Unser Alltag wird nun getaktet von Kühen, Käse und Kindern. Reto und ich sind uns gewohnt, dass unsere Kinder einfach im Alltag mitlaufen. Zudem sind Ronya und Cyrill gut in unsere Gruppe eingebunden und werden von unseren Teamkollegen und -kolleginnen mitgetragen, wofür wir sehr dankbar sind. Doch genau diese Umstände werden mir bereits in der ersten Woche zum Verhängnis.

Wir Erwachsenen sind ein neu zusammen gewürfeltes Team und brauchen Zeit, uns zu finden und den Arbeitsalltag für alle passend zu gestallten. Zudem ist es wichtig, die gegenseitigen Stärken und Schwächen kennen und respektieren zu lernen. Gleichzeitig läuft die Sennerei bereits auf Hochtouren. Draussen sind wir damit beschäftigt, das Weidesystems optimal zu gestalten und Zäune zu richten.

Nur zehn Minuten Zmorgen

Die Kinder schlafen meistens bis acht Uhr. Um diese Zeit sind die Kühe bereits auf der Weide, der Stall gemacht und der Käse aus dem einen Kessi gezogen. Ronya hat am ersten Morgen kaum Zeit zu frühstücken, unbedingt will sie in die Sennerei. Dort bleibt sie auch, bis die Käsekessi geputzt sind und alles aufgeräumt ist. Das erste Mal Käsen verläuft ohne grosse Probleme. Noch etwas ungewohnt ist für Senn Reto das Käsen in zwei Kessi. Diese werden zeitversetzt eingelabt, was gut abgestimmt werden muss. Am ersten Morgen klappt das noch nicht perfekt. So kommt es, dass der Zmorge für Reto bereits nach zehn Minuten vorbei ist.

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Mit den Kühen gewöhnen wir uns schnell an. Wir stallen jeweils zu viert, läuft alles ideal ab, steht nach 40 Minuten jede Kuh angebunden an ihrem Platz. Abends um halb fünf beginnen wir mit Melken, um etwa halb acht sitzen wir zusammen beim Znacht. Es läuft alles zack zack und ich vergesse dabei, dass viele neue Eindrücke auf meine Kinder einprasseln und sie auch Zeit brauchen, um diese zu verarbeiten.

Dann passiert es. Am dritten Abend hängt Cyrill während der Stallarbeit zwei Stunden weinend an meinen Beinen. Nur mit Mühe kann ich ihn beruhigen und verstehe nicht, was denn mit ihm los ist. Auch ich bin gereizt und kann nicht die Geduld und Zeit aufbringen, die er von mir brauchen würde.

Kurze Nacht

Die nächste Nacht fiebert Ronya durch. Ab 23 Uhr bis morgens um zwei kümmere ich mich um sie, eine Stunde später geht mein Wecker. Aufstehen, Kühe holen. Ich bin wie gerädert und muss mich an meine Prioritäten erinnern. Für mich gilt die Reihenfolge Kinder, Kühe, Käse und nicht umgekehrt. Normalerweise arbeitet auf der Alp Valpun ein Team von vier Personen. Damit wir genügend Zeit für unsere Kinder haben, hatten wir uns entschlossen, als Fünfer-Team den Alpsommer zu bestreiten. Diese Zeit muss ich mir auch nehmen, egal wie viel Arbeit anfällt.

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In den folgenden Tagen versuche ich, kein schlechtes Gewissen dem Team gegenüber zu haben, wenn ich einfach nur Zeit mit meinen Kindern verbringe. Für meine vier Kühe (ich melke nur die Patientinnen) brauche ich abends länger. Dafür übt sich Cyrill im Euter putzen und Ronya kontrolliert seriös, ob Mami auch wirklich richtig melkt.

Am Abend begleiten wir zusammen die Kühe auf die Nachtweide und trödeln am Nachhauseweg, weil wir noch Alpenrosen bestaunen, in Pfützen springen und den Alpentroll suchen.

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