Nach sechs Wochen Alp sind die Kinder und ich am Sonntag zum ersten Mal nach Hause gefahren. Ronya freute sich riesig darauf, jeden Tag fragte sie, wie oft sie denn noch schlafen müsse. Gleichzeitig wollte sie wissen, wer denn unsere Arbeit übernimmt und auf unser Team aufpasst, wenn wir weg sind.
Endlich ist es dann so weit. Unser Auto ist vollgepackt mit Butter und Ziger, den wir noch ausliefern wollen. Zur Verabschiedung fallen die Kinder allen Älplerinnen und Älplern um den Hals. Kaum habe ich das Auto gestartet, beginnt Ronya zu schluchzen: «Mami, ich bliebe do, öber muss doch uf de Dädi ufpasse.» Nach einiger Überredungskunst beruhigt sie sich wieder.
Abstecher ins Flachland
Die Kinder winken jeder Kuh, an der wir vorbeifahren, und ich staune einmal mehr, wie viele Ronya bereits beim Namen kennt. Kurz nach der Alp wird es still im Auto, die Kinder sind eingeschlafen, es wird eine ruhige Fahrt.
Zu Hause stürmen die Kids das Haus. Innerhalb weniger Minuten sieht das Wohnzimmer aus, als wäre ein Tornado durchgefegt. Zusammen besichtigten wir unseren überwucherten Garten. Anschliessend sortiere ich Post, während Cyrill und Ronya Eisenbahnschienen verlegen. Zu später Stunde geht es ins Bett.
Am nächsten Morgen sind die Kinder bei den Grosseltern, natürlich ein Highlight unseres Tal-Aufenthaltes. Ich bekomme knapp einen Abschiedskuss. Nun muss ich aber los, ich habe einen wichtigen Termin in Bern. Mit Make-up und Absatzschuhen komme ich mir komisch vor. Bereits am HB Zürich fühle ich mich wie erschlagen zwischen all den hektischen Menschen.
Nach der Sitzung bekomme ich die Nachricht von Reto, dass uns ein Teammitglied verlassen hat. Ich nutze meine dreistündige Zugfahrt nach Hause, um Inserate zu posten und suche auf zalp.ch nach möglichem Ersatz. Einmal mehr bin ich riesig froh um unser gutes Netzwerk. Kurzfristig hilft uns der Alpvorstand mit Personal aus, wofür wir sehr dankbar sind. Ich bin so vertieft in meine Arbeit, dass ich in Zürich tatsächlich den falschen Anschlusszug nehme.
Falsche Vorstellungen
Zurück auf der Alp ist die Stimmung durchzogen. Wir haben einige Bewerber für unsere offene Hirtenstelle, doch nicht alle entsprechen dem, was wir uns vorstellen. Einer fragte mich am Telefon, wie oft er denn freibekomme während des Sommers. Ein anderer war völlig entsetzt, als er ausrechnete, wie viele Stunden pro Tag wir arbeiten.
Trotz des Ernstes der Lage muss ich grinsen. Immer wieder spannend, was die Leute für Vorstellungen haben vom Älplerleben. Morgens starten wir um halb vier, abends versuchen wir, um 19 Uhr Feierabend zu machen. Das gelingt aber nicht immer. Wir sind zuversichtlich, dass wir in den nächsten Tagen jemanden finden, der den Rest des Alpsommers mit uns zusammen bestreiten wird. Bis dahin werden wir von unseren Familien und Freunden tatkräftig unterstützt.