Belarus betreffen aber sehr viele Güter: So ist Russland ein bedeutender Lieferant von Erdöl, Erdgas und Düngemitteln, Belarus ist einer der weltweit grössten Exporteure von Kali-Dünger und die Ukraine galt bislang als Kornkammer Europas und exportierte grosse Mengen von Weizen und Sonnenblumen. Auch wenn in den meisten Fällen keine direkten Lieferungen erfolgen, so ist die Schweiz indirekt betroffen und der Krieg wird die Schweizer Landwirtschaft noch länger beschäftigen.

Landwirte sparen bei Produktionsmitteln

Die einschneidendste Folge des Krieges ist unter anderem die massive Teuerung bei den Produktionsmittelpreisen. Noch im Mai des letztens Jahres gingen Schätzungen von 900 Millionen Franken Mehrkosten für das Jahr 2022 aus. Diese fielen laut dem Leiter des statistischen Diensts Agristat Daniel Erdin nun aber rund einen Drittel tiefer aus: «Gemäss der Schätzung 2022 der Landwirtschaftlichen Gesamtrechnung nahmen die Kosten für Vorleistungen gegenüber 2021 um 458 Millionen Franken und die Abschreibungen um 151 Millionen Franken zu – zusammen also 608 Millionen Franken.» Dabei gehe das Bundesamt für Statistik davon aus, dass die Landwirte bei den Ausgaben sehr zurückhaltend gewesen seien. «Dies ist beispielsweise auch anhand der Importdaten von Produktionsmitteln belegbar», erklärt Daniel Erdin.

Situation in der Ukraine
Die Landwirtschaft spielt eine wichtige Rolle in der Wirtschaft und der sozioökonomischen Entwicklung der Ukraine. Daneben gewährleistet die ukrainische Landwirtschaft die Ernährungssicherheit des Landes und macht rund 18 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Die Ukraine ist ausserdem ein wichtiger Akteur im globalen System der Ernährungssicherheit: Unter anderem ist die Ukraine der grösste Sojaproduzent in Europa und der sechstgrösste Sojaexporteur weltweit.
Seit Beginn des russischen Angriffskriegs steht der ukrainische Landwirtschaftssektor allerdings vor vielfältigen Herausforderungen – unter anderem konnten letztes Jahr 25 Prozent weniger Frühjahrskulturen angebaut werden. Je nach Kultur dürfte sich die Situation auch nicht so schnell entspannen: Die umkämpften oder besetzten Regionen sind zum Teil bedeutende Anbaugebiete für Weizen, Gerste und Sonnenblumen.

Unterschiedliche Preisentwicklung

Die Teuerung von landwirtschaftlichen Produktionsmitteln fiel in den Bereichen Energie, Düngemittel und Futtermittel zu Beginn am stärksten aus. Der Einkaufspreisindex habe sich seither auf hohem Niveau stabilisiert oder gehe sogar leicht zurück, meint Daniel Erdin weiter. Dieselbe Entwicklung sei bei den Weltmarktpreisen zu beobachten: «Die Situation ist jedoch recht unterschiedlich – so blieben beispielsweise die Preise für Kaliumchlorid international hoch, während andere Düngerpreise leicht zurückgingen», erklärt Daniel Erdin. Bei der Energie habe es etwas Entspannung gegeben, da sich die Situation freundlicher entwickelt habe, als erwartet. Das Preisniveau sei jedoch weiterhin hoch.

Auswirkungen auf den Weltmarkt

Nebst den steigenden Produktionsmittelpreisen sorgte der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine für einen starken Anstieg der internationalen Preise für Weizen, Mais und Pflanzenöl: Der Krieg in der Schwarzmeerregion erschütterte die Märkte für Grundnahrungsmittel und Pflanzenöle und die Weltmarktpreise für Nahrungsmittel stiegen im März 2022 sprunghaft an und erreichten ihr bisher höchstes Niveau. Bereits in den Sommermonaten konnte aber eine gewisse Entspannung beobachtet werden. «Der erste Schock ist vorbei und im Energiebereich gab es Entwarnung – viele Preise sind jedoch weiterhin hoch und die Entwicklung ist sehr variabel», gibt Daniel Erdin zu bedenken.

Ukraine-Konflikt
Am 24. Februar 2023 jährte sich der russische Überfall auf die Ukraine zum ersten Mal – der Russisch-Ukrainische Krieg schwelt allerdings bereits seit 2014, als Streitkräfte der Russischen Föderation auf der ukrainischen Halbinsel Krim eine bewaffnete Intervention starteten. Nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim folgten weitere Eskalationen durch Russland, die mit dem russischen Angriffskrieg vor gut einem Jahr schliesslich einen traurigen Höhepunkt erreichten.
Laut der Nachrichtenagentur Reuters sind in diesem Konflikt im letzten Jahr mindestens 42’295 Menschen getötet worden, rund 14 Millionen Menschen sind geflüchtet. Mindestens 140’000 Gebäude sind zerstört worden und die Eigentumsschäden belaufen sich auf rund 350 Milliarden US-Dollar.

Kaum Aussichten auf Entspannung

«Solange der Ukraine-Krieg andauert, dürften die Preise für Produktionsmittel und Investitionsgüter deutlich über dem früheren Niveau bleiben», ergänzt Daniel Erdin. Für die Landwirtschaft stelle sich darum die Frage, ob die Produzentenpreise so weit mitziehen, dass die Mehrkosten gedeckt werden können. Bis jetzt scheine dies nicht generell der Fall zu sein: «2022 war für die Landwirtschaft unbefriedigend und ohne deutliche Erhöhung der Produzentenpreise bleibt die Situation angesichts neuer Auflagen und bei weiterhin hohen Kosten für die Landwirtschaftsbetriebe schwierig», sagt Daniel Erdin.

Käseexport als heisses Eisen

Insbesondere auf die Käseexporte sind die Auswirkungen negativ: Aufgrund der hohen Teuerung im Ausland bei einem starken Schweizer Franken sei der Schweizer Käse unter Preisdruck geraten und die Exporte gingen zurück, meint Daniel Erdin. Verkompliziert wird die Situation dadurch, dass sich Russland in den letzten Jahren zu einem neuen Markt für Schweizer Käse entwickelt hat. Die Bezahlung der Käseexporte wird durch die Abschottung der russischen Banken allerdings erschwert – ganz zu schweigen vom Reputationsrisiko, dass Unternehmen eingehen, wenn sie weiterhin Käse nach Russland exportieren. Entsprechend seien die Exporte 2022 zurückgegangen, was auch den Milchpreis mittelfristig negativ beeinflussen könnte, erklärt Daniel Erdin: «Die Schweiz ist seit 2022 rein nach Menge und mit Bezug auf den Zolltarif 406 – das heisst ohne Fondue und weiteren Käse in verarbeiteten Produkten – ein Nettoimporteur von Käse.»