«Ich bin kein typischer Schweizer Bauer», meint Jorge Vasquez mit einem Lächeln. Das stimmt in mehrfacher Hinsicht: Vasquez ist Peruaner, hat in Deutschland Wirtschaftswissenschaften mit Schwerpunkt Ökologie studiert und führt nun zusammen mit seiner Frau Beatrice Peter einen Bio-Betrieb im zürcherischen Wildensbuch. Nicht zuletzt baut er eine Kultur an, die in der Schweiz eher selten anzutreffen sind: Lupinen.
[IMG 1]
Leindotter statt Getreide als Stützkultur
Lupinen wachsen auf den Feldern von Jorge Vasquez in Kombination mit Leindotter. Die Ölsaat habe als Stützkultur im Vergleich zu Getreide den Vorteil, dass sie Unkraut besser unterdrücke. «Die Rosette bedeckt rasch den Boden», erklärt der Bio-Landwirt. Das ist wichtig, da seine Lupinen relativ langsam wachsen. Ausserdem lassen sich die Leindottersamen einfacher von Linsen oder Lupinen trennen und erzielen als Öl einen besseren Preis. «Und unsere Produkte sind glutenfrei», bemerkt er. Lupinen und Leindotter sät er zusammen mit einer Drillmaschine Ende März, um darauf die Ölsaat nochmals breitgestreut mit dem Krummenacher zu säen und zu walzen. «So kann ich garantieren, dass der Leindotter auch wirklich wächst», erklärt Vasquez. Ausserdem helfe das Walzen – neben einer sorgfältigen Einstellung des Dreschers – zu verhindern, dass beim späteren Ernten Steine in die Maschine kommen.
Robustere Sorte, aber mit weniger Ertrag
Auf dem Feld bestechen die Lupinen in Wildensbuch mit blauen Blüten. Es handelt sich um die schmalblättrige Lupine, die zwar gegen die Pilzkrankheit Anthraknose tolerant ist, aber weniger Ertrag verspricht als ihre weissblühende, kräftigere Verwandte. «Wir bauen nicht die ertragreichsten Sorten an, 1 t/ha ist da schon sehr gut», erzählt Jorge Vasquez. Normal seien eher 600-700 kg/ha. Am besten gedeihe die Kultur bei einem Boden-pH von 6 - 5,5. Was Lupinen gar nicht vertragen, seien verdichtete Böden.
Die Lupinen lassen Vasquez und Peter nach Ernte und Reinigung wie Kaffeebohnen rösten und vermarkten ihren «Luliffee» direkt via Website. «Im Gegensatz zu koffeinfreiem Kaffee ist unser Produkt aus Lupinen nicht chemisch entkoffeiniert worden», sagt Beatrice Peter, «und der Geschmack ist echtem Kaffee ziemlich ähnlich – jedenfalls mehr als Getreidekaffee.» Wichtig ist, dass die Körner den empfohlenen Grenzwert für den Alkaloid-Gehalt nicht überschreiten. Diese Bitterstoffe sind giftig und ihre Menge ist abhängig von Sorten und Witterung.
[IMG 4]
[IMG 5]
Kein Dünger für den Mais dank Leguminosen
«Ich lasse gerne Pflanzen für mich arbeiten und verfolge die Idealvorstellung, nur zu säen und zu ernten», beschreibt Jorge Vasquez seine Philosophie. In seiner 7-jährigen Fruchtfolge bestehend aus Kunstwiese (Kleegras), Getreide (Weizen, Dinkel, Polentamais), Gemüse (Karotten, Randen, Süsskartoffeln), Kartoffeln und Leguminosen (Linsen, Lupinen, Bohnen, Erbsen), spielen die Hülsenfrüchte daher eine wichtige Rolle als Nährstofflieferanten. Dank dem Stickstoff, den sie aus der Luft fixieren, brauche er für den Mais keinen Dünger, so der Bio-Landwirt. Möglich machen es Wintererbsen als Vorkultur, die anschliessend gegrubbert werden. Das funktioniere auch bei Randen. «Die Leguminosen hinterlassen den Boden wunderbar krümelig und duftend», beschreibt Vasquez. Wo nötig kommt auf dem Grüthof mit Pflanzenkohle vermischter Hühnermist von den eigenen Legehennen oder organischer Handelsdünger zum Einsatz. Letzterer bei Kartoffeln, um das enge N:P-Verhältnis im Mist auszugleichen.
Betriebsspiegel Grüthof
Ort: Wildensbuch ZH
LN: 21 ha
Kulturen: Polentamais, Dinkel, Weizen, 3 Sorten Linsen, Lupinen und Leindotter in Mischkultur, Randen, Karotten, Süsskartoffeln, Kartoffeln, gelegentlich Erbsen und Gerste in Mischkultur (für Hühnerfutter)
Tierbestand: 31 Engadiner Bergschafe (davon 10 Mutterschafe und 1 Bock), 2000 Legehennen
Arbeitskräfte: Jorge Vasquez (100 Prozent), 1 Angestellter (90 Prozent), Susanne Peter (40 Prozent), 2-3 Helfer zum Jäten und Ernten
Spezielle Hofprodukte: Lupinenkaffe, Erbsenmehl, Leindotteröl, Suppenhuhn, Lammfleisch, Randen-Apfelsaft (Randy), Hochstamm-Apfelsaft, Polenta
Weitere Informationen: https://gruethof-wildensbuch.ch/
[IMG 6]
Kostenbewusst bei Infrastruktur und Verkauf
Der Anbau von Mischkulturen mit Leindotter erspart den Zürchern zwar teilweise das Striegeln, ganz um die Unkrautbekämpfung kommt Jorge Vasquez aber nicht herum. «Ich säe die Lupinen 4-5 cm tief, damit ich bei gutem Wetter ganz vorsichtig 1,5-2 cm tief blindstriegeln kann», erläutert er. Zu ein bis zwei Striegeldurchgängen kommt bei Bedarf die Bekämpfung von Problemunkräutern wie Disteln von Hand hinzu. Die Saatdichte des Leindotters passt er der Parzelle an: Je höher der Unkrautdruck, desto dichter wird gesät.
«Am Ende ist wichtig, was im Portemonnaie bleibt», findet Jorge Vasquez. Er handelt daher kostenbewusst, investiert möglichst wenig in die Infrastruktur (z. B. teure Maschinen) und vermarktet direkt, entweder via Bio- oder Hofläden oder online. Dank seiner Herkunft habe er gewissermassen eine Aussensicht auf den Schweizer Markt. «Die Schweizer(innen) sind vernünftig und wollen Produkte direkt vom Bauer kaufen. In Peru oder Spanien ist das anders», berichtet der Bio-Landwirt. Diese Chance gelte es zu nutzen, um die Macht weniger grosser Abnehmer zu umgehen und eine bessere Rendite zu erzielen. In solchen Überlegungen schlägt Vasquez’ Studium der Wirtschaftswissenschaften durch. Er ist aber auf dem Acker der Chef, während sich seine Frau Beatrice Peter um die Büroarbeit kümmert. Als ausgebildete Biologin berät sie ausserdem in einem Teilzeitpensum Landwirte bei der Biodiversitätsförderung und bringt sich in dieser Hinsicht auch auf dem Grüthof ein.
[IMG 3]
Verschiedene Standbeine geben Sicherheit
Vasquez und Peter haben Freude daran, immer wieder Neues anzubauen und auszuprobieren, statt jedes Jahr dasselbe zu säen – so bleibe es spannend. Bei der Kulturwahl achten sie einerseits auf den Markt, andererseits auf standortangepasste Produkte. «Ich will nichts dazu zwingen, hier zu wachsen», formuliert es der Bio-Landwirt. Ihr Betrieb ist breit aufgestellt und sie haben eine hohe Fehlertoleranz. «Wir sind nicht deprimiert, wenn einmal etwas nicht funktioniert», sagt Beatrice Peter. «Angesichts der schlechten Ernte im letzten Jahr waren wir froh um die Legehennen», ergänzt Jorge Vasquez. Lupinen und andere Leguminosen passen zu beiden: Die Biologin sieht darin wegen des guten Aminosäurenprofils ein sehr gesundes Lebensmittel und dank der Blüten im Frühsommer einen Gewinn für die Biodiversität. Für den Peruaner gehören Hülsenfrüchte täglich auf den Tisch und bieten agronomische Vorteile sowie eingesparte Kosten für den Düngerzukauf.
Dass im Rahmen des landwirtschaftlichen Verordnungspakets 2022 vorgeschlagen wurde, die Einzelkulturbeiträge von 1000 Franken pro Hektare auf Körnerleguminosen für die menschliche Ernährung auszuweiten, findet Beatrice Peter sehr sinnvoll. Damit könnten Ertragsschwankungen, wie sie bei Lupinen auftreten, abgefedert werden. Der Bundesrat wird voraussichtlich im Herbst über die neuen Beiträge entscheiden. Auf dem Grüthof wachsen jedenfalls auch in absehbarer Zukunft Lupinen.
[IMG 7]